Der Mythos Zoraki
Ich beschäftige mich noch nicht so lange mit dem Thema SSW. Obwohl ich schon fast mein ganzes Leben lang mehr oder weniger mit Waffen zu tun habe, hat sich das Interesse an SSW erst im Laufe des letzten Jahres manifestiert.
Wie das so meine Art ist, lese und recherchiere ich ziemlich viel, wenn mich etwas interessiert. Dabei beschränke ich mich nicht auf Erfahrungsberichte aus dem weltweiten Web, sondern rede auch mit Anderen und versuche mir ein eigenes Bild zu machen, indem ich mich z.B. vor Ort im Fachhandel informiere. Wichtig ist mir dabei immer, bei der Entscheidungsfindung soviel wie möglich eigene Erfahrungen mit einfließen zu lassen. Natürlich berücksichtigt man die Erfahrungen anderer, aber oftmals sind die Ausgangssituationen anders oder die Ziele und Absichten differieren.
Nicht immer kann man sich zu den Dingen eine eigene Meinung bilden, da hier eigene Erfahrungswerte fehlen.
Genau darauf möchte ich einmal näher eingehen. Ich fasse hier keine eigenen Erfahrungen zusammen, sondern werte Erfahrungen anderer aus. Ähnlich wie das Lesen von Rezensionen bei z.B. Amazon, über einen Produkt das man nicht kennt. Das Lesen von Rezensionen verschiedener Bewertungsstufen verschafft einem einen guten Überblick über die Eigenschaften des Produktes.
Vorab noch ein Wort zu meinen Neigungen zum Thema SSW: Ich habe keine. Es gibt keinen präferierten Hersteller, nichts was mir besser oder schlechter gefällt. Den Kauf meiner SSWs habe ich von für mich praktischen Gesichtspunkten abhängig gemacht.
Ästhetische Gründe spielen in diesem Stadium noch keine Rolle.
Bei meinen Recherchen zu verschiedenen SSW oder Herstellern zeichnete sich ziemlich schnell ein mehr oder weniger deutliches Bild ab:
- ME: ziemlich viel Zink, Lebensdauer begrenzt, gute Optik
- Weihrauch: gute Qualität, gute Verarbeitung, lange Lebensdauer
- Umarex: je nach Modell mal besser oder schlechter, kommt auf die Prioritäten an
- Zoraki: Verarbeitung stark variierend, Praxistauglichkeit sehr gut
Andere Hersteller lasse ich bewusst außen vor.
Bei Recherchen über YT und anderen visuellen Medien wurde dieses Bild von verschiedenen „SSW-Gurus“ manifestiert. Der Besuch beim örtlichen Fachhandel ist keine Hilfe, da hier die Waffen nur haptisch und optisch wahrgenommen werden können. Eigene Erfahrungen zur Praxistauglichkeit kommen hier nicht zum Tragen – und jetzt wird es interessant:
Nach wochenlangen Recherchen zu Modellen, Features und Erfahrungen verschwimmt das Bild der oben angezeigten Eigenschaften der Modelle der verschiedenen Hersteller.
Stutzig wurde ich als ich begann, systematisch die Silvestererfahrungen der letzten Jahre der User in verschiedenen Foren für mich auszuwerten.
Mir fiel auf, daß hier wesentlich mehr User Probleme mit Zorakis hatten, als das im allgemeinen Mainstream wahrgenommen wird.
Mir fiel auf, daß hier wesentlich mehr User keine Probleme mit Waffen anderer Hersteller hatten, als das im allgemeinen Mainstream wahrgenommen wird.
Mir fiel auf, dass viele Probleme scheinbar mit der verwendeten Munition zusammenhingen. Oftmals traten nach dem Wechsel keine Probleme mehr auf.
Mir fiel auf, dass User nach einer schlechten Erfahrung mit einem Modell dies jahrelang immer wieder posten, zum Teil in mehreren Foren, so daß der Eindruck entsteht, es handele sich um eine viel weitere Verbreitung. Dabei wird immer wieder der selbe Fauxpas breitgetreten.
Zuerst wollte ich mir die Mühe machen, das Ganze statistisch auszuwerten, bemerkte aber sehr schnell, daß das nicht so ohne Weiteres datentechnisch fundiert darzustellen ist.
Wie soll ein Versagen einer Waffe bei Munitionssorte X bewertet werden, wenn mit Munitionssorte Y alles funktioniert?
Wie soll recherchiert werden, ob ein Fehler bei einem User, in der Waffe oder der Munition begründet liegt, wenn es dazu keine detaillierten Angaben gibt?
Also bin ich dazu übergegangen, das Ganze für mich persönlich auszuwerten. Aus diesem Grund haben meine Schlussfolgerungen auch keinen repräsentativen Hintergrund, sondern sind „einfach nur“ das Resultat von Wahrnehmungen aufgrund meiner Recherchen.
Beginnen wir mit Zoraki:
Die Verarbeitung (nicht die Funktion) befindet sich im unteren Drittel der auf dem SSW-Markt angebotenen Ware.
Erstaunlicher Weise wird das oft großzügig toleriert.
