Notwehrrecht

Es gibt 117 Antworten in diesem Thema, welches 8.275 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (13. November 2015 um 23:08) ist von Musashi.

  • ... Ist der Angreifer am Boden und unternimmt nichts mehr, bzw. hat seinen Angriff beendet, so darf auch nicht nachgetreten werden...

    ...danach geht er zu seinem Auto, holt ein Messer und attackiert dich erneut. Zwei mal erlebt vor der Kulturetage. Im Krankenhaus hat der Geschädigte seine "Nachsicht" bereut. Aber immerhin hat er gesetzeskonform gehandelt und sich dafür ein paar schicke Reißverschlüsse eingehandelt...

  • Völlig überholt. Die Spieltheorie sagt da etwas anders. Ja, wenn du als erster zuschlägst bist du immer im Vorteil. Blöd nur wenn der andere genau so denkt, dann wirst du nämlich immer zu 50% niedergeschlagen bevor du mitbekommst was eigentlich los ist ( wegen der Effektivität möglichst mit einer Eisenstange über den Kopf ). Das ist etwa das Verhalten von Gorillas. Wenn aber beide erst zuschlagen wenn es keinen Ausweg gibt sind auch beide im Vorteil, denn dann besteht ein maximales Potential dass BEIDE aus der Situation unverletzt hervorgehen. Das ist eher auf dem Niveau eines Homo Sapiens.

    Spieltheorie ist keine abgehobene Wissenschaft sondern die Grundlage für unser zivilisiertes, altruistisches Verhalten. Deshalb zahlt es sich aus dass wir jeden Tag andere Menschen so behandeln wie wir selbst behandelt werden. Du musst das nur auf Kriminelle erweitern, die auch Menschen sind und dich in der Regel nicht veletzten bzw töten wollen. Wenn du aber jeden Kriminellen töten bzw verletzen willst, hat das auch für dich Konsequenzen.

  • Der Begriff Notwehr deckt nur eine andauernde Gefährdung ab, eine bereits stattgefundene nicht mehr, man kann also einen Einbruch im nachinein nicht mehr durch Notwehr abwehren. Wenn dann der Täter angegriffen wird, ist das ein Angriff, keine Notwehr.


    Nichts verdrehen bitte! Solange der Einbrecher
    im Haus ist dauert der Angriff an.

    Weise einen intelligenten Menschen auf einen Fehler hin und er wird sich bedanken.
    Zeige einem dummen Menschen einen Fehler und er wird dich beleidigen.

  • Ich glaube, hier wird die Notwehrhandlung immer als ein "Hau-drauf" angesehen. Eine Notwehrhandlung kann auch einfach wieder die Zurücknahme des vom Dieb entwendetem Eigentums sein.

  • Ich glaube, hier wird die Notwehrhandlung immer als ein "Hau-drauf" angesehen. Eine Notwehrhandlung kann auch einfach wieder die Zurücknahme des vom Dieb entwendetem Eigentums sein.


    Aha....soll ich den Einbrecher freundlich anbetteln, mir doch mein Eigentum wieder zurück zu geben? Oder soll ich mich auf ein kleines Handgemenge mit dem Einbrecher einlassen, um mein Eigentum zurück zu erlangen? Das ist doch völlig realitätsfremd!

  • Realitätsfremd ist sich hier und jetzt schon Gedanken zu machen wie man einen Einbrecher kampfunfähig zu machen gedenkt. Wenn jemand wirklich einbricht (ich hoffe das bleibt uns allen erspart) wird sowieso alles ganz anders ablaufen.
    Entscheide sowas in der Situation, zB könnte der Angreifer ein besoffener Penner sein oder ein 2m grosser russischer Gangster, das macht dann schon einen Unterschied! Im Tierreich gibt es generell drei Arten auf Gefahren zu reagieren: Flucht, Angriff, Erstarren. Alle stehen dir generell offen wenn du in eine gefährliche Situation kommst, nicht nur Angriff. Ich würde dabei das Risko bewerten dass das sicherste Flucht ist, gefolgt von Erstarren (leise sein, nichts tun, verstecken). Angriff ist das Riskanteste was du machen kannst, auch wenn unser erhöhter Adrenalin / Testosteronlevel uns eventuell doch so handeln lässt (jeder der sich schon mal geprügelt hat weiss dass die Faust irgendwann fast von selbst zuschlagen will), später tut es einem eventuell leid.

