Böllerbau - Metallguss statt fräsen?

Es gibt 19 Antworten in diesem Thema, welches 3.636 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (15. Januar 2023 um 17:02) ist von EL LOBO.

  • Hallo,
    ich tauch ab und zu auch wieder aus der Versenkung auf und stelle dumme Frage. Vielleicht hat jemand von Euch schon mal einen Böller (damit meine ich nicht die Tonerde verteilenden Dinge zu Silvester) selbst gebaut und kann mir ein paar sachdienliche Hinweise geben. Plan wäre, einen Standböller oder kurzes Kanonenrohr im Kaliber 40-60mm selbst herzustellen um gelegentliche "Weckrufe" für Vereinsmitglieder durchzuführen.

    Ich habe keinen Zugang zu einer passenden Drehbank, so dass die Variante "aus dem Vollen fräsen" als Auftragsarbeit recht teuer wird von Material und Werkzeugzeit her. Andererseits haben unsere südeuropäischen Pyrotechniker seit Jahrhunderten sogenannte "thunder mugs" in Gebrauch die aus Gusseisen mit einer passenden Bohrung zur Lärmerzeugung wie unsere Standböller verwendet werden. Zugriff auf eine Gießerei habe ich über Freunde.... .

    Das Beschussamt war im ersten Gespräch der Idee nicht so wirklich abgeneigt und hätte gerne eine Konstruktionszeichnung mit Materialangaben, dann sagen sie mir ob sie es beschießen würden.

    Vor dem Konstruieren aber die interessanten Fragen: Hat jemand von Eurch Erfahrungen mit Böllern aus Stahlguss, insbesondere Sphäroguss wie EN GJS 600-10?

    Was würdet Ihr als das ideale Kaliber zur Schallproduktion sehen, wenn man den Pulververbrauch noch in Maßen halten will? Wie wirkt sich die Länge des Rohres über der Ladung auf die Tonqualität aus? Und ja, es wird einfach der satte SP-Bass gesucht, das leicht in Zwerchfell drückende Wuuump.

    Ihr Glück ist Trug und ihre Freiheit Schein:
    Ich bin ein Preuße, will ein Preuße sein!

  • Ist halt immer ein Problem der Qualität des Gusses. Kanonen und Böller sind immer schon eher gegossen als aus dem Vollen gedreht worden. In der Regel ist es einfacher, sich so etwas Drehen zu lassen, als eine Gießerei zu finden. Das Rohr Bohren und Reiben kommst Du eh nicht drum rum.

    Der Vorteil ist, Du kannst natürlich tolle Formen realisieren.

    Auf der kleinen Chinadrehbank hab ich mir die Böller hier aus Edelstahl gedreht, im Kaliber 19 mm - das ideale Silvesterteil, und in weniger als einer Minute saubergemacht :

    Den 44mm Mörser hat ein Freund für mich gebohrt und gedreht :

  • Da Guss im allgemeinen nicht so haltbar wie aus dem Vollen gedrehtes ist, wäre ich eher für das Drehen, zumal so'n Gussrohr ja wahrscheinlich auch noch Mal zur Feinbearbeitung auf eine Drehmaschine muss.

    Evtl. geht ja auch ein dickwandiges Stahlrohr welches man auf eine Stahlplatte schweißt.

    Bedenke aber immer dass bei Sowas schon ordentliche Drücke entstehen können, und das Ganze nicht ganz ungefährlich ist.

  • Das Rohr Bohren und Reiben kommst Du eh nicht drum rum.

    Das ist eben das Schöne am Formguss. In einer Sandform kannst Du einfach einen Kern einlegen und bekommst damit einen passenden Hohlraum. Sicherlich darf der noch einmal nachbearbeitet werden (schleifen, polieren) aber ich muss keine Zentralbohrung setzen.

    Da Guss im allgemeinen nicht so haltbar wie aus dem Vollen gedrehtes ist, wäre ich eher für das Drehen, zumal so'n Gussrohr ja wahrscheinlich auch noch Mal zur Feinbearbeitung auf eine Drehmaschine muss.

