FWB 300 S "No Name"

Es gibt 16 Antworten in diesem Thema, welches 7.549 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (8. Januar 2012 um 22:00) ist von KingRingelding.

  • Hallo,

    hier ein weiterer Bericht über die Umgestaltung eines LG Feinwerkbau 300 S JUNIOR.

    Keine große „Handwerkskunst“, sondern lediglich eine Bastelei mit kleinem Werkzeug und wiederum – mangels Werkstatt – am Schreibtisch bzw. auf dem Fußboden entstanden.

    Die Basis bildet ein recht „junges“ LG 300 S Junior mit einer 374xxx-er Seriennummer. Der Rücklauf des Systems ist blockiert und das LG somit nicht mehr prellschlaggedämpft. Es ist damit vorbereitet und vorgesehen für die Nutzung in der Field-Target-Klasse 4.

    Als erster Arbeitsschritt erfolgte die intensive Überarbeitung des Systems bzw. sämtlicher Metallteile.

    Die Läufe der FWB 300 S Junior sind wohl regelmäßig etwas nach unten geneigt. Das sieht m.E. nicht sonderlich gut aus und gibt anschließend auch Probleme bei der Ausrichtung des Zielfernrohres. Der Lauf wurde daher „gerichtet“. Mangels Schraubstock unter Zuhilfenahme eines Vorratsschrankes. Von einer Nachahmung rate ich allerdings vorsorglich ab.


    Für die Ausstattung des Laufes wurden zwei Laufmäntel aus nahtlos gezogenem Präzissionsstahlrundrohr angefertigt. Mantel Nr. 1 mit einem Durchmesser von 16/18x1 mm und Mantel Nr. 2 mit 18/20x1 mm. Der 1. Laufmantel ist etwa 5 cm länger als die Nr. 2 und ragt somit später etwa 5 cm ins System hinein.


    Der überarbeitete Spannhebel:


    Sämtliche Metallaußenteile sowie der Kolben, die Kolbenhülse und die Federenden wurden aufwändig abgeschliffen und/oder mit einer Bohrmaschine (Polierscheibe und Polierpaste) auf Hochglanz poliert.


    Das Ergebnis dieses Aufwandes = u.a. Basis für eine ordentliche Brünierung der Außenteile. Deutlich zu sehen ist bereits der „dicke“ Lauf (wegen den 2 verklebten Laufmänteln).


    Der äußere Laufmantel hat aus optischen Gründen noch eine „falsche Mündung“ als Abschluss erhalten.


    Die äußeren Metallteile gingen dann auf die Reise zu einem „Fachbetrieb“ zwecks Brünierung. Hätte ich zu dieser Zeit geahnt, dass es weit über einen Monat dauern sollte bis ich die Teile zurück erhalten würde, ich hätte eine andere Firma ausgesucht. Zu allem Überfluss hatte man die Teile zunächst irrtümlich an einen falschen Empfänger (nach Salzburg) geschickt. Außerdem wurde die Arbeit nicht in der gewohnten und erhofften Qualität ausgeführt.

    Es stand also letztlich genügend Zeit zur Verfügung, die Schaftbearbeitung durchzuführen. Hier kam als Basis der serienmäßige Juniorschaft zum Einsatz.

    Die Ausgangsbasis für den 2. Arbeitsschritt:


    Der Schaft sollte eine höhenverstellbare Schaftbacke erhalten. Die Kontouren wurden zunächst aufgezeichnet und anschließend mit einer Stichsäge ausgeschnitten. Immer wieder ein spannender Moment.


    Die Befestigung der Schaftbacke erfolgt mit zwei M5-Inbusschrauben. Hierzu wurden durch den Hinterschaft zwei Löcher gebohrt und als „Lager“ für die Schrauben zwei etwa 2 cm lange Alurohre eingeklebt. Die Schaftbacke wurde mit zwei M5-Rampa-Muffen zur Aufnahme der Schrauben ausgestattet.


    Die Bearbeitung des Unterschaftes incl. dem bearbeiteten und dauerhaft mit 2K-Epoxidharzkleber eingeklebten original Kuntstoffteil/Abzugsbügel.


    Der Vorderschaft wurde durch Aufkleben zweier Leistenabschnitte (Buche) um ca. 2 cm verlängert.


