Was kommt zuerst - Austritt des Dias oder Einschlag des Kolbens?

Es gibt 102 Antworten in diesem Thema, welches 17.412 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (21. Januar 2024 um 13:47) ist von HWJunkie.

  • Es hat mir keine Ruhe gelassen.
    Ich musste es testen
    Irgendwie.
    Vor ein paar Tagen kam die Erleuchtung: Zwei Mikrofone!
    Nun hatte ich gerade keine Mikrofone zur Hand, aber alte In-Ohr-Kopfhörer tuns ja auch, im Gegensatz zu Mikrofonen können sie wegen der größeren Membranmasse den Körperschall besser erfassen.
    Einer radial neben der Mündung, um den seitlich hinter dem Dias austretenden Gasdruck messen zu können.
    Nebeneffekt: Es werden auch die Höhenschwingungen des Laufs gemessen!
    Einer axial am Laufsockel, um die Schwingungen des Systems in Längsrichtung messen zu können.
    Das Ganze dann in Stereo am PC aufgenommen, oben (linker Kanal) der Körperschall/Längsschwingung, unten (rechter Kanal) der Luftschall/Höhenschwingung).

    d35-Messung.jpg
    Bitte größer klicken!

    Der Zeitablauf:
    1) Längsschwingungen des Systems nach Auslösung des Kolbens
    2) Kolben federt am Luftpolster ab
    3) Austritt des Dias aus der Mündung (es muss also schon unterwegs gewesen sein, als der Kolben abfederte)
    4) Einschlag des Dias im Holz, etwa 4cm vor der Mündung
    5) Nachschwingen der Feder nach dem Abfedern des Kolbens
    6) Aufschlag des Kolbens auf die Zylinderstirnwand
    bis 7) Schwingungen des Systems durch den Aufschlag
    ab 7) Nachschwingen der Feder

    Deutlich erkennbar ist die relativ glatte Höhenschwingungskurve des Laufes, während die Längsschwingung durch die Feder ziemlich rauh aussieht (twännng?).


    Als Testwaffe kam übrigens ein Diana 35s :F: mit JSB Exact 4,51 zum Einsatz, welches mit der Mündung senkrecht nach unten geschossen wurde (die Kürze der Kabel ließ nichts anderes zu).
    Das deutliche Grundrauschen des oberen Kanals ist offensichtlich auf meine Soundkarte zurückzuführen.

    Hier das aufbereitete WAV-File (stark gestreckt, dadurch etwas dumpfer).
    Linker Kanal ist Körperschall/Längsschwingung, rechter Kanal ist Luftschall/Höhenschwingung :
    https://www.stefan-henzel.de/pics/diverse/d35-sample.wav

    Für eigene Versuche hier noch das originale WAV-File:
    https://www.stefan-henzel.de/pics/diverse/d35.wav


    Ich habe keine Ahnung, inwieweit das Ganze jetzt irgendwie wissenschaftlich war.
    Ich wollte es einfach nur mal wissen.


    Stefan

  • Klar....viele denken womöglich "was soll das jetzt bringen?" aber finde ich cool.....gerade wenn man bedenkt wie schnell Sache sich abspielt.

    Punkt 2 und 3 liegen doch recht nahe....würde nicht gerade Hand ins Feuer legen ob Dia schneller war. Messung müsste noch präziser sein.

    Respekt vor dem Aufwand und deiner Messung.

    ;)

  • Zitat

    Original von HWJunkie
    ...
    Ich habe keine Ahnung, inwieweit das Ganze jetzt irgendwie wissenschaftlich war.
    Ich wollte es einfach nur mal wissen.


    Stefan

    Hallo Stefan,

    das Grund-Motiv scheint mir gar nicht mehr wissenschaftlicher sein zu können!
    Und - was die Ausführungen betrifft - eine wissenschaftliche Abhandlung ist
    bestimmt umfangreicher und genauer gegliedert ... aber - für eine "erste Notiz"
    muss ich einfach sagen:

    Ich bin begeistert! :new11:

    Gruß Wolfgang
    ("Takuan")

    ernsthafter Freizeitschütze

  • Zitat

    Original von Takuan

    Hallo Stefan,

    das Grund-Motiv scheint mir gar nicht mehr wissenschaftlicher sein zu können!
    Und - was die Ausführungen betrifft - eine wissenschaftliche Abhandlung ist
    bestimmt umfangreicher und genauer gegliedert ... aber - für eine "erste Notiz"
    muss ich einfach sagen:

    Ich bin begeistert! :new11:

    Gruß Wolfgang
    ("Takuan")


    Moin!

