Moin Leute,
ich habe mal nachgeforscht und das Urteil des BGH zum Erschießen eines SEK-Beamten durch ein Mitglied der "Hells Angels" - im Original - gefunden.
Es ist m. E. ganz interessant und ich hab Euch mal paar Passagen des Urteils unten zitiert - war auch ein sehr spezieller Sachverhalt, ansonsten hätte es wohl auch keinen (Teil-) Freispruch gegeben.
Das ganze Urteil findet Ihr unter
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…793&pos=0&anz=1
dort ist auch ne Pressemitteilung des Gerichts.
VG Phil
(Always InTheAir)
Bundesgerichtshof Urteil vom 2. November 2011 – 2 StR 375/11 - Auszug:
"1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts Koblenz vom 28. Februar 2011
a) aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Totschlags verurteilt worden ist (Fall II.4 der Urteilsgründe [hier der Totschlag; Anm. Phil]); insoweit wird der Angeklagte freigesprochen,
b) im Fall II.2 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin ge-ändert, dass der Angeklagte der versuchten Nötigung schuldig ist,
c) im Strafausspruch mit den Feststellungen im Fall II.2 und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere, allgemeine Strafkammer des Land-gerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird als unbe-gründet verworfen.
4. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II.3 der Urteilsgründe freigesprochen wurde; insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kos-ten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Land-gerichts zurückverwiesen.
5. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird als unbegründet verworfen.
(...)
4. Im Februar und März 2010 entstanden Gerüchte, dass ein Mitglied des verfeindeten Motorradclubs "Bandidos" ein Mitglied der "Hells Angels" töten oder zumindest schwer verletzen wolle, um sich einen Aufnäher mit dem Schriftzug "Expect no Mercy" sowie eine Prämie von 25.000 Euro zu verdienen. Hintergrund dafür war, dass am 8. Oktober 2009 A. als Mitglied der "Hells Angels" ein Mitglied der "Bandidos" erschossen hatte. Der Zeuge L. , der Anwärter ("Hangaround") auf eine Vormitgliedschaft ("Prospekt") bei den "Bandidos" war, der aber zugleich Kontakte zu Mitgliedern der "Hells Angels" unterhielt, erteilte eine Warnung. Er gab an, der Zeuge Le. , ein weiterer "Hangaround" bei den "Bandidos", plane den Angriff und führe unter anderem zu diesem Zweck eine abgesägte Schrotflinte in seinem Auto mit. Am 13. März 2010 wurde L. wegen seiner Kontakte zu den "Hells Angels" von Mitgliedern der "Bandidos" verprügelt und aus ihrem Club vertrieben. Danach stell-ten der Angeklagte und seine Clubkameraden T. und Bou. den Zeugen L. am 16. März 2010 zur Rede. Er bestritt aber eigene Angriffs-absichten und behauptete, tatsächlich berühme sich L. seiner Angriffs-absichten gegen die "Hells Angels". Der Angeklagte war danach davon über-zeugt, dass jedenfalls irgendein Mitglied der "Bandidos" tatsächlich einen An-griff auf ein Mitglied der "Hells Angels" plane.
