Wie weit fliegt eigentlich ein Diabolo?

Es gibt 44 Antworten in diesem Thema, welches 43.340 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (18. Oktober 2003 um 23:56) ist von GPB.

  • Das ist alles auch richtig, aber ich denke, der größte für die Ballistik wichtige Unterschied zwischen einem Diabolo und einer Kanonenkugel ist das Verhältnis zwischen Gewicht und Luftwiderstand. Ein Diabolo ist extrem leicht und hat eine große Stirnfläche, deshalb wird seine Flugbahn deutlich stärker vom Luftwiderstand beeinflußt als die einer Kanonenkugel.

    Eine Kanonenkugel bewegt sich horizontal mit fast konstanter Geschwindigkeit, wird also kaum langsamer. Das heißt, die Schwerkraft, die pro zurückgelegter Strecke auf sie einwirkt, ist am Anfang und am Ende der Flugbahn etwa gleich. Die Flugbahn ähnelt fast der im Vakuum, die ja bekanntlich eine Parabel ist. Deshalb ist der optimale Abschußwinkel, um eine große Weite zu erreichen, nahe an den 45°, die im Vakuum gelten.

    Ein Diabolo wird dagegen viel stärker abgebremst. Und je langsamer es ist, desto mehr wird es pro Flugbahnmeter nach unten gezogen. Das heißt, die Schwerkraft wirkt auf dem ersten Metern kaum, solange das Diabolo noch schnell ist, aber dann in einiger Entfernung von der Mündung um so stärker.

    Deshalb sieht der optimale Abschußwinkel beim Diabolo anders aus, nämlich so, daß das Diabolo möglichst viel horizontale Strecke "gutmachen" kann, solange es noch schnell ist und von der Schwerkraft wenig gestört wird.

    Das ist m.E. der Hauptgrund, warum der optimale Abschußwinkel bei Diabolos deutlich flacher ist als bei Kanonenkugeln. Der Effekt, daß das Diabolo nach einer bestimmte Wegstrecke zu trudeln beginnt, spielt aber sicherlich auch eine Rolle, die das ganze noch verstärkt.

    Vor allem dürfte das Getrudel den Hauptgrund liefern für die Abweichungen zwischen der Praxis und dem, was die Ballistikprogramme vorausssagen.

    Gruß,
    Marcus

  • <Ein Diabolo wird dagegen viel stärker abgebremst. Und je langsamer es ist, desto mehr wird es pro Flugbahnmeter nach unten gezogen. Das heißt, die Schwerkraft wirkt auf dem ersten Metern kaum, solange das Diabolo noch schnell ist, aber dann in einiger Entfernung von der Mündung um so stärker.>
    Wirkt die Schwerkraft nicht immer gleich und nur die dem entgegengesetzte Kraft ändert sich wärend des Fluges oder habe ich jetzt was falsch verstanden?

  • Die Schwerkraft wirkt immer gleich pro Zeiteinheit, aber nicht pro Flugbahnmeter. Ein Geschoß, das eine Hundertstelsekunde für einen Meter braucht, wird auf dieser Strecke mehr nach unten abgelenkt als ein Geschoß, das doppelt so schnell ist und deshalb nur eine halbe Hundertstelsekunde für den Meter braucht.

    Gruß,
    Marcus

  • Das stimmt, und ihr würdet ausrechnen, wie groß der Höhleneingang sein muß, damit wir genug Luft kriegen *lol*

    Aber mal im Ernst, die Flugbahn eines Diabolos lßt sich nun mal nicht herkömmlich, sondern nur experimentell ermitteln. Darum der Versuch.
    Ich finds nur köstlich, daß ihr euch trotzdem bemüht.

    Nichts für ungut, ich will euch nicht bremsen :huldige: *lol*

  • Ich denke das Ergebnis kann man folgendermaßen interpretieren:
    Der Diabolo erhält durch seinen Drall ein Derhmoment welches ihn in seiner Flugrichtung stabil hält.
    Am Anfang stimmen Flugrichtung, Laufachse des Gewehres und Drallrichtung des Diabolos noch überein. Irgenwann wird der Diabolo langsamer und seine Flugbahn ändert sich in eine Kurve. Der Drall des Diabolos hält ihn aber in seinem Abschusswinkel. Ähnlich wie ein Space Shuttle beim Eintritt in die Erdathmosphäre wirkt der Wind jetzt nicht mehr frontal auf seine Stirnfläche sondern greift ihn seitlich, sprich von unten an. Das ist dann der Punkt an dem der Diabolo langsam beginnt instabil zu werden und irgendwann aufgrund seiner aerodynamisch schlechten Form zu trudeln beginnt. Je steiler ich ihn abschieße, desto eher tritt dieser Effekt ein. Ein Kugelförmiger Diabolo müßte also rein theoretisch weiter kommen.
    Hoffe mein Erklärungsversuch ist nachvollziehbar.... ;)
    Gruß
    Ralph