    Überstehendes Material vom eingeklebten und ausgegossenen Kunststoffteil wurde auf der Unterseite mit einer Feinsäge entfernt.


    Durch Aufkleben eines weiteren Leistenabschnittes mit einer Stärke von 1 cm entstand die Basis für eine Knieauflage und gleichzeitig ein „Abzugsbügel“.


    Auf der linken Schaftseite wurde bis zum hinteren Schaftende und auf der rechten Seite nur im vorderen Bereich eine dünne Leiste als Erhöhung aufgeklebt, damit der „optische Knick“ des Serienschaftes verschwindet.


    Dann ging es an die Ausgestaltung der Schaftform auf der Unterseite sowie im Bereich der Knieauflage. Zunächst grob mit einer Raspel. Anschließend mit Schleifpapier.


    Nach grober Formgebung wurde auf beide Schaftseiten großzügig 2K-Holzspachtel aufgetragen – nein, das ist keine Gesichtsmaske.


    Nach vollständiger Durchtrocknung erfolgten umfangreiche Schleifarbeiten. Der Teppich hat sich darüber nicht so wirklich gefreut.


    Auf beiden Schaftseiten wurden im unteren Bereich Rundungen eingeschliffen. Zum Einsatz kam hierfür ein mit grobem (60-er Körnung) Schleifpapier umwickeltes Rohr.


    Das Zwischenergebnis: Die gesamte Oberfläche wurde mit Sekundenkleber ab- bzw. eingerieben und anschließend feingeschliffen. Das hat wiederholtes Schleifen mit Wässern erspart und die Oberfläche – insbesondere im Bereich der gespachtelten Stellen – verfestigt.


    Dann ging es ans „Punzieren“. Alle vorgesehen Bereiche wurden mit einem Dremel (kleiner Fräskopf) behandelt, bis eine gleichmäßige Strukturierung der Alt- und Neubereiche erzielt war. Die Randbereiche erhielten zuvor mit einer kleinen Dreikanntfeile leichte Vertiefungen als Begrenzungslinien zu den unpunzierten Bereichen.


    Auf die Knieauflage wurde eine etwa 3 mm starke Holzplatte und anschließend eine etwa 1,5 mm starke profilierte Gummiplatte aufgeklebt und beigeschliffen.


    Der erste Zusammenbau (mit Schaftbacke):


    Bedingt durch die unkonventionelle Umgestaltung konnte die Schaftoberfläche natürlich nicht mehr holzfarben gestaltet werden – das war allerdings bereits bei Beginn des Projektes klar.

    Der gesamte Schaft erhielt zunächst einen Auftrag mit schwarzem Strukturspray aus dem Autozubehörhandel. Dieses Spray dient ursprünglich zur Reparatur beschädigter KFZ-Kunststoffteile wie z.B. Stoßstangen oder Spoiler. Es ist schnelltrocknend und überlackierbar. Gewählt habe ich eine etwas grobere Struktur um das Aussehen eines Synthetikschaftes zu erzielen.

    Anschließend erfolgte das Überlackieren mit schwarzem Kunstharzspraylack. Und nach 24-stündigem Durchtrocknen wurde abschließend Kunstharzklarlack aufgesprüht.

    Das Ergebnis mit der bereits montierten höhenverstellbaren Schaftkappe:


    Anschließend der erste Zusammenbau. Zu sehen sind auch die Distanzscheiben zwischen Schaft und Schaftbacke bzw. Schaftkappe sowie das im Hinterschaft integriertes Gewicht (bleigefüllter Rohrabschnitt).


    Komplett montiert mit einem Zielfernrohr Falcon T35 (35-fache Festvergrößerung) incl. Staubschutzkappen:


    Durch die lange Bauform der verstellbaren Schaftkappe bzw. deren Halterung waren zur Verlängerung lediglich ca. 4 mm starke Distanzscheiben erforderlich, was m.E. dem optischen Gesamteindruck der Waffe zu Gute kommt.

    In dieser Ausführung hatte das Gewehr genau 3 Tage Bestand !

    Dann lag die Entscheidung für ein erstes Update fest. Der Schaft sollte aus optischen Gründen vorne um etwa 3 cm verlängert werden und die Schaftbacke um etwa 3 mm angehoben werden.