In der Zwischenzeit ermittelten die Strafverfolgungsbehörden gegen Mit-glieder der "Hells Angels" wegen der Tat zum Nachteil der Zeugin V. (oben I.2). Das Amtsgericht Ko. erließ zehn Durchsuchungsbeschlüsse gegen verschiedene Mitglieder des Motorradclubs "Hells Angels". Einer der Be-schlüsse betraf die Durchsuchung von Wohnhaus und Fahrzeug des Angeklag-ten. Ziel der Maßnahme sollte das Auffinden von Beweismitteln über die Dro-hungen des Angeklagten und weiterer Mitlieder der "Hells Angels" gegen die Zeugin V. sein. Aus taktischen Gründen sollten alle Durchsuchungen zur gleichen Zeit stattfinden. Weil der Angeklagte als gewaltbereit eingeschätzt wurde und - mit behördlicher Erlaubnis - über Schusswaffen verfügte, beschloss das Landeskriminalamt, dass ein Spezialeinsatzkommando eingesetzt werden solle, um gewaltsam in das Haus des Angeklagten einzudringen, diesen im Schlaf zu überraschen, eine "stabile Lage" herzustellen und eine ungestörte Durchsuchung zu ermöglichen. Dazu wurden zehn Beamte des Spezialeinsatz-kommandos kurz vor 06.00 Uhr am 17. März 2010 am Zugriffsort eingesetzt. Sie umstellten das Haus des Angeklagten, wodurch Fluchtmöglichkeiten aus-geschlossen wurden. Fünf Beamte, denen das Eindringen in das Haus als erste Einsatzkräfte oblag, postierten sich an der Vorderfront nahe der Eingangstür dicht an der Hauswand. Darunter befand sich der Beamte Kop. als Türöffnungsspezialist. Dieser sollte mit einem hydraulischen Gerät das Tür-schloss sowie zwei Zusatzverriegelungen zerstören, die der Angeklagte nach früheren Einbrüchen von Dieben in sein Haus angebracht hatte, die Tür dann mit einer Ramme aus dem Rahmen drücken und so das Eindringen ermögli-chen. Alle Beamten waren bewaffnet, mit Sturmhauben zur Tarnung und mit Helmen nebst Visier sowie Schutzwesten mit der Aufschrift "Polizei" ausgerüs-tet. In einiger Entfernung hielten sich weitere Einsatzkräfte der Sondereinheit, ein Notarztteam, der Einsatzleiter, der ermittelnde Staatsanwalt sowie Beamte der N. Polizei bereit.
Der Einsatz begann um 06.00 Uhr bei Dämmerung. Im Haus des Ange-klagten brannte kein Licht. Die Rollläden der Fenster waren ganz oder teilweise geschlossen. Der Beamte Kop. setzte, vor der Haustür kniend, das hydrauli-sche Gerät zur Türöffnung zwischen Zarge und Türblatt an und bediente die Hydraulik, worauf eine der Verriegelungen mit lautem Knacken zerbrach. Der Beamte brachte das Gerät danach an der rechten Türseite in Höhe des Tür-schlosses an, das sodann wiederum mit lautem Knacken aufgebrochen wurde. Schließlich musste in einem dritten Arbeitsgang noch eine letzte Türverriege-lung an der Oberkante der Tür geöffnet werden. Die Ramme zum Eindrücken der Tür wurde schon herbeigeholt.
Inzwischen war der Angeklagte, der zusammen mit seiner Verlobten S. K. im Obergeschoss geschlafen hatte, von dieser geweckt worden, weil sie Geräusche gehört hatte; er hatte vergeblich versucht, durch das Schlaf-zimmerfenster Personen zu erkennen und hatte Geräusche sowie Stimmen an der Haustür gehört. Er nahm an, dass er das Opfer des angekündigten Über-falls von "Bandidos" werden sollte. Er nahm eine Pistole, über die er mit be-hördlicher Waffenbesitzerlaubnis verfügte, lud sie mit einem Magazin mit acht Patronen und betätigte den Lichtschalter für die Beleuchtung von Flur und Treppe. Seine Verlobte, die ihm folgen wollte, wies er an, ins Schlafzimmer zu-rückzugehen, die Tür zu schließen und mit dem Mobiltelefon ihre Mutter und seinen Bruder von dem – vermeintlichen - Überfall zu benachrichtigen. Er ging dann die Treppe