  • Dazu fällt mir ein mir hat in Barcelona mal ein kleiner Araber das Portemonnaie aus der Hose gezogen (da waren über 1000 Mark drin das wusste er natürlich nicht). Ich habe ihn einfach festgehalten und gesagt give me back my wallet, da ich besoffen und in bester Stimmung war klang das ganze wahrscheinlich nicht mal aggressiv. Er hat ganz verschämt gegrinst und hat sie mir ganz normal zurückgegeben, ich glaube er hat sich sogar entschuldigt. MAn muss also nicht immer unbedingt gleich Gewalt anwenden manchmal reicht schon ein bisschen Selbstbewusstsein und Humor.

  • Wo soll ich denn bitteschön fliehen, wenn der/die Einbrecher in den Wohnwagen (oder die Wohnung) hinein wollen, in dem ich gerade noch geschlafen habe? Und ja, es ist mir so passiert.
    Da hatte ich keine Sekunde überlegt mindestens den ersten, der durch die Tür kommt mit entsprechendem schweren Werkzeug zu begrüßen, auch wenn es vielleicht nicht das richtige wäre, sondern die Tür freiwillig aufmachen, freundlich hinein bitten und beim Hinaustragen und Einladen humorvoll helfen, so sollte es sein - dann wäre jeder Einbruch ein wirkliches Vergnügen auf allen drei Seiten inkl. Rechtsprechung.

    Grüße - Bernhard

  • Hi,

    Ein Focus-Online-Artikel, der erneut die Pervertierung des Rechts in Deutschland zeigt:
    http://www.focus.de/finanzen/recht…id_5075382.html
    Das Opfer wird wieder mal zum Täter gemacht wird.

    Darf ich mal auf etwas aufmerksam machen. Hat mal jemand den Artikel richtig gelesen? Da wurde offensichtlich ein vor kurzem passierter Fall, der regulär von der Polizei aufgenommen wurde, zu einem absichtlichen Head-Liner gemacht, um mal das Thema Notwehr spektakulär aufzubereiten und Emotionen zu schüren.

    Sonst wäre es nett mal eine eindeutige Aussage, dass es wirklich zu einer Anklage gekommen ist, zu benennen. Die Aussage, dass eine Anklage drohen kann, ist absolut nichts wert, weil auch jeder Bürger, der rechtmäßig in Notwehr gehandelt hat Gefahr läuft angeklagt zu werden, aber das ist ja erst vor Gericht der Fall. Das muss aber nicht zwangsläufig sein. Wenn der Staatsanwalt einstellt, dass ist man kein Angeklagter, auch wenn das natürlich von Anfang an erst mal droht. Genauso wie bei Polizisten, die in Notwehr geschossen haben. Die Dienstwaffe wird sichergestellt oder beschlagnahmt und gegen den Beamten wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Entweder stellt es der StA ein, oder der Beamte steht irgendwann als Angeklagter vor Gericht. Aber die Aussage als solches, dass eine Anklage drohen kann… die ist nichts wert.

    Polizisten handeln in Ausübung des Dienstes nach dem Polizeirecht ist falsch. In Notwehr grundsätzlich nach dem Strafrecht, allerdings gibt es Ausnahmen, wo das Polizeirecht als »Sicherheitsnetz« dienen kann. Da dort die Anwendungsgebiete noch einmal anderen Anforderungen unterliegen, als im reinen Notwehrrecht. Aber grundsätzlich gilt: Notwehr Strafgesetzbuch ist die maßgebliche Vorschrift. Polizeirecht steht an zweiter stelle: Schießen auf flüchtige Straftäter ist zum Beispiel keine Notwehr, aber polizeirechtlich gedeckt.

    LG, Andreas :)

    Zitat von »Raziel«
    von daher ist natürlich nicht jedes Mittel erlaubt wenn es nur um Sachwerte geht

    Das wird zwar immer wieder so dargestellt, ist aber völlig falsch.

