Luftdruckwaffen - Systeme und ihre Vor- und Nachteile

Es gibt 18 Antworten in diesem Thema, welches 7.527 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (28. Januar 2007 um 19:12) ist von Tell300.

  • Da die Frage im Forum immer wieder auftaucht, will ich hier mal kurz
    eine Einführung über die verschiedenen Methoden geben, mit denen eine
    Luftdruck - bzw. Co2-Waffe das Projektil beschleunigt.


    1)Federdruck
    Durch einen Hebel oder einen abkippenden Lauf spannt der Schütze eine
    starke Feder. Beim Schuss treibt sie einen Kolben vor, der Luft
    komprimiert und mit dieser das Geschoss antreibt. Dieses System ist
    mit Abstand das Häufigste unter den Freizeitwaffen.

    Vorteile:
    Das System ist simpel und die Gewehre können relativ günstig sein.
    Der Schütze ist unabhänging von einer Gasflasche und das Gewehr gibt
    bei jedem Schuss eine konstante Mündungsgeschwindigkeit. Nicht- :F:
    -Luftgewehre können mit diesem System weit über 7,5 Joule erreichen.

    Nachteile:
    Der Prellschlag verreisst das Gewehr bei jedem Schuss. Trotzdem kann
    eine hohe Präzision erreicht werden, dazu muss der Schütze aber sehr
    darauf achten, dass er das Gewehr jedesmal genau gleich fasst.
    Dementsprechend ist es schwierig, mal eben die Stellung zu wechseln
    oder das Gewehr irgendwie aufzulegen.
    Weiterhin setzt der Prellschlag Zielfernrohren zu. Das Zielfernrohr
    muss unbedingt für Luftgewehre ausgelegt sein, da der Prellschlag
    ganz anders wirkt als der Rückstoss einer Feuerwaffe.
    Manche Gewehre sind für den Schützen prellschlagfrei, z.B, indem das
    System auf einer Schiene montiert ist und beim Schuss etwas nach hinten fährt.
    Zielfernrohre bekommen trotzdem noch den ganzen Prellschlag ab.

    2)Gaskolben
    Anstatt der starken Feder des obigen Systems wird ein Gaskolben verwendet.
    Das Gaskolbensystem zeigt im Allgemeinen die selben Vor- und Nachteile
    wie ein Federdruckgewehr, ist aber teurer. Dafür sind sehr starke Modelle
    möglich und das Prellschlagverhalten ist besser. Nur wenige Gewehre verwenden Gaskolben.

    3)Vorkomprimieren - Einfachpumpen
    Bei diesem System pumpt der Schütze mit einem Hebelzug Luft in eine
    kleine Kompressionskammer. beim Schuss öffnet sich ein Ventil und die
    komprimierte Luft wird in den Lauf geleitet

    Vorteile:
    Der Schütze ist unabhänging von einer Gasflasche und das Gewehr gibt
    bei jedem Schuss eine konstante Mündungsgeschwindigkeit. Das Gewehr
    ist völlig prellschlagfrei, was der Präzision sehr zugute kommt und
    Zielfernrohre schont.

    Nachteile:
    Der einzelne Hebelzug braucht meistens etwas Kraft, auf die Dauer
    ermüdet der Schütze und kann anfangen, zu zittern. Der meist große
    Spannhebel ist im Sitzen oder Liegen nicht immer leicht zu spannen.
    Die 7,5 Joule können mit so einem Gewehr normalerweise erreicht
    werden, WBK-Versionen mit mehr Energie sind selten möglich.

    4)Vorkomprimieren - Mehrfachpumpen
    Wie beim vorherigen System komprimiert der Schütze mit einer Pumpe
    Luft in einer kleinen Kammer, die beim Schuss zum Lauf hin geöffnet
    wird. Man muss aber mehrere Pumpbewegungen ausführen.

    Vorteile:
    Der Schütze ist unabhänging von einer Gasflasche und kann die Kraft
    des Gewehrs mit der Anzahl der Pumpbewegungen kontrollieren. Die
    Waffen sind oft sehr leicht und die einzelne Pumpbewegung braucht
    wenig Kraft. Das System ist prellschlagfrei - ein Plus für Präzision
    und Zielfernrohr

    Nachteile:
    Es ist anstrengend und Zeitraubend, vor jedem Schuss 6-10 mal zu
    pumpen! Man fängt schnell an, zu zittern. Übermäßig starke WBK-
    Modelle sind auch hier nicht möglich. Variable Schussgeschwindigkeit
    ist der Präzision nicht förderlich - man muss aufpassen, immer
    gleichviel zu Pumpen.
    Aus irgendeinem Grund sind fast alle Gewehre dieses Typs USA-Importe,
    die qualitativ nicht besonders hochwertig sind. (Ausnahme: Benjamin
    Sheridan, doch auch diese haben keinen besonders guten Abzug)


    5)Pressluft
    Im Gewehr ist eine kleine Pressluftflasche, die mit einer Handpumpe
    oder einer großen Druckflache befüllt werden kann. Beim Schuss wird
    das Ventil kurz geöffnet und etwas Pressluft entweicht und treibt das
    Geschoss an. Fast alle modernen Matchluftgewehre verwenden dieses
    System.