hinab und nahm wahr, dass trotz des eingeschalteten Lichts weiter an der Haustür gearbeitet wurde. Die Beamten hatten über die Hör-sprecheinrichtung ihrer Helme die Meldung "Licht" erhalten, gingen aber gleichwohl weiter verdeckt vor und gaben sich nicht zu erkennen. Aus der Fort-setzung der Aufbruchtätigkeiten an der Haustür trotz Einschaltung der Beleuch-tung im Hause schloss der Angeklagte, dass es sich nicht um normale Einbre-cher handelte, sondern um den befürchteten, gegen sein Leben und das seiner Verlobten gerichteten Angriff von "Bandidos". Es kam ihm nicht in den Sinn, dass es sich um einen Polizeieinsatz handeln könne. Durch zwei 10,5 mal 44 cm große Ornamentgläser in der Haustür konnte er keine Einzelheiten er-kennen, sah aber Umrisse einer Person. Er blieb am Treppenabsatz in De-ckung stehen und rief: "verpisst euch", was jedoch von den Beamten nicht ge-hört wurde, die das Aufbrechen der Haustür fortsetzten. In dieser von ihm als lebensbedrohlich empfundenen Situation gab der Angeklagte, der damit rech-nete, er könne alsbald durch die Tür oder sofort nach dem unmittelbar drohen-den Aufbrechen der Tür von den vermeintlichen Angreifern beschossen wer-den, zu seiner Verteidigung zwei Schüsse auf die Tür ab, die der Bewegung der Person folgten, die sich an der Tür zu schaffen machte und die sich gerade aus gebückter Position aufrichtete. Bei der Schussabgabe nahm der Angeklagte billigend in Kauf, dass ein Mensch tödlich getroffen werden könnte. Der erste Schuss, der 111,5 cm über dem Boden die Haustür durchschlug, ging fehl; der zweite durchschlug 121 cm über dem Boden die Tür und traf den Beamten Kop. unter den erhobenen linken Arm. Das Geschoss drang durch die Öff-nung des Schutzpanzers am Oberarm in den Brustkorb ein und verletzte den Beamten tödlich. Nun rief ein anderer Beamter: "Sofort aufhören zu schießen. Hier ist die Polizei."
Der Angeklagte legte die Waffe sofort weg, lief zum Fenster und rief: "Wie könnt ihr so was machen? Warum habt ihr nicht geklingelt?
Wieso gebt ihr euch nicht zu erkennen?".
Er ließ sich widerstandslos verhaften, wobei er verletzt wurde (Fall II.4 der Urteilsgründe).
Das Landgericht hat die Handlung des Angeklagten als Totschlag bewer-tet. Es habe keine Notwehrlage vorgelegen, vielmehr ein rechtmäßiger Polizei-einsatz. Die Durchsuchung habe zum Auffinden von Beweismitteln, insbeson-dere schriftlichen Aufzeichnungen, über die Tat zum Nachteil der Zeugin V. gedient. Die Einschaltung des Spezialeinsatzkommandos habe dafür eine "stabile Lage" herstellen sollen. Zugleich sei der Schutz der Beamten be-zweckt worden. Wenn sich diese dazu entschlossen hätten, auch noch nach dem Einschalten des Lichts an der Treppe und im Flur durch den Angeklagten weiter verdeckt vorzugehen und sich nicht zu erkennen zu geben, so erscheine dies nachträglich als Fehleinschätzung; dies ändere jedoch nichts an der Ver-hältnismäßigkeit der Maßnahme. Angesichts der Rechtmäßigkeit des polizeili-chen Vorgehens sei auch weder ein rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB) noch ein Strafausschließungsgrund wegen Notwehrüberschreitung (§ 33 StGB) oder ein Schuldausschließungsgrund wegen Notstands (§ 35 StGB) anzuneh-men. Putativnotwehr (§§ 32, 16 Abs. 1 StGB) könne gleichfalls nicht angenom-men werden; denn auch als vermeintliche Notwehrhandlung sei der sofortige Schusswaffeneinsatz gegen einen Menschen nicht geboten gewesen. Zuvor wäre die Abgabe eines Warnschusses erforderlich gewesen. Einen möglichen Verbotsirrtum habe der Angeklagte vermeiden können.