    Immer wieder eine Überwindung, ein fertiges System nochmals zu überarbeiten.

    Zunächst entstand die Schaftverlängerung aus 3 Stück aneinandergeklebter Leistenstücke aus Buche.


    Die Verlängerung erhielt die gleiche Oberflächenstruktur wie der restliche Schaft und ist abnehmbar mit zwei Schrauben befestigt. Im Inneren lässt sich bei Bedarf ein weiteres Gewicht unterbringen. Sollte jemand fragen, was bzw. wofür dieses Teil ist …….. das ist die „Überschallbremse“.


    Auf der Unterseite der Schaftbacke wurde eine 3 mm starke Holzplatte aufgeklebt und die Rundung mit 2K-Holzspachtel angepasst.


    Nachdem dann auch die überarbeitete Schaftbacke die gleiche Oberflächenbehandlung erhalten hatte, konnte das LG erneut zusammen gebaut werden.

    Bei dieser Gelegenheit wurde auch das Zielfernrohr gegen ein BSA Platinum 10-50x60 getauscht und eine kleine Wasserwaage angebracht.

    Das LG hat noch den Arbeitstitel „No Name“ und sieht nun so aus:


    Zusammenfassend kann ich sagen, dass diese Schaftüberarbeitung nicht weniger Arbeitsaufwand dargestellt hat, als gleich einen neuen Schaft zu bauen.


    Gruß Kurt


    Copyright © / Urheberrecht: Kurt Wörsdörfer, Jan. 2012. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung - auch auszugsweise- bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Erstellers.
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    50% + 1

    Einmal editiert, zuletzt von Kurt (7. Januar 2012 um 20:43)

  • Hi,

    echt feines Teil!

    Gruß Christian

    Zeige einem schlauen Menschen einen Fehler und er bedankt sich.
    Zeige einem dummen Menschen einen Fehler und er wird dich beleidigen!

  • Da kann man nur neidvoll den Hut ziehen und sich auf
    ein Treffen freuen. Die Bewunderung findet keine Gren-
    zen, Kurt.

    Gruß
    Andreas

    Field Target ist wie Sportschießen - nur schöner.

  • Hallo Kurt,

    ich bin begeistert von deinem Projekt. Du schaffst es immer wieder mit viel Fantasie, Hingabe und einer gehörigen Portion Handwerklichem Geschick ein ganz besonderes Gewehr zu kreieren.

    Einfach nur klasse :thumbsup:

    Gruß Norbert

  • Kurt, Du alter Holzwurm. Hast Du mal wieder toll gemacht. Ich hätte das System poliert gelassen, aber ich stehe auch auf diesen Kontrast zwischen schwarzem Schaft und poliertem System. Ist wie immer Geschmackssache. Das schmälert aber in keinster Weise Deine handwerkliche Begabung, einfach begnadet der Bursche.

  • Respekt!!!
    Für ne Küchentischarbeit eine super Leistung.
    Bevor ich eine eigene Werkstatt hatte,hab ich mich auch
    so immer abgemüht.Darum weis ich,was das für eine Leistung
    ohne Fräser oder Drehbank ist

  • Hallo,

    vielen Dank für die Menge Lob.

    Das Projekt stellt eigentlich einen Ausrutscher dar. Ein "Flickwerk" - weitgehend ohne konventionelle Handwerkskunst . Halt einfach mal etwas anderes - ein Versuch eben.

    Der Aufwand bis zur Fertigstellung war allerdings tatsächlich nicht geringer, als einen kompletten Schaft gänzlich neu aus einem schönen Stück Holz zu modelieren.

    Dennoch bin ich mit dem Ergebnis recht zufrieden.

    Gruß Kurt

    50% + 1

  • Hey Kurt,

    WAHNSINN!...Wieder ein überaus gelungenes Projekt, gefällt mir wirklich sehr gut!...Immer wenn ich deine Berichte lese denk ich mir: "Sowas machst du jetzt auch!"...Aber entweder bleibt es bei dem guten Vorsatz oder es kommt nur Murks dabei rum :cursing: ;(

    Gruß,
    King


    " Wir lieben das, was knallt und stinkt und trotzdem keine Leistung bringt " - Schwalbe-Fahrer aus Leidenschaft! :)