Die Frage nach der idealen Führwaffe in Sachen Selbstverteidigung taucht ja immer wieder mal auf, meist gibt es Antworten, die durchaus stark von persönlichen Vorlieben geprägt sind, auch wenn solche subjektiven Kriterien nicht immer allgemeingültig sind.
Um einmal ein Beispiel zu bringen: die H&K P8 ist mir deutlich lieber als eines der diversen Glöckchen - eben wegen der zusätzlichen Sicherung. Warum? Weil ich - wen im Schlafsack die fertiggeladene Waffe liegt, einfach eine zweite Bewegung vor dem Brechen des Schusses durchaus beruhigend finde ...
Aber, um bei den SSW zu bleiben: warum nicht mal die einzelnen Aspekte separat betrachten und schauen, was zum Schluss dabei heraus kommt. Das darf durchaus kontrovers betrachtet werden, denn jeder hat eben seine eigenen Präferenzen.
1.) Abzugsystem SAO - SA/DA - DAO
Single Action Only: für die SV eigentlich denkbar ungünstig, denn bei einem Versager (sollte nicht, kann aber passieren) ist entweder durchladen oder ein zusätzliches Spannen des Hahns angesagt. In einer Notwehrsituation sicher nicht der ideale Ablauf. Beispiele: ISSC M22, Zoraki 906
Single Action/Double Action: jepp, schön niedriges Abzugsgewicht, wenn es nicht rummst, einfach erst mal weiter den Finger krumm machen - funktioniert in den meisten Fällen. Beispiele: RG 96, P22(Q)
Double Action Only: funktioniert auch gut - ist halt Training für den Finger, aber ebenso einfach zu handhaben wie SA/DA ... Beispiele: fehlen mir grade irgendwie ...
Fazit: eine Waffe mit SAO-Abzugssystem ist für die SV deutlich weniger geeignet.
2.) manuelle Sicherungen (ohne interne Sicherungen)
Sicherungen und Sicherungssysteme gibt es wie Sand am Meer. Das vermutlich einfachste ist die Walzensicherung ...
Walzensicherung: der Hammer kommt einfach nicht an den Schlagbolzen, solange die Waffe gesichert ist. Einfach, aber effektiv. Beispiel P22(Q)
Abzugsicherung: in gesichertem Zustand lässt sich der Abzug nicht betätigen bzw. ist entkoppelt vom Hahn. Beispiele RG 96, M22, Zoraki 906
Züngel am Abzug: muss mit dem Abzug betätigt werden, sonst blockiert der Abzug. Ja, aber ... um den Abzug ist regelmäßig ein Bügel, der danach schreit, daß der Finger sich zuerst hinein begibt, um den Abzug zu betätigen. Beispiele: M22, PPQ - bei der Gelegenheit: der Abzug der M22 ist eigentlich eine Katastrophe, der will ins Gelenk und nicht mit der Fingerkuppe bedient werden ... subjektive Meinung
Entspannhebel/-drücker: eigentlich keine Sicherung, sondern nur ein Wahlhebel von SA zu DA ...
Sicherheitsrast: ist a) keine Sicherung, b) hieß sie auch mal Laderast und c) soll eigentlich bei Waffen mit außen liegendem Hahn verhindern, dass beim Spannen des Hahns im Falle des Abrutschen ein Schuss bricht (wäre doof für den Daumen hinter dem Verschluss). Deswegen ist bei Waffen ohne außen liegendem Hahn eine Sicherheitsrast schon nicht zu finden. Einziger echter Vorteil: eine Waffe mit Sicherheitsrast lässt sich fertiggeladen und entsichert führen, falls die Waffe keinen Trägheitsschlagbolzen hat, da ansonsten eine mechanische Einwirkung auf den Hahn einen Schuss auslösen könnte. Beispiele für die Sicherheitsrast: M22, RG 96, 906, für den Trägheitsschlagbolzen: M22
Fazit: die Walzensicherung ist einfach und schützt auch davor, dass sich ein Schuss löst, wenn die Waffe auf den Hahn fällt. Wer seine Waffe fertiggeladen und entsichert führen will (wobei die Notwendigkeit hierzu m.E. hierzulande durchaus kritisch zu sehen ist), braucht einen Trägheitsschlagbolzen oder eine Sicherheitsrast.