    Ca. 800 Bar beim Böllern, 1400 Bar bei SP-Patronenmunition. Die Drücke sind mit modernen Legierungen bei ausreichnder Dimensionierung der Wandstärke kein Problem und im Anschluss muss es eben nicht auf die Drehbank. Die Haltbarkeit ist i.d.R. beim gefechtsmäßigen Schießen der Artillerie ein Problem gewesen, wenn sich die Rohre erhitzt haben. Das sollte bei 2-3 Böllerschüssen kein Problem darstellen.

    Ihr Glück ist Trug und ihre Freiheit Schein:
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  • Naja, die alten klassischen Geschützte waren meines Wissens aus Bronzeguss und haben ordentlich Wandung gebraucht.

    Klar kann man mit modernen Stahllegierungen was gießen, das Stelle ich mir aber noch einmal aufwändiger vor als mit Bronze und vor allem als nen fertiges Stück Rundstahl auf eine Drehmaschine zu schmeißen und da nen Loch reinzubohren/drehen.

    Und auch wenn du durch das gegossene Rohr keine Geschosse jagen willst, bei Guss hat man ruckzuck oberflächliche Risse, und die sollte man vor der Benutzung entfernen da sich da Druckspitzen bilden könnten.

    Aber wenn du eine Gießerei an der Hand hast die dir das macht, probiere es aus, bitte wenn fertig hier Bilder einstellen.

  • Das Problem bei Guß (früher wie heute) ist die Gefahr von Lunkern.

    Andererseits haben unsere südeuropäischen Pyrotechniker seit Jahrhunderten sogenannte "thunder mugs" in Gebrauch die aus Gusseisen mit einer passenden Bohrung zur Lärmerzeugung wie unsere Standböller verwendet werden.

    Irgendwo im Feuerwerk - Forum hatte ich, glaube ich, mal gelesen, dass dort teilweise aus Sicherheitsgründen die Gußteile durch gedrehte Böller ersetzt werden müssen.


    Evtl. geht ja auch ein dickwandiges Stahlrohr welches man auf eine Stahlplatte schweißt.

    Da macht das Beschussamt nicht mit. Das Rohr müsste zusätzlich verschlossen werden.


    Zugriff auf eine Gießerei habe ich über Freunde...

    Hast du mal im Verein herumgefragt? Da gibt es sicher auch jemanden mit Zugriff auf eine Drehbank.


    Was ich schon mal gesehen habe und interessant finde war ein Standböller aus Alu! Da spart man sich einiges an Schlepperei.


    "There is only one good, knowledge, and one evil, ignorance." - Socrates

  • Na ja, wenn man eine Gießerei an der Hand hat - die gekauften Vorderladerkanonen in Groß sind ja auch gegossen. Die Bohrung über Formguss hinbekommen läuft letztlich immer auf Nachbohren und Reiben auf einer Drehmaschine hinaus. Guss ist immer rau, da muss wenigstens 1-2 mm weg, bevor Du eine gute Oberfläche hast . Das kann man aber umgehen - viele Gußrohre werden mit eingegossenem Präzisionsstahlrohr als Kern gefertigt.

    Also der Versuch lohnt sich auf jeden Fall, allerdings würde ich dann lieber etwas Größeres als einen Standböller Bauen.

    Gehen wir mal die Kosten durch (mag durch Energiekrise teurer geworden sein, aber das trifft auf Gießen ja um so mehr zu ..)

    Ein Rohr wie das meines Mörsers sind etwa 2-3 Maschinenstunden, je nach Größe der verwendeten Drehbank. Unter Brüdern 150-200 Euro.

    Der Rohling in ST-52 hat knapp 100 Euro gekostet. Dazu kommt dann in der Heimwerkstatt das Bohren des Zündkanals, Anschweißen von Zapfen oder einer Bodenplatte zwecks Hinstellen und die letzte Oberflächenbehandlung. Also, vor Beschuß um die 300 Euro. Also, wenn der Freund mit der Gießerei das nicht aus Gefälligkeit macht, wird das eng, glaub ich. Du müsstest die Form drechseln und fertigbauen, ein Präz-Rohr im passenden Kaliber kaufen und ein Ende zuschweißen, dann der Guß, und letzten Endes die Nachbearbeitung, die man aber gut in Heimarbeit machen könnte.