    Einmal editiert, zuletzt von ivtu (14. Oktober 2003 um 14:40)

  • hey - hab ich was nicht mitbekommen ???
    ich dachte immer Ballisticprogramme versuchen ausgehend vom Idealfall im Vakuum mit entsprechenden (Korrektur-)Faktoren möglichst nahe an die Werte zukommen die durch entsprechende Experimente ermittelt wurden und quasi als Referenz anzusehen sind, um in Situationen in denen Experementieren icht so ohne weiteres möglich ist (Bsp. zu gefährlich, keine Örtlichkeiten usw.) ca. Ergebnisse zu haben.

    Desweiteren bleibt aber zu bedenken das die meisten mittelalterlichen Burgen mit heutigen Statikprogrammen berechnet entweder gar nicht erst gebaut hätten werden können wergen Instabilität bzw. so überdimensioniert waren das heute sich jeder Bauing. bei der Wirtschaftlichkeitsberechnug nen Strick nehmen würde - soviel zu totrechnen.

    Diese Männer, sanfter als Lämmer,
    sind wilder als Löwen.
    Bernhard von Clairvaux - De Laude Novae Militiae ad milites templi

  • Ich glaube das man einen Diabolo schon aerodynamischer machen kann, dann müsste man ihn aber ähnlich eines/einer Flechette bauen. diese sind meiner Meinung nach physikalich nicht verbesserungsfähig, sind mit den Treibkäfig aber besonders schwierig in der Herstellung. Ausserden müsste dann das lg besonders stark sein.....

    Einmal editiert, zuletzt von Mr.HW 35 (14. Oktober 2003 um 17:57)

  • also ich wäre ja dafür, das Diabolo aerodynamisch ungünstiger zu gestalten.
    So das die Präzision bis 50m sehr gut ist und dann auf den nächsten 10 m ein ballistischer Gau eintritt( wurde doch mal bei Silhuettenmun. versucht).
    Dann hätten bald jeder einen Stand in der Nähe!! *lol*

    Gruß
    ara

  • Der Versuch hat m. W. sogar funktioniert.
    Das Geschoss hatte eine Längsbohrung, oberhalb der Schallgeschwindigkeit war die geringere Stirnfläche günstig, durch die Bohrung trat am Geschossende sogar ein leichter Düseneffekt auf.
    Unterhalb der Schallgeschwindigkeit traten sehr ungünstige Strömungseffekte auf, die das Geschoss schnell bremsten.

    Aber da beim Luftdruck-FT kaum mit Überschall geschossen wird, nicht praktikabel.

    Stefan

  • Ich habe noch etwas weiter gedacht und bin zu folgendem Schluß gekommen:
    Ähnlich wie ein Flugzeug muß auch der Diabolo eine Art "kritischen Winkel" haben in dem er vom stabilen in den instabilen Flug übergeht.
    Ein Flugzeug kann man während des Fluges auch nur bis zu einem gewissen Winkel aus der Waagerechten zur Flugrichtung nehmen. Der Winkel ist abhängig von der Geschwindigkeit und der Aerodynamik. Überschreitet man diese Grenze durch übersteuern so beginnt das Flugzeug zu trudeln. Genau so muß es sich beim Diabolo verhalten, nur daß dieser "kritische Winkel" aufgrund seiner ungünstigen Form und seiner relativ hohen Geschwindigkeit vermutlich viel geringer als bei einem Flugzeug ist. Ich vermute das wenige Grad bereits ausreichen.
    Eine andere Erklärung fällt mir zu diesem physikalischen Paradoxon auch nicht ein....
    Ich werde mal Ian Pellants Programm bemühen und versuchen diesen Winkel zu bestimmen
    Gruß
    Ralph

  • Zitat

    Original von Old_Surehand
    Wie willst Du den denn mit dem Programm bestimmen? Ich gehe mal davon aus, daß der Winkel stark vom Restdrehimpuls abhängt, und wann der klein genug wird, kann man sehr schwer voraussagen, oder?


