Hallo,
in den letzten Jahren hatte ich schon jede Menge Haenels auf dem Tisch und
konnte (bis auf ein 49a ) alle wieder zum Leben erwecken.
Ungezählte Haenel 310 und 49a waren darunter, bilden doch diese die Basis
meines Hobbys.
Alleine dem Anschütz 275 hatte ich mich immer erfolgreich verschlossen.
Kollegen meinten zwar, in eine Haenel-Sammlung gehört auch ein Anschütz,
aber ich wollte nichts davon wissen.
Wozu brauche ich ein westdeutsches 310? Zudem die Preise dafür und auch für
die Ersatzteile unerfreulich hoch sind.
Bis mir letzte Woche ein Paket ins Haus kam. Von einem Kollegen verordnet.
Inhalt: Ein sehr gebrauchtes Anschütz 275.
So sah das aus:
Was ich in 43 Berufsjahren gelernt habe ist:
Kunden lügen.
Lieferanten lügen.
und seit meinem Diana 50M:
Bilder lügen.
So auch hier. Magazin fehlt, Das Holz war mal feucht gewesen, der Lack bröckelig, der ganze
Schaft stinkt wie ein Biber.
Brünierung fehlt komplett, dafür hat es reichlich Rostnarben.
Sicherung fest, Abzug ohne Funktion, Das Teil rastet beim Spannen nicht ein.
Plus: Nichts ist vertüddelt und bis auf das Magazin ist das Ding komplett.
Gestern habe ich dann mal komplett zerlegt, das Teil.
Stundenlang!
Das Bodenstück mit der (festen) Sicherung hatte sich dauerhaft mit der Systemhülse
vereinigt und der Treibstift des Bodenstückes machte aus Sympathie gleich mit.
Nachdem ich das endlich draussen und sich der Blutdruck wieder im Normbereich
eingependelt hatte, wollte ich nur noch g'schwind das Kolben/Feder-Paket rausziehen.
Klarer Fall von Denkste!
Natürlich hing die Federanlage an einem Grat an der Systemhülse fest. Also kurz weg-
gedremelt, den Grat und... Nichts!
Offensichtlich hatte sich die Federanlage mit dem Bodenstück abgesprochen und
bildete einen innigen Verbund mit der Hülse.
Die Zeit verging. Wekzeug, Flüche und Verwünschungen wurden immer gröber.
Irgendwann hielt ich das System in der Hand, starrte auf die Federanlage und dachte
darüber nach, wie ich die Anlage da raus bekomme...
Da machte es 'Plöpp!' und das ganze Geraffel sprang hinten raus. Bin ich erschrocken!
Rausfummeln ging noch ein bissle, dann hatte ich alles auseinander und konnte
Bestandsaufnahme machen:
Positiv:
Die großflächigen Rostnarben befinden sich fast komplett verdeckt vom Schaft.
Nach der Bearbeitung und Neubrünierung, wird kaum etwas sichtbar sein. Nur
links am Laufansatz wird man Rostnarben erkennen.
Werde die Hülse strahlen lassen und sie wird eine Industriebrünierung bekommen.
Hier kommt Täuschen und Tarnen vor Schönheit.
Die Feder wirkt neuwertig, ist Pfeilgerade und stramm.
Es ist eine Kunststoffdichtung montiert. Werde eventuell diese dennoch ersetzen.
Stoßröhrchen gerade und frei.
Lauf frei und blank.
...und ich bekomme die notleidenden Teile incl. einem guten Schaft von einem
Forenkollegen.
Dafür noch mal vielen Dank!
So könnte das doch noch was werden, mit dem Westspion in meiner Haenel-
Sammlung. IM Anschütz.
Was mich überrascht hat ist, wie weit das Anschütz doch vom 310 entfernt und
wie nahe es am 49a ist.
Sicherung und die lummerige Abzugsmimik sehen ganz nach 49a aus. Auch der
Drei-Schrauben-Abzugsbügel, sieht sehr nach 49a aus. Nur in stabil.
An das 310 erinnert die angeschweisste Spannhebellagerung und das Dreiecksblech,
also die untere Abdeckung.
Der Spannhebel selbst ist anders, als bei den Haenel. Auch die Visierung hat nichts
mit der östlichen Konkurrenz zu tun.
Und statt Spannstiften und Madenschrauben benutzte Anschütz überall Kerbstifte.
Memo an mich: Kerbstifte ausbohren ist nervend. Möglichst vermeiden!
Oben in der Systemhülse hat Haenel gegenüber dem Magazin eine kleine Mulde
im Lauf, wo die abzuschiessende Kugel gehalten wird.
Anschütz hat da eine federbelastete Kugel, die von aussen mit einer Verschluss-
Schraube fixiert ist.
Der Sinn dieser Vorrichtungen ist, zu verhindern dass die Kugel vor Schussabgabe
aus dem Lauf rollen kann. Die Anschütz-Konstruktion erscheint hier wirkungsvoller.
Zum Vergleich, Haenel 310:
...und 49a:
Wirklich auffallend, aus wie wenigen Teilen das 310 doch gefertigt wurde.
Von der Konstruktion her halte ich das 310 für das eigentliche Schießbuden-
gewehr der Wahl, da sehr einfach und reparaturfreundlich aufgebaut.
Im Vergleich zu Anschütz und 49a eine echte Weiterentwicklung.
Interessant, die drei im direkten Vergleich zu sehen.
So. Wenn die Teile kommen, geht's ans Reinigen und Zusammenbauen.
Derweil geht die Hülse zu Chrom-Schmitt zum Brünieren.
Die defekten Teile und den Schaft werde ich gelegentlich aufarbeiten.
Die bleiben natürlich beim Gewehr und sind dann jederzeit rückbaubar.
Werde berichten, wie es weitergeht mit IM Anschütz.
liebe Grüsse ... Patrick