  • Das Problem bei Guß (früher wie heute) ist die Gefahr von Lunkern.

    Irgendwo im Feuerwerk - Forum hatte ich, glaube ich, mal gelesen, dass dort teilweise aus Sicherheitsgründen die Gußteile durch gedrehte Böller ersetzt werden müssen.

    Evtl. geht ja auch ein dickwandiges Stahlrohr welches man auf eine Stahlplatte schweißt.

    Da macht das Beschussamt nicht mit. Das Rohr müsste zusätzlich verschlossen werden.

    Da kenne ich mich nicht mit aus was das Beschussamt da für Vorgaben macht, daher auch "Evtl.".

    In meiner Jugend (lange ist es her) hab ich mal mit ein paar Freunden sowas gebaut, ein Stahlrohr mit einseitigem Außengewinde, da kam dann ein Verschlussstopfen (riesige, schwere Hutmutter) drauf die zur Vorsicht noch mit dem Rohr verschweißt wurde.

    Da kamen dann zu Silvester ein paar Böller rein, nach Silvester wurden die Blindgänger zerlegt und das Pulver direkt geladen, vorne nen großen Korken rein und Bums :thumbsup: , ist zum Glück nie was passiert, war anscheinend stabil genug.

    Früher hat man halt einiges an Unfug gemacht, ich sage nur Kartoffelkanone aus HT Rohren, Silvester Böller zerlegt um größere draus zu bauen, Kettcar mit Mopedmotor usw.

    Mit 16 kommt man halt manchmal auf dumme Gedanken, wobei die Kartoffelkanone schon Klasse war, die hat sich allerdings irgendwann zerlegt :saint: .

  • Schweissnähte bergen immer ein Risiko hinsichtlich der Dauerfestigkeit. Ein paarmal hält das schon, aber irgendwann reisst die Stumpf aufgeschweisste Platte an der Grenze zwischen Naht und Material. Das wäre bei einer aufgeschweissten Hutmutter auch der Fall - das Gewinde selbst wurde eher halten. Im Normalfall kommt, wenn man Rohre verwendet, hinten ein Gewinde und eine "Schwanzschraube" rein, die das Rohr nach hinten verschließt.

    Und da Böller ja in der Regel vor Publikum genutzt werden, prüft das Beschußamt die besonders streng - und auch alle 5 Jahre.

  • Wenn jemand ein dickwandiges Rohr haben möchte, ich hab hier seit Jahrzehnten ein Stück von so 50-60cm rumliegen.

    Genaue Maße hab ich nicht, aber innen so 30-40mm, Wandung 20-30mm.

    Geschweißt ist das mit Sicherheit nicht, Gusseisen ebensowenig, dafür ist es rundherum zu glatt und blank, die Stahlsorte ist mir jedoch unbekannt.

    Da müsste sich der Böllerenthusiast "nur" ein Normgewinde ausreichender Länge reinzaubern lassen und einen fetten Bolzen reinschrauben.

    Stefan

    ps:

    Nur an Selbstabholer, das Teil geht nicht per Post.

  • Hallo,

    ich persönlich würde auf keinen Fall für einen Böller Stahlguss verwenden. Natürlich gibt es unterschiedliche Stahlqualitäten und unterschiedliche Gießverfahren, die zu unterschiedlichen Festigkeiten führen.

    Aber wer weiß es genau, wenn er ein Einzelstück erstmals abfeuert?

    Vor vielen, vielen Jahren hat es einen von mir improvisierten Stahlgussbecher zerrissen. 80% des Materials waren weg, die verbliebenen 20% lagen zur eigenen Warnung jahrelang in meinem Regal, ich hatte nur unglaubliches Glück, dass es nirgends Schäden gab.

    Heute würde ich über nahtlose Hydraulikrohre als Ausgangsbasis nachdenken. Vielleicht sogar 2 ineinandergesteckt und hartverlötet.

    Gruß

    Musashi

  • Na ja, den Erstbeschuss machst ja nicht Du, sondern das Beschußamt, bei größeren Stücken über 19 mm in der Regel in alten Steinbrüchen. Also, im Versagensfall Zahlst Du den Beschuß und bekommst die Splitter zurückgeschickt.