    ...kann ich sofort, und genau so unterschreiben! :new11::huldige:

    MfG!

    I . Si vis pacem, para bellum - Flavius Vegetius Renatus, 400
    II. Jene, die grundlegende Freiheit aufgeben würden, um eine geringe vorübergehende Sicherheit zu erwerben, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit. - Benjamin Franklin, 1755
    III. :F: ... ein Zeichen der Unterdrückung - rhodium, 2008

  • Nene, dass ist hochinteressant.

    Aber was ich immer noch nicht kapiere - wann schlägt jetzt der "Piston" vorne an ?

    Bevor oder nachdem die Kugel aus dem Lauf ist?

    Wie lange ist der Lauf und wie lange könnte man ihn maximal machen, um sicherzustellen, dass die Kugel noch vor Anschlag des Piston aus dem Lauf ist ???

    Ist das 7,5 Joule?

    Wer in einem gewissen Alter nicht merkt, dass er hauptsächlich von Idioten umgeben ist, merkt es aus einem gewissen Grunde nicht. (Curt Goetz)

  • Zitat

    Ist das 7,5 Joule?


    Jo, siehe...

    Zitat

    Als Testwaffe kam übrigens ein Diana 35s :F: mit JSB Exact 4,51 zum Einsatz, ...


    ;)

    Ich mag die Stille nach dem Knall..

    Waffensachverständiger im VWG

    Einmal editiert, zuletzt von thomas magnum (19. April 2009 um 19:27)

  • Mist. Zuviel Amaretto im Kaffee gehabt.

    Das würde ja aber bedeuten, das man den Lauf locker verlängern könnte und dabei mehr V0 bekäme.

    OK, das geht rechtlich nciht wegen :F:, aber technisch.

    Wäre ja mal interessant ein WBK-Gewehr zu messen .... z.B. ein HW 90.

    Und dann schauen, wie lange da die maximale Lauflänge sein könnte.

    Wer in einem gewissen Alter nicht merkt, dass er hauptsächlich von Idioten umgeben ist, merkt es aus einem gewissen Grunde nicht. (Curt Goetz)

  • So, ich habe nochmal eine Messung gemacht, diesmal wurden beide "Mikros" etwas besser montiert, auch der Abstand zum Zielholz war größer.

    1) Auslösezeitpunkt des Abzugs
    2) Der Kugelverschluss des Schlosses löst sich
    3) Ende der Abzugsbewegung, die kleine nachfolgende Amplitude dürfte das Anschlagen des Züngels in seiner Endposition sein
    3) bis 5) Geräusch der sich entspannenden Hauptfeder
    4) Abfedern des Kolbens vom Luftpolster
    5) Die kleine Amplitude vorher dürfte die Luft sein, die vor dem Dia aus dem Lauf strömt, die große ist die Luft nach dem Dia
    6) Einschlag des Kolbens in die Stirnwand, kurz danach Abfedern des Kolbens von der Stirnwand
    6) bis fast 8) Schwingungen des Systemmaterials nach dem Einschlag
    7) Endgültiges Anliegen des Kolbens vorne
    8) Einschlag des Dias in das Zielholz
    9) Nachschwingen der Feder bzw. unten Nachschwingen des Laufes.

    Wie hier deutlich zu erkennen, ist anscheinend zwischen 3 und 4 keine Höhenschwingung des Laufs vorhanden.
    Da das LG allerdings mittig am System gehalten wurde, der Kolben also zentrisch durch den Drehpunkt der Halterung lief, ist auch nicht viel zu erwarten.
    An der Schulter ist der Drehpunkt ja etwas nach unten versetzt, was zwangsläufig zu einer Kippbewegung führen wird.


    Hier das gestretchte Soundfile:
    http://www.stefan-henzel.privat.t-online.de/pics/diverse/d35-sample3.WAV
    Schön ist die Schwingung der sich entspannenden Haupfeder zu hören.