    Da hat Raziel auch völlig recht. Was einzelne Richter für eine Meinung vertreten, ist für die allgemeine Rechtsprechung überhaupt nicht von Belang und genau das ist es doch, was uns hier interessiert. Nicht der Gesetzestext, der in Definition und Auslegung einem zeitlichen Wandel unterliegt. Wir wollen doch hier und jetzt wissen, was uns blühen kann. Die Ausführung des Richters zeigen wie es sein sollte und nicht wie es heute IST. Und wer nicht zu dem mildest möglichen Mittel greift um eine gerade noch hochwahrscheinliche, aber auch sichere Abwehr der Gefährdung zu erreichen, der kriegt ganz schnell Probleme, wenn der Staatsanwalt keinen straffreien Notwehrexzess erkennt. Meiner Meinung nach wird hier eindeutig zu viel von nichtausgebildeten Bürgern verlangt, wenn das noch nicht einmal die Polizei in vielen Fällen rechtssicher entscheiden kann. Da würde ich mir auch die frühere Rechtsprechung wünschen.

    Die Zukunft ist jetzt und jetzt ist schon Vergangenheit.

    Einmal editiert, zuletzt von Sparky (13. November 2015 um 15:18)

  • Was Sparky schreibt finde ich einen ganz entscheidender Punkt. Sich schon prophylaktisch auf Notwehr zu berufen ist im Gesetz gar nicht vorgesehen, sonst wäre die Hemmschwelle einfach zu niedrig.

  • Das Notwehrrecht bietet keinen Freibrief für jedes beliebige Handeln. Und auch DAS ist Recht. Und auch dafür gilt der Grundsatz: Recht braucht dem Unrecht nicht weichen. Derjenige, der die Grenzen der Notwehr (ist doch ein interessanter Begriff. Warum hat man den wohl erfunden? :D ;^) Das waren aber nicht die Schweizer) überschreitet befindet sich im Unrecht. Und was dann? DAS ist dann Unrecht und auch hier gilt der Rechtsgrundsatz: Recht braucht dem Unrecht nicht weichen. Auch wenn das Recht auf einmal nicht für den Notwehrausübenden sondern für den Täter ausgelegt werden muss. Und jetzt? ?(

    LG, Andreas :)

    Die Zukunft ist jetzt und jetzt ist schon Vergangenheit.

  • ... sondern die Tür freiwillig aufmachen, freundlich hinein bitten und beim Hinaustragen und Einladen humorvoll helfen, so sollte es sein...

    ...endlich mal jemand der auch Verständnis für die schwere Kindheit des Täters aufbringt und einen sozialpädagisch wertvollen Beitrag zur Resozialisierung leistet. Würden sich alle so fürsorglich um Straftäter bemühen gäbe es auch keine Gewalt mehr in unserer Gesellschaft. Jeder darf sich einfach nehmen was er möchte und wird beim Abholen und Verladen für seinen guten Geschmack gelobt... ;^)

  • Niemand kann sich schon voreiseilend auf Notwehr berufen - "wenn mir X passiert dann mache ich Y und das ist Notwehr" - sondern nur rückwirkend. Notwehr kann niemals vorsätzlich erfolgen sondern nur aus Not, deshalb heisst es Notwehr und nicht allgemeine Bürgerwehr.

    Im Völkerrecht sind auch schon einige Kriege aus vorauseilender Selbstverteidigung begonnen worden, was natürlich totaler Quatsch ist.

  • Eben nicht, das schrieb ich doch gerade. Du darfst dich verteidigen wenn du angegriffen wirst, und wann das vorliegt entscheidet der Richter, nicht du. Alles andere fällt nicht unter Notwehr.

  • Und man sollte auch wissen, dass es eine Fallkonstellation der »provozierten Notwehr« gibt. Darauf kann es auch ganz schnell hinauslaufen.

    LG, Andreas :)

    Um die Diskussion hier mal auf realen Boden zu stellen, für alle die meinen, sie können JEDES Mittel einsetzen, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen - DAS war nämlich ganz anders gemeint. Das soll einen in Notwehr befindlichen Angegriffenen Schützen, wenn er jemand verletzt und derjenige stirbt an einer relativ leichten Verletzung, weil er Blutverdünner bekommt. Oder es sollte ein Schuss ins Bein werden und dieser ging fehl, aber der Tötungswille fehlte. Dann ist es kein Totschlag, sondern eine Gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge, oder aber eben durch Notwehr gedeckt. Kommt aber auf das Delikt und die Erforderlichkeit der Handlung an.