    Vorteile:
    Das Gewehr ist prellschlagfrei und man spart sich anstrengende
    Pumpbewegungen. Dadurch ist das Gewehr sehr präzise und gut für
    Zielfernrohre geeignet. Das System erlaubt mehrschüssige Modelle mit
    Magazin. Es können sehr starke WBK-Versionen gebaut werden.

    Nachteile:
    Diese Gewehre sind meistens recht teuer. Der Schütze muss immer auf
    den Druck achten, besonders vor Wettkämpfen. Eine große Gasflasche
    ist nötig, ansonsten hat man sehr viel Arbeit mit der Handpumpe. Die
    Mündungsdgeschwindigkeit kann bei einfachen Modellen ohne Regulator
    variieren.

    6)Co2
    Im der Waffe sind eine oder Mehrere Co2-Kapseln. Beim Schuss wird
    etwas Co2 entnommen, das schlagartig verdampft und das Geschoss
    antreibt. Die meisten Systeme arbeiten mit kleinen Kapseln, manche
    verwenden größere Flaschen. Dieses System wird häufig in
    mehrschüssigen Plinking - Pistolen verwendet.

    Vorteile:
    Genau wie das Pressluftsystem ist eine CO2-Waffe prellschlagfrei und
    man braucht beim schiessen keine anstrengenden Bewegungen zu machen.
    Mehrschüssige Systeme sind möglich und es können auch recht kleine
    Pistolen gebaut werden.

    Nachteile:
    Die Co2-Kapseln gehen relativ schnell leer und sind zusätzlich zur
    Munition ein Kostenfaktor. In sehr kalter Umgebung funktionieren Co2
    -Waffen nicht richtig. Starke WBK-Modelle sind selten, viele Modelle
    haben weniger als 7,5 Joule.

  • Natürlich (bitte...) ins hauseigene Lexikon - von da können die Wikis ja abschreiben, wenn sie mal was lernen wollen...

    Bei den Mehrfach-Pumpern hat man auch noch Variationen, je nachdem, wie schnell nacheinander man pumpt (Erhitzung), aber das geht schon seehr ins Eingemachte!

    Die Mündungsgeschwindigkeit bei Preßluft kann mit der Füllung nur variieren, wenn es entweder keinen (bei einfachen Modellen) oder nur einen ungenau arbeitenden Regulator gibt.


    Ich bin der Keith Richards dieses Forums und immer noch hier...

  • Zitat

    Original von tetrahydrofuran
    ...
    4)Vorkomprimieren - Mehrfachpumpen
    5)Pressluft
    6)Co2
    ...

    :new11: 99,9999 Punkte für diesen klasse Beitrag.

    Diese drei Überschriften zwechs der Übersichtlichkeit noch fett, dann kannst du von mir die vollen 100 Punkte veranschlagen.

    Roland

    Gruß
    Roland

  • Zitat

    Original von tetrahydrofuran
    .....
    Manche Gewehre sind prellschlagfrei, z.B, indem das System auf einer
    Schiene montiert ist und beim Schuss etwas nach hinten fährt.
    Zielfernrohre bekommen trotzdem noch den ganzen Prellschlag ab.

    .....

    Hallo Tetrahydrofuran,

    also erstmal ein :huldige: an dich für diesen Beitrag !!

    Ich hätte eine kleine Verbesserung anzubringen.

    Im oben zitierten Abschnitt könnte man vllt besser schreiben:

    Manche Gewehre sind für den Schützen prellschlagfrei, z.B. indem das System auf einer Schiene montiert ist und beim Schuss etwas nach hinten fährt.

    Dann wäre das, meines Erachtens, ein wenig klarer.

    Gruß
    Andreas

  • Hehe, Super! :n1:

    Es wird bequemen Neulingen auch immer schwerer gemacht, unbelesen Fragen zu stellen - das dürfte das allgemeine Einstiegsniveau wieder ein Stückchen heben. *lol*

    Ich habe z.B. angenommen, bei Pressluft und CO2 würde das pro Schuss dosierte Antriebsgas wie bei Vorkomprimierern in einer extra Kammer sitzen, abseits vom Vorratstank.

    Nun weiß ich, dass die Antriebsgase direkt abgezapt werden, indem sich ein Ventil bei der Schussabgabe für einen kurzen Zeitraum öffnet und wieder schließt.

    co2air.de ist eben eine Klasse für sich.