Die Revision des Angeklagten hat einen Teilerfolg.
(...)
c) Keinen Bestand haben kann die Verurteilung des Angeklagten wegen Totschlags (Fall II.4 der Urteilsgründe des Landgerichts).
aa) Eine Notwehrlage hätte für ihn vorgelegen, wenn der Polizeieinsatz in seiner konkreten Gestalt nicht rechtmäßig war. Gegen die Rechtmäßigkeit könnte sprechen, dass es sich bei einer Durchsuchung um eine grundsätzlich offen durchzuführende Maßnahme handelt. Ob sich für das konkrete Vorgehen der Polizei in den §§ 102 ff. StPO eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2007 – StB 18/06, BGHSt 51, 211, 212 f.), kann zweifelhaft sein. § 164 StPO erlaubt ein Einschreiten nur gegen eine tatsächlich vorliegende oder konkret bevorstehende Störung der Durchsu-chung (vgl. LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 5/26 Qs 6/08 – mit Anm. Jahn JuS 2008, 649 ff.; Eisenberg in Festschrift für Rolinski, 2002, S. 165, 175 f.; Erb in LR, StPO, 26. Aufl., § 164 Rn. 8; C. Müller, Rechts-grundlagen und Grenzen zulässiger Maßnahmen bei der Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen, 2003, S. 86 f.). Ob präventiv-polizeirechtliche Regeln das Verfahren der strafprozessualen Durchsuchung abändern können, ist fraglich (abl. C. Müller aaO S. 58 ff. mwN). Die Frage der Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes und eines hieraus folgenden möglichen Notwehrrechts des Angeklagten hiergegen kann aber im Ergebnis offen bleiben; denn jedenfalls befand sich der Angeklagte in einem Erlaubnistatbestandsirrtum.
bb) Die Voraussetzungen eines Irrtums über die tatsächlichen Voraus-setzungen eines Rechtfertigungsgrundes liegen vor. Dies führt entsprechend § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB zum Ausschluss der Vorsatzschuld. Der Angeklagte ging nach den Feststellungen des Landgerichts aufgrund der Hinweise vom Vortag durch die Zeugen L. und Le. von einem Überfall durch ein Rollkommando der verfeindeten "Bandidos" aus. Er schloss einen "normalen Einbruch" angesichts des Vorgehens der Angreifer, die sich auch durch Einschalten der Beleuchtung im Haus und den Ruf "verpisst euch" nicht aufhalten ließen, aus. Die Bedrohung war aus seiner Sicht akut, da die Angreifer die Haustür bereits weitgehend aufgebrochen hatten und das Eindrin-gen unmittelbar bevorstand, weil er mit einer nicht abschätzbaren Zahl von An-greifern mit unbekannter Bewaffnung und Ausrüstung und mit einem besonders aggressiven Vorgehen rechnete. Wenn diese irrtümliche Annahme des Ange-klagten zutreffend gewesen wäre, wäre der sogleich auf eine Person gerichtete Schusswaffeneinsatz als erforderliche Notwehrhandlung gerechtfertigt gewe-sen. Wird eine Person rechtswidrig angegriffen, dann ist sie grundsätzlich da-zu berechtigt, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, welches eine endgültige Be-seitigung der Gefahr gewährleistet; der Angegriffene muss sich nicht mit der Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel begnügen, wenn deren Abwehrwirkung zweifelhaft ist. Das gilt auch für die Verwendung einer Schuss-waffe. Nur wenn mehrere wirksame Mittel zur Verfügung stehen, hat der Vertei-digende dasjenige Mittel zu wählen, das für den Angreifer am wenigsten gefähr-lich ist. Wann eine weniger gefährliche Abwehr geeignet ist, die Gefahr zwei-felsfrei und sofort endgültig zu beseitigen, hängt von den Umständen des Ein-zelfalls ab (vgl. Senat, Urteil