3.) Trommel oder Magazin
Die Trommel des Revolvers hat einen deutlichen Vorteil: einfach noch einmal abkrümmen, und die nächste Patrone wird abgefeuert. Keine Notwendigkeit zum Durchladen im Störungsfall. Sie hat zwei deutlichen Nachteile: bei fünf oder sechs Schuss ist Schluss und Nachladen dauert länger als ein Magazinwechsel. Banal gesagt: eine P8 mit zwei Magazinen ersetzt fünf-sechs Revolver ...
Magazine erhöhen die verfügbare Munitionskapazität deutlich, aber im Störungsfall ist nicht damit getan, einfach noch einmal abzukrümmen.
Fazit: steht und fällt mit der Zuverlässigkeit der Munition. Bei einer scharfen Waffe würde ich persönlich mir da keine Gedanken machen und mich immer für die Pistole entscheiden. Bei SSW und der teilweise durchaus gegebenen Munitionsfühligkeit ist es aber doch ein Argument. Wenn man eine Kombination Waffe/Munition gefunden hat, die störungsfrei arbeitet, dann spricht nichts gegen die Pistole.
4.) Handhabungssicherheit
Mal ganz banal formuliert, drücke ich meiner deutlich besseren Hälfte nur eine Waffe in die Hand, die handhabungssicher ist. Sprich die keine "Tricks" erfordert. Hausaufgabe 1: man entspanne die Waffe in fertiggeladenem Zustand. Beim Revolver: Hahn festhalten, Abzug betätigen, Hahn ein wenig nach vorne führen, Abzug loslassen, Hahn ganz nach vorne führen. Hui, kann in Situationen, die nicht von Ruhe und Zeit geprägt sind, zum Tinnitus führen. Eine Waffe, die sich beim Sichern automatisch entspannt, ist da schon sympathischer (RG 96, M22). Eine Waffe, die ich in gesichertem Zustand entspannen kann, geht auch noch (P22). Eine Waffe, die ich dazu entsichern und dann den Abzug betätigen muss, ist durchaus grenzwertig (906 oder Revolver). Eine Waffe, bei der ich von vorne bis hinten tricksen muss, ist da eindeutig suboptimal (z.B. Zoraki 917)
Fazit: je weniger "getrickst" oder "gebastelt" werden muss, desto besser.
5.) Revolver
ja, passen nur bedingt in die o.a. Punkte. Keine Sicherung neben dem Transfer bar, begrenzte Munitionskapazität, aber bei Störungen einfach mal überlegen. Ist im Zweifel auch eine Glaubensfrage ...
Fazit: Hmm, kann ich nur subjektiv beantworten - Revolver sind nett, aber wenn es darauf ankommt, bleibe ich bei der Pistole.
6.) Größe
Na ja, zwischen der Zoraki 906 und der RG 96 liegen Welten. Die Zoraki würde ich im Zweifel in der kleinen Uhrentasche der Jeans unterbringen, meine deutlich bessere Hälfte würde die RG 96 im Rucksack oder Trolley unterbringen
Fazit: Größe ist relativ ...
Zusammenfassung:
DIE ideale Führwaffe/Waffe für die Selbstverteidigung gibt es nicht. Es gibt eine Reihe von Gründen, die für oder gegen eine bestimmte Waffe sprechen, aber keiner ist so durchschlagend, dass es zum unschlagbaren Argument wird.
Für mich (sehr subjektiv, zugegeben) sind aus dem Bereich der SSW die RG 96 und die P22(Q) die Beispiele für sicher und einfach zu handhabende Waffen. Die RG 96 ist sicher keine Pistole für das verdeckte Führen bei zart gebauten Personen, die P22 ist da deutlich kompakter.
Aber vielleicht lässt sich dieser Thread ja dahingehend ausbauen, weitere Kriterien zu sammeln und zu bewerten, um den Bauplan der idealen Waffe zu erstellen ...