    Das hier ist die aktuelle Rechtsprechung und alles andere hat hier gar nicht zu interessieren:

    I) Erforderlichkeit
    Die Notwehrhandlung muss erforderlich sein, das heißt sie muss geeignet sein um den gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff effektiv abzuwehren und zugleich das relativ mildeste Mittel unter den verfügbaren Verteidigungsmitteln darstellen. Das relativ mildeste Mittel ist immer das, welches den geringsten Schaden verursacht. Der Angegriffene muss sich allerdings nicht auf eine womöglich unzureichende Abwehrhandlung einlassen. Es findet beim Notwehr im Gegensatz zum rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) prinzipiell keine Rechtsgüterabwägung statt, dennoch muss die Verteidigungshandlung und deren unmittelbare Folgen im Verhältnis zu dem zu erwartenden (Eigen-) Schaden stehen!
    Beispiel: Der gesundheitlich angeschlagene A klettert mühselig über den Gartenzaun um auf das Grundstück seines Nachbars N zu gelangen. Dort entwendet er zahlreiche Äpfel und möchte sich sogleich wieder aus dem Staub machen. Der aufmerksame N bemerkt den A, holt seine Flinte aus dem Waffenschrank und schießt kurzerhand mehrmals auf A ein. A verstirbt an den Schüssen.
    Hier ist die Notwehrhandlung nicht erforderlich. Zwar ist sie ein wirksames Mittel um den Angriff abzuwenden, denn A wird aufgehalten und das Eigentum des N nachhaltig geschützt, aber es ist nicht das mildeste unter den zur Verfügung stehenden Mitteln. Hier hätte es bereits gereicht den ohnehin gesundheitlich beeinträchtigten A festzuhalten oder zu Boden zu ringen. N droht im konkreten Fall eine Verurteilung wegen Totschlages § 212 StGB, die Notwehr (i.S.v. § 32 StGB) kommt als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht.


    Edit: Und man beachte bitte die doppelte Einschränkung der Auslegung. Nur wenn das Festhalten nicht ausreicht, DANN darf A mit einfacher Körperlicher Gewalt niedergerungen werden. Kein Fusstritt, das wäre schon überzogen, kein Stock… man kann sehen, wie groß die Einschränkung und Abwägung sein muss.

    Die Zukunft ist jetzt und jetzt ist schon Vergangenheit.

    2 Mal editiert, zuletzt von Sparky (13. November 2015 um 16:36)

  • Wo soll ich denn bitteschön fliehen, wenn der/die Einbrecher in den Wohnwagen (oder die Wohnung) hinein wollen, in dem ich gerade noch geschlafen habe? Und ja, es ist mir so passiert.
    Da hatte ich keine Sekunde überlegt mindestens den ersten, der durch die Tür kommt mit entsprechendem schweren Werkzeug zu begrüßen, auch wenn es vielleicht nicht das richtige wäre, sondern die Tür freiwillig aufmachen, freundlich hinein bitten und beim Hinaustragen und Einladen humorvoll helfen, so sollte es sein - dann wäre jeder Einbruch ein wirkliches Vergnügen auf allen drei Seiten inkl. Rechtsprechung.

    Grüße - Bernhard

    In dem Fall bist du aber auch wirklich "in Not". Jemand ist eingebrochen als du in einem Wohnwagen warst? Und er wusste das? Da man allerdings schon davon ausgehen dass du dich wehren wirst, wüsste nicht wie man da sonst rauskommt. Das ist was anderes als wenn du auf den Typ schiesst der dein Auto klauen will.

    Wenn jemand in deine Wohnung einbricht, kannst du dich verstecken und warten bis er weg ist, du kannst wenn möglich aus der Wohnung fliehen und Hilfe (Polizei) holen oder du kannst dich, mit irgendeiner Waffe vor den oder die Kerle stellen und sagen haut ab. Wird es zu einem Angriff von denen und Kampf kommen wird man von Verteidigung ausgehen (denke ich zumindestens). Eine weitere Option ist dass du sie sofort niederschiesst oder -sticht oder tot-schlägst, aber dann wirst du eventuell in den Knast gehen, wo ist da das Problem? Der letzte Fall wird mit Sicherheit in D nie per se legal sein, das kann sich jeder aus dem Kopf schlagen der solche Fantasien hat.

  • ...Das hier ist die aktuelle Rechtsprechung und alles andere hat hier gar nicht zu interessieren...

    ...mal ganz ehrlich: diese Ausschließlichkeits Attitüden kenn ich doch
    irgendwoher. Ahja, richtig, meine beste Freundin. Bei der nennt es sich
    dann alternativlos... :D