vom 5. Oktober 1990 – 2 StR 347/90, NJW 1991, 503, 504). Unter mehreren Abwehrmöglichkeiten ist der Verteidigende zudem nur dann auf die für den Angreifer weniger gravierende verwiesen, wenn ihm genügend Zeit zur Wahl des Mittels sowie zur Abschätzung der Lage zur Verfü-gung steht (vgl. Senat, Urteil vom 30. Juni 2004 – 2 StR 82/04, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 17). In der Regel ist der Angegriffene bei einem Schusswaffeneinsatz zwar gehalten, den Gebrauch der Waffe zunächst anzu-drohen oder vor einem tödlichen Schuss einen weniger gefährlichen Einsatz zu versuchen. Die Notwendigkeit eines Warnschusses kann aber nur dann ange-nommen werden, wenn ein solcher Schuss auch dazu geeignet gewesen wäre, den Angriff endgültig abzuwehren (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 1992 – 2 StR 300/92, StV 1993, 241, 242). Das war hier nicht der Fall, zumal der An-geklagte damit rechnete, dass er seinerseits von den Angreifern durch die Tür hindurch beschossen werden könne. Ihm blieb angesichts seiner Annahme, dass ein endgültiges Aufbrechen der Tür und das Eindringen mehrerer bewaff-neter Angreifer oder aber ein Beschuss durch die Tür unmittelbar bevorstand, keine Zeit zur ausreichenden Abschätzung des schwer kalkulierbaren Risikos. Bei dieser zugespitzten Situation ist nicht ersichtlich, warum die Abgabe eines Warnschusses die Beendigung des Angriffs hätte erwarten lassen (vgl. Senat, Urteil vom 2. Oktober 1996 – 2 StR 332/96; BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforder-lichkeit 13). Ein Warnschuss ist im Übrigen auch nicht erforderlich, wenn dieser nur zu einer weiteren Eskalation führen würde (vgl. Rönnau/Hohn in LK StGB § 32 Rn. 177). Hier war aus Sicht des Angeklagten zu erwarten, dass die hartnäckig vorgehenden Angreifer ihrerseits gerade dann durch die Tür schießen würden, wenn sie durch einen Warnschuss auf die Abwehrbereitschaft des Angeklagten aufmerksam gemacht worden wären. Auf einen Kampf mit ungewissem Aus-gang muss sich ein Verteidiger nicht einlassen. Daher waren beide Schüsse, die der Angeklagte durch die Tür abgegeben hat, aus seiner Sicht erforderliche Notwehrhandlungen (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 1994 – 2 StR 195/94, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 10). Dieser Irrtum führt zum Wegfall der Vor-satzschuld.
cc) Fahrlässigkeit im Sinne von §§ 16 Abs. 1 Satz 2, 222 StGB ist dem Angeklagten ebenfalls nicht vorzuwerfen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn er seinen Irrtum über die Identität und Absicht der Angreifer hätte vermeiden kön-nen. Das ist ausgeschlossen, weil der Angeklagte nach den rechtsfehlerfreien und lückenlosen Feststellungen des Landgerichts mit plausiblen Gründen von einem lebensbedrohenden Angriff durch "Bandidos" ausging, ferner weil die tatsächlich angreifenden Polizeibeamten sich auch nach Einschaltens der Be-leuchtung im Haus nicht zu erkennen gaben und weil der Angeklagte wegen ihres verdeckten Vorgehens keine Möglichkeit hatte, rechtzeitig zu erkennen, dass es sich um einen Polizeieinsatz handelte (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Juli 1998 - 4 StR 261).
dd) Da keine weitergehenden Feststellungen zu erwarten sind, die zu ei-nem anderen Ergebnis führen könnten, ist der Angeklagte freizusprechen. Die Einsatzstrafe entfällt; daher muss auch die Gesamtstrafe aufgehoben werden."