    Ich glaube das der Drehimpuls zwar für die Flugachse ausschlaggebend ist, nicht aber für das später zustande kommende Trudeln. Ich denke das wird durch die seitlich wirkende Luftströmung verursacht.
    Man könnte diesen Versuch mit einem polnischen Glattlaufgewehr wiederholen. Theoretisch müßten hier größere Entfernungen erziehlt werden, da sich der Diabolo mit der ballistischen Kurve neigen könnte.
    Gruß
    Ralph

  • Hm, ich glaube, das würde deshalb nicht funktionieren, weil das Diabolo dann viel früher mit dem Trudeln anfangen würde. Deshalb würde es lange nicht so weit fliegen.

    Ich verstehe es so, das das Trudeln anfängt, wenn die Kreiselkräfte nicht mehr in der Lage sind, das Diabolo zu stabilisieren, und das hängt sowohl vom Drehimpuls als auch vom Winkel zwischen Drehachse und Bewegungsrichtung ab. Deshalb kann man da schwer was berechnen.

  • Hallo nochmal...

    @ Old Shurehand:
    Bei der Betrachtung des (fast unbedeutenden) Luftwiderstands bei einer Kanonenkugel stimme ich Dir zu. Sie ist ja auch vergleichsweise langsam unterwegs und erfährt dadurch vergleichsweise nur mäßigen Luftwiderstand. Aber ein Pfeil ist im Verhältnis zu seiner Größe noch viel leichter als ein Diabolo. Auch der müßte dann ja nach 100 m schlagartig runter fallen. Tut er aber nicht. Mit einem Pfeil erreicht man die maximale Weite tatsächlich, wenn er in einem Winkel von etwas unter 40 Grad abgeschossen wird. Der fliegt nämlich auf seinem ganzen Weg mit der Spitze voran und trudelt nicht. Seine geringe Rotation durch die Befiederung wirkt zwar stabilisierend, aber nicht so weit, daß er irgendwann mal quer unterwegs ist.

    @ Ralph (ivtu):
    Wohltuend, daß mich mal einer verstanden hat, danke! Ich denke nämlich, daß dies (zunehmender Fehlerwinkel zwischen Geschoßachse und Flugbahn) der richtige Ansatz ist zum Verständnis des Phänomens der merkwürdig niedrigen Schußweite von Diabolos. Nebenbei: Dies Phänomen finde ich aus unserer Sicht ausgesprochen positiv - ich möchte sagen, das Diabolo ist für uns das ideale Geschoß. Bis zu einer gewissen Entfernung recht gute Präzision und danach bald Ende der Flugbahn.

    Aber zu Deinem Vergleich mit der Trudelneigung eines Flugzeugs: Ich glaube, hier sollten wir zwei völlig verschiedene Sachverhalte nicht in Verbindung bringen. Eine Tragfläche erhält Auftrieb durch das sie umströmende Medium (Luft) - und dazu muß die Strömungsrichtung innerhalb eines "gesunden" Bereichs liegen. Der alte Herr Bernoulli hat hier ja die entscheidenden Grundlagen erforscht. Einige Gründe für das Trudeln eines Flugzeugs: Druckpunktwanderung am Flügel, ungünstiger Schwerpunkt (Beladung), geringe Ruderkräfte wegen geringer Geschwindigkeit und/oder kleiner Ruderflächen.

    Auf unsere Geschosse wirken aber keine Auftriebskräfte. Das Trudeln eines Geschosses kommt m. E. daher, daß ein Kreisel immer stärkere Präzessionsbewegungen macht, je stärker eine Störkraft versucht, ihn aus seiner Achse abzulenken. Der Kreisel ist ja ziemlich blöd: Er richtet seine Stabilisierungskraft nicht genau gegen die Störkraft, sondern im 90-Grad-Winkel dazu - von hinten durch die Brust ins Auge sozusagen - was der Grund für die Präzessionsbewegungen sein dürfte.

    Berechnungen sind gut und wichtig. Bei sehr komplexen Sachverhalten versuche ich das aber gar nicht erst - damit bin ich mit meinen Latein sehr schnell am Ende. Probieren bringt mich da entscheidend weiter. Die richtige Anwendung der Grundlagen macht Versuche logischerweise effizienter als blindes herumstochern.

    Findet Ihr auch, gell?

    Gruß
    Andreas