    Auch Hydraulikrohr ist in der Regel nicht bis 1000 bar druckfest. Nahtlos gezogenes Präzisionsstahlrohr besteht meist aus kaltgezogenem St35k, also auch eine eher weiche Stahlsorte. Wobei ein Rohr mit dreißig oder 40mm Bohrung und über 20mm Wandstärke durchaus tauglich sein sollte ;)

  • Na ja, wenn man eine Gießerei an der Hand hat - die gekauften Vorderladerkanonen in Groß sind ja auch gegossen. Die Bohrung über Formguss hinbekommen läuft letztlich immer auf Nachbohren und Reiben auf einer Drehmaschine hinaus. Guss ist immer rau, da muss wenigstens 1-2 mm weg, bevor Du eine gute Oberfläche hast . Das kann man aber umgehen - viele Gußrohre werden mit eingegossenem Präzisionsstahlrohr als Kern gefertigt.

    Also der Versuch lohnt sich auf jeden Fall, allerdings würde ich dann lieber etwas Größeres als einen Standböller Bauen.

    Die Nachbearbeitung ist schon wirklich mit eingepreist. Das Ganze ist wirklich nur ein Luxusproblem ob man nun bohrt oder aufreibt - bzw. ein historisches Problem. Die frühen Kanonen wurden im Sandgussverfahren mit einem Kern im Inneren hergestellt. Leider hatte man damit oft ein Präzisionsproblem, wenn die Laufseele vom Rohr ein wenig abwich. Deshalb ist man dazu übergegangen, die Kanonen aus dem Vollen zu gießen und dann zu bohren.

    Wenn ich vorhätte, ein VL-Geschütz zu bauen, dann ja gerne ein Seelenrohr. Für einen Standböller macht eine Abwichung von 2-3 Grad von Laufseele zu Außenrohr wohl kaum ein Problem mit der Schallerzeugung und wenn die Qualmwolke minimal zur Seite zieht dann schiebe ich es auf den Wind.

    Aber wer weiß es genau, wenn er ein Einzelstück erstmals abfeuert?

    Na, die normale Qualitätskontrolle mit Röntgen sollte Lunker ausschließen. Danach freut sich das Beschussamt über den bezahlten Erstbeschuss irgendwo in den Weiten des Sprengplatzes oder im Steinbruch. Wenn man dem Beschussamt die Gelegenheit dazu gibt, nehmen sie einen Elektrozünder und langes Kabel oder bei den Perkussionszündern ein langes Kabel und dicke Wand dazwischen.

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  • Na, die normale Qualitätskontrolle mit Röntgen sollte Lunker ausschließen.

    Dann hast du ja wirklich gute Connections. Das kostet normalerweise schon fast mehr, als sich einen Standböller drehen zu lassen.


    "There is only one good, knowledge, and one evil, ignorance." - Socrates

  • Dann hast du ja wirklich gute Connections. Das kostet normalerweise schon fast mehr, als sich einen Standböller drehen zu lassen.

    Steht für andere Projekte dort, gehört der Firma, wird eh immer wieder genutzt..... und der Inhaber des Ladens will auch 2-3 Standböller für sich haben. Von daher für mich und Ihn Materialkosten, ein bisschen Arbeit nach Feierabend und wird dann als extra Formkasten bei einem anderen Projekt mitbefüllt wenn die passende Legierung geschmolzen wird.

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  • ich habe schon mehrere auch große Kanonen und Mörser gedreht , gebohrt etc.

    Eigentlich ists am einfachsten ein 120mm ST37-oder C45 Baustahl mit 50mm nach und nach aufzubohren

    ca 250mm lang ,kann das jede Dreherei , du hast eine Wandung von 35mm. das Langt. Dat schafft auch SP nicht zu sprengen.

    Wenns beschossen werden muss , frag nach der Eigenschaft des Zündkanals. Den Rest schrauben ( nicht schweissen).

    Noch cooler ist VA Stahl Rostfrei , oder wenn du richtig Patte hast: Bronze . Da gibbet dann kein Rost.

    Aber billig ist so ein Teil auf keinen Fall. Ich habe schon viel zu viel investiert.