Die Funktionsfähigkeit der Zorakis ist im Allgemeinen über jeden Zweifel erhaben. Leider finden sich viele Posts, bei denen das nicht so ist. Irgendwie finden diese jedoch keinen Eingang in die Meinungsbildung.
Umarex (Walther):
Ich möchte Walther hier als einzelne Marke auflisten, auch wenn es sich um Umarex handelt. Warum? Relativ schnell wird dem geneigten SSW-Interessent klar, dass Walther-SSWs im Umarex-Konzern wohl eine Sonderstellung haben. Dies mag zum einen daran liegen, dass Walther eine recht lange Firmengeschichte hat, zum anderen dass die echten Waffen doch eine recht lange und beeindruckende Historie haben, was Gebrauch und Verbreitung betrifft.
Das verbreitete Bild von Walther, das sich mir „offenbarte“:
Die Modelle sind sehr munitionsfühlig, die Verarbeitungsqualität schwankt wohl sehr stark und die Zuverlässigkeit ist oft nicht gegeben.
Die Anlehnung an echte Waffen ist sehr gut, oft sind die SSW-Modelle nur in Nuancen vom scharfen Original zu unterscheiden, was sie für die SV oft zur ersten Wahl machen.
Umarex (andere Marken):
Das Bild das sich hier abzeichnet ist ziemlich durchwachsen. Erfahrungswerte streuen sehr stark, so daß es hier schwer ist Tendenzen auszumachen. Was sich jedoch oft gut abzeichnet ist, welche Modelle sich hauptsächlich für die Vitrine und welche sich für den Gebrauch eignen.
Weihrauch:
Bis auf kleinere Probleme mit dem Trommelabstand und nicht sauber abgeschlagenen Kartuschen bei einigen Revolvern, das von Weihrauch aber wohl ziemlich unbürokratisch und kundenfreundlich bearbeitet wird, kann man hier nicht viel falsch machen.
Die HW 94 ist wohl bis auf einen begrenzten Produktionszeitraum, sehr zuverlässig. Einzig die RK-Munition scheint wohl einige abzuhalten, verbunden mit den doch sehr teuren Magazinen.
ME.
Stellt sehr schöne Waffen her, die wohl hauptsächlich eher für den gelegentlichen Gebrauch gemacht sind. Hier scheint oft der „Wohlfühlfaktor“ beim Kauf eine Rolle zu spielen.
Zurück zum Mythos Zoraki:
Auffällig ist, daß Dinge die man bei anderen Herstellern hart kritisiert, bei Zoraki eher toleriert werden, gerade was die Verarbeitung angeht.
Fehlfunktionen, Zufuhr- oder Auswurfstörungen werden oft der Munition zugeschrieben (was ja wohl auf korrekt ist), die Reputation der Waffe bleibt dadurch unangetastet. Bei anderen Herstellern ist dies nicht so. Hier wird mit der Waffe viel härter ins Gericht gegangen und die Munition nur als sekundärer Auslöser wahrgenommen.
Features von Zorakis zum Thema Sicherheit, Bedienbarkeit oder Handling werden z.B. mit: „das muss man dann üben“ schöngeredet, während die gleiche Funktion einer Waffe eines anderen Herstellers, im selben Kontext ein „No Go“ darstellt.
Mein Fazit:
Die Zorakis sind Waffen die problemlos funktionieren, gerade was das Thema Munitionsfühligkeit angeht. Die Lebensdauer scheint ebenfalls weit über dem Durchschnitt zu liegen.
Nicht alle Zorakis, quer durch alle Modelle, funktionieren so einwandfrei. Die Verarbeitung ist für einen Ästhetiker wohl eher unbefriedigend. Ich selbst hatte von Hui bis Pfui (selbes Modell) schon einiges in der Hand.
Die Zorakis haben vielleicht zu Recht einen guten Ruf, nur scheint er MIR nicht ganz gerechtfertigt zu sein.
Nicht alle anderen Hersteller und Modelle sind so schlecht wie ihr Ruf. Hier sind mir besonders die Modelle von Walther im Sinn geblieben. Viele Modelle funktionieren problemlos und sehr zur Zufriedenheit ihrer Besitzer.
Weitgehend unberücksichtigt gelassen habe ich Testszenarien die für einen „durchschnittlichen“ SSW-Anwender nicht unbedingt repräsentativ sind. Das wären z.B. 1000-3000 Schußtests, die innerhalb von kurzer Zeit abgegeben werden.
Sehr wohl interessiert haben mich dagegen die Erfahrungen der SSW-Anwender die über Jahre bis zu mehrere tausend Schuß mit ihrer Waffe abgegeben haben. Hier zeichnet sich oft ein anderes Bild ab, als das Resultat der „1000-Schußtests“ wie sie in den visuellen Medien publiziert werden.
Damit ergibt sich für mich als Quintessenz:
Es ist bei SSWs wie überall. Man kann den Medien glauben. Hinterfragen ist sinnvoll.
Austausch mit Gleichgesinnten ist auf jeden Fall empfehlenswert.
Je mehr subjektive Meinungen, desto objektiver wird das Ganze.
In diesem Sinne…
… viel Spaß bei der Auswahl der nächsten SSW.