    Gruß,
    Eichi

    Meine :F:-Sammlung: FWB 601, Baikal IZH53M, ME38 Compact, HW94, P88 Compact, RG100, RG96, TM Automag III Spring :n1:

  • Du hast nicht unrecht, Eichlaub. Es gibt verschiedene Systeme und soweit ich weiss, arbeiten viele auch mit einer kleiner Kammer zur Zwischenspeicherung. Wobei das für den Otto-normal-Schützen auf das Selbe herauskommt.

  • Der Druck in der Pressluftflasche beträgt zwischen 100 und 200 (300) bar. Der gleiche Druck herrscht in der gefüllten Pressluftkartusche der Waffe. Dieser Druck wird in der Waffe auf ca. 70Bar reduziert (F Version).
    Diese auf 70 bar druckreduzierte Pressluft wird zum Geschossantrieb genutzt. Man kann die Kartusche also bis ca. 70 bar leerschiessen, danach fällt die eingestellte V0 ab, und die Schussergebnisse wandern nach unten aus.
    Hat man z.B. eine volle 200 bar 5Liter Pressluftflasche kann man nur etwa 2 Liter wirklich nutzen, da dann der Flaschendruck bereits auf 120 bar abgefallen ist. Das sind etwa 16 Pistolen oder 10 Gewehrkartuschen. Grob kann man bei der Pistolenkartusche mit etwa 1Schuß / bar rechnen. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Man ist, wenn man viel trainiert und nur ne 5L Pulle hat, also permanent am Flaschenachfüllen bei der Feuerwehr oder beim Tauchshop und das nervt ganz schön. Hab sogar schon gehört, daß eine Flaschenfüllung auf 200 bar 18€ gekostet hat :wogaga:.

  • Ist eigentlich im Falle einer Druckminderung für F-Waffen eine Zwischenkammer zwingend nötig? Oder kann der Druck auch "auf direktem Weg" aus der Kartusche hin zum Diabolo gemindert werden?

    Wie gesagt, für den Otto-Normal-Schützen einerlei, wie das nun genau geht, aber interessant fände ich es trotzdem.. ;)

    Grüße,
    Eichi

    Meine :F:-Sammlung: FWB 601, Baikal IZH53M, ME38 Compact, HW94, P88 Compact, RG100, RG96, TM Automag III Spring :n1:

  • IMHO:
    Man kann das bestimmt auch ohne Druckminderer lösen.
    Wichtig ist ja weniger der Druck als vielmehr die Gasmenge, die das Geschoss antreibt.

    Aber erstens hätte das Auslöseventil dann bei jedem Schuss den Gesamtdruck zu überwinden, was zu erhöhtem Öffnungswiderstand und damit zu stärkeren Federn des Schlagstückes führen würde.

    Zweitens wären die Öffnungszeiten des Ventil viel kürzer, was ein wesentlich präziseres Timing erfordert, welches sich dann auch noch mit abnehmendem Gesamtdruck ändern müsste.

    Drittens dürfte sich ein Standarddia ziemlich verformen, wenn eine 200bar-Druckwelle hinten im Kelch einschägt.


    Alles in allem ist also die Druckminderversion funktionssicherer und leichter zu kontrollieren.


    Stefan

  • Ich denke schon, daß der Druck immer auf einen konstanten Wert herabgeregelt wird. Sonst hätte man ja eine mit dem Kartuschendruck wandernde Ballistik (bzw. V0). Wie will man da noch konstant 10er und 9er schießen :n17: ?

  • Theoretisch ist das machbar.

    Der Gasdruck in der Kartusche drückt gegen das Ventil und verschließt es dadurch mit einer gewissen Kraft.
    Großer Druck - große Kraft --> geringere Ventilöffnungszeit.
    Kleiner Druck - kleine Kraft --> längere Venttilöffnungszeit.

    Die Ventile von Wechselkartuschen müssten alle absolut (und ich meine absolut) gleich sein, wenn es sich dabei um die schusstechnisch relevanten Auslassventile handelt, um sich in einer Waffe auch immer identisch zu benehmen.
    Auch dürften sie sich beim Nachfüllprozess nicht verändern, nicht abnutzen usw.
    Umgehen könnte man das natürlich mit einer zweiten Ventilstufe in der Waffe.
    Aber wenn man die einbaut (für die Gleichmäßigkeit einbauen muss), dann kann man auch gleich einen Druckminderer einbauen.


    Stefan

  • hallo...

    super gut gemachter Überblick, der sicher viele Fragen beantwortet..
    sollte man das nicht oben in der Rubrik festnageln ?

    Oder ist diese Funktion durch das immer größer werdende Lexikon abgelöst?

    Gruß
    Steinschleuder