    Und noch das ursprügliche Wavefile:
    http://www.stefan-henzel.privat.t-online.de/pics/diverse/d35-3.wav


    Stefan


    Edith ist noch was eingefallen:
    Die Beschreibungen der einzelnen Zeitpunkte sind natürlich nur Annahmen, was da genau gerade passiert.
    Ideal wäre dabei noch eine Videoaufzeichnung (mit entsprechender Bildrate) des ausgeschäfteten Systems von unten.

  • DAS ist mal wissenschaftlich :respect:

    Wissenschaft ist ja bekanntlich etwas zu untersuchen und möglichst unbefangen seine Ergebnisse auf Grund vorhandener Erfahrungen zu interpretieren. Das ist die gelungen.

    Jedoch, wie kommst du zu der Interpretation der Amplitudenausschläge? Das sind doch reine Vermutungen, oder hast du dafür Quellen?

  • Hallo Stefan,

    nach deiner Bemerkung in einem anderen Thread hier habe ich mir auch überlegt, dass unbedingt Klarheit geschaffen werden muss.

    Für einen Testaufbau hatte ich verschiedene Ideen, die aber alle angreifbar waren. Letztlich bin ich bei deiner Idee gelandet. Ich hätte es in Ermangelung einer High-Speed- Kamera genauso gemacht. Die einzige Frage ist nur noch:
    Woher weißt du, dass dieses oder jenes akustische Ereignis auch diese oder jene Ursche hat. Wie begegnest du dem Einwand, dass du die "Zacken" nur fehlinterpretiert hast. Das war mein Gedanke vor ein paar Tagen.

    Wenn dir dieser Nachweis gelingt, hast du der Federdruckwelt einen kleinen Stempel aufgedrückt.

    Was hälst du von der Idee, einen Papierstreifen oder Tesa-Streifen vor die Mündung zu kleben? Wenn alles gleich bleibt und sich nur eine Zacke verändert, ist es bewiesen.

    Hut ab :huldige: , ich bin begeistert

    Gruß
    Bernard


    Edit: Vor dem Lesen von Vampyr´s Beitrag geschrieben, aber gleicher Gedanke

  • Ich vermute es nur, wie Edith noch geschrieben hatte.

    Wenn jemand eine andere Erklärung hat, die plausibler erscheint: Immer her damit!


    Was mir übrigens auch noch aufgefallen ist:
    Das "untere" Mikro, also das an der Mündung, ist ein paar Mikrosekunden schneller, dessen Kabel ist auch einen Zentimeter kürzer.
    Aber wahrscheinlich hat die Soundkarte unterschiedliche Laufzeiten.


    Stefan

  • Ein Leerschuss sollte auch bei der Interpretation der
    Ausschläge hilfreich sein. Zudem ein Schuss mit
    geschlossenem Lauf am Lager (Blechplättchen einlegen).

    :huldige: Ansonsten SUPER Versuch!

    Gruß Klaus

  • Den Link kenne ich.
    Den sichtbaren Ablauf habe ich ja auch nachvollzogen, den habe ich auch nie in Zweifel gezogen.

    Aber wo ist die Mündung, bzw. wo ist das Dia, wenn der Kolben einschlägt?

    Vermutlich wurde das nicht gezeigt, weil es eben nicht klar war.
    Auch fehlt eine Möglichkeit den Ablauf in Einzelbildern abzuspielen.
    Mangels Mündungsansicht aber eh´ sinnlos.


    Stefan

  • Kompliment für die tolle Idee!!

    Die unterschiedlichen Laufzeiten der Signale in den zwei Kanälen durch Kabellängen und Soundkarte könnte man untersuchen, indem man die Mikrofone einfach mal tauscht. Den Einschlag aufs Holz würde ich eleminieren, weg mit dem Holz, eine Soundspitze weniger zum interpretieren. Mal andere Dias testen?

    Was mir nicht klar ist, ist die axiale Messung am System bzgl. Punkt 4 abfedfern des Kolbens am Luftpolster und 6 Prellschlag. Die Abnahme des Geräusches nach Punkt 4 sagt aus, daß der Druck nach der Spitze in 4 rapide abnimmt - vermutlich, weil das Dia auf Reisen geht und das Luftvolumen größer wird. Wie groß sind die Zeitabstände da, was bedeutet das für die Beschleunigung und die Geschwindigkeiten des Dias, welches bei 5 schon aus dem Lauf ist. Ist das plausibel?

    -

    Die Frage bliebt, ob das repräsentativ ist. Größeres Kelchmaß = höheres Losbrechmoment - Dia ist langsamer, schwereres Dia ebenso. Anderes Gewehr, andere Feder, längerer oder kürzerer Kolben, Dieseleffekt, da gibt es zu viele Variablen. Daher ist auch die verlinkte Animation im Grunde nur eine von zig Möglichkeiten.

    2 Mal editiert, zuletzt von ralph12345 (20. April 2009 um 09:02)

  • Wie gesagt, heute teste ich weiter.

    Das Zielmedium wird geräuschärmer (Stoff / Zewa), die Mündung wird dabei in eine Holzkiste gehalten, deren Wände innen mit einer Decke gedämmt werden.
    Mein PC-Tisch steht auf einer Seite auf einem Blech-Schubladencontainer, der Fussboden, auf dem das Zielholz und der Container stehen bzw liegen, ist aus Holz.
    Das alles könnte zu einer deutlichen Schwingung des Blechcontainers führen.

    Kanäle tauschen?
    Dann muss ich ja die Mikros umkleben!
    Ist aber auch nicht ganz so schlimm, der Zeitunterschied ist gering genug.

    Zu Punkt 4:
    Gestern habe ich noch einen Leerschuss gemessen.
    Die erste Amplitude (Abzug/Schloss) ist identisch, aber bis zum deutlich heftigeren Kolbeneinschlag (mit zwei folgenden Amplituden, evtl. Klappern des Knicklaufs) ist nur das "Rauschen" der Feder erkennbar, eine 4) gibt es dabei nicht.

    Zitat

    Die Abnahme des Geräusches nach Punkt 4 sagt aus, daß der Druck nach der Spitze in 4 rapide abnimmt


    Von dem Körperschall auf den Druck im Zylinder schließen, das halte ich für beinahe unmöglich.

    Die "Stille" vor dem Luftaustritt könnte evtl. eine Berührung der Lötung gewesen sein (ist halt alles nur freiluftverdrahtet).
    Der kleine Ausschlag nach dieser Stille lässt sich aber plausibel mit der Dia-Beschleunigung nach dem Losbrechmoment erklären:
    Starke Beschleunigung nach der Druckspitze (abfedern des Kolbens vom Luftpolster kurz zuvor), danach wird es etwas leiser (konstante Luftströmung) und kurz vor dem Verlassen des Laufes wird es wieder lauter (das Dia wird schneller, die Strömung nimmt wieder zu).


    Andere Muni, anderes Gewehr:
    Kommt noch!
    Ich habe noch Geco-Dias (hart aber leicht), RWS Supermag (sehr hart, schwerer als Schulz) und wahrscheinlich noch irgendwas.
    Bei den Gewehren muss ich mir noch was überlegen.
    Ein Starrlauf-LG wäre mir am liebsten (kein "klapperndes" Laufgelenk), FWB300 kommt mir da in den Sinn.
    Aber dessen Rücklauf ist nicht auf den senkrechten Schuss ausgelegt (waagrecht geht leider nicht, es sei denn, ich verlängere die Kabel (neue Störquelle).
    Und außerdem:
    Dessen Prellschlag beeinflusst das Dia sowieso eher nicht, da das System ja völlig gerade und frei beweglich ist.
    Vielleicht sperre ich mal den Rücklauf, aber nur, wenn mir kein anderes LG mehr einfällt.

    Das alte Hämmerli-Mars fällt flach (60er Jahre, 185-190m/s), der Chinakracher ist mir einfach zu klapprig und wahrscheinlich auch nicht mehr ganz taufrisch.
    Gleiches gilt für das Neckermann.
    Anschütz 250? Pneumatisch gedämpft, hat zwar vermutlich eine interessante Kurve, ist aber kaum repräsentativ.
    Anschütz 380? Gleiches Rücklaufproblem wie beim FWB.
    Erma ELG10? Wohl eher nicht repräsentativ.

    Leider habe ich keine modernen Starrlauf-Preller einfacher Bauart.

    Naja, mal sehen.


    Stefan

    ps:
    Ich hätte da noch ein frühes Diana 1...