Steinschloßpistole mit Kurbel ?

Es gibt 16 Antworten in diesem Thema, welches 2.797 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (12. Januar 2014 um 18:02) ist von Zündnadel.

  • Beim Programm umschalten sah ich zufälligerweise in dem Film "Die vier Musketiere" wie eines dieser Tiere gerade in der linken Hand eine Steinschloßpistole hielt und mit der rechten Hand fünf oder sechs Mal an einer Kurbel drehte, deren Achse sich auf der rechten Seite in Höhe des Schlosses befand.

    Meine Frage: Ein Filmgag, oder ein realer Hintergrund? Eine Kombination zwischen Vorderlader und früher Luftpistole?

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  • Ah, danke für die Hinweise !
    Tatsächlich, kann nur ein Radschloß gewesen sein. Mit der Funktion des Radschlosses hatte ich mich noch nicht befaßt. Sorry.

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  • Geile Sache! Schaue mal im Netz nach Infos dazu. In Caliber war mal ein interessantes Artikel dazu.

    Wenn man überlegt, das war damals die komplizierteste Technik und war nur den reichen vorbehalten. Komplex wie ein Uhrwerk!

  • Wenn man überlegt, das war damals die komplizierteste Technik und war nur den reichen vorbehalten. Komplex wie ein Uhrwerk!

    Angesichts diverser herumliegender Auktionskataloge eine dumme Frage. Da habe ich einiges zu lesen und recherchieren....

    Apropo Uhrwerk: Als Uhrenbegeisterter kenne ich die sogenannten Feuerwecker, die tatsächlich mit einem Steinschloß funktionierten und heute zum seltensten und teuerstem auf dem Sammlermarkt zählen.



    Copyright Nachf. Jürgen Abeler


  • Wenn man überlegt, das war damals die komplizierteste Technik und war nur den reichen vorbehalten. Komplex wie ein Uhrwerk!


    In der Tat wurden früher diese Radschlosspsitolen von Uhrmachern gefertigt. Für die damalige Zeit war das Radschloss eine komplizierte und teure Sache. Übrigens auch ein Grund warum Radschlosspistolen beim Militär keine Verbreitung gefunden hat. Man hielt dieses Schloss für dem einfachen Soldaten für zu kompliziert.

  • Wie sinusvi schrieb, ein wirklich interessantes Thema.
    Jetzt, nach mehreren Stunden der Recherche, bei dem die Hinweise gerade auf beteiligte Uhrmacher für mich wichtig waren, bin ich dazu noch zu keinem Ergebnis gekommen.
    Beschreibungen der Waffen in Auktionen oder Sammlungen brachten aufgrund der Schloßsignaturen bis dato nur belegbare Namen in Richtung Waffenschmied/Büchsenmacher.
    Auch in meiner Uhrenliteratur konnte ich für den Zeitraum 1500 - 1800 keinen Uhrmacher finden von dem bekannt wäre das er sich am Radschloßbau beteiligt hätte, oder selber Radschlösser hergestellt hätte.
    Aufgrund der Kompliziertheit der Radschlösser liegt zwar die Vermutung nahe das auch Uhrmacher an ihrer Herstellung beteiligt gewesen sein könnten....

    Aber ich recherchiere da weiter, wäre aber dankbar über belegbare Informationen in Richtung Uhrmacher.

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  • .... und mit der rechten Hand fünf oder sechs Mal an einer Kurbel drehte, deren Achse sich auf der rechten Seite in Höhe des Schlosses befand....

    Mittlerweile hat unsereiner gelernt das diese "Kurbel" Radschlüssel heißt.

    Allgemein wird beschrieben das dieses Aufziehen oder Spannen des Reibrades nach einer halben oder dreiviertel Umdrehung abgeschlossen war.
    Nun hat der Musketier im Film ca. sechs Umdrehungen gebraucht. Um dieses Aufziehen im Film deutlicher erscheinen zu lassen?

    Auf der anderen Seite, wenn die Reibung einer halben Umdrehung ausreicht um das Zündkraut oder Pulver sicher zu zünden, hätte man bei sechs Umdrehungen beim Aufziehen zwölf Zündungen gespeichert, wenn es eine durchaus denkbare Mechanik gegeben hätte die nach dem Auslösen das Reibrad nach einer halben Umdrehung stoppt, und beim nächsten Auslösen wieder eine halbe Umdrehung, und so weiter.

    Frage also an die Fachleute: Gab es sowas?

    Übrigens, die Recherche zum Nachweis der Uhrmacher als Radschloßbauer blieb bisher weiter negativ.

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  • Hallo Zünd...
    Laut "Waffen Enzyklopädie" (Motorbuch Verlag) wurde das erste Radschloß um 1500
    von Leonardo da Vinci gezeichnet, 1610 = Erfindung des Steinschloßes, 1807 = Dr. Forsyth
    erhält das Patent für seine Perkussionszündung.

    Wenn du so etwas bauen möchtest, ich habe einen Bauplan... ^^
    ein ehem. Arbeitskollege hat sich eine Radschloßbüchse gebaut, der konnte mehr als Brot essen.... :thumbsup:

    Edit: Gab es eigentlich den Beruf "Uhrmacher"... :?: ..ich meine, er wurde von den Schlossern/Schmieden
    mit abgedeckt, denn die ersten Uhren waren doch noch sehr groß... :S

    Gruß Wolf...

    Einmal editiert, zuletzt von EL LOBO (4. Januar 2014 um 18:54)

  • Hallo El Lobo,

    Danke für das nette Angebot, aber ich hatte den Eigenbau ja weiter oben schon verneint. Es fehlt mir aus geschäftl. Gründen einfach die Zeit, die ich aber benötige um auch mehr als nur Brot essen zu können, grins.

    Aber Spaß beiseite. Ich denke das ich mittlerweile alle Hinweise zum Radschloß im Internet durch habe, und auch gesehen das etliche Artikel teilweise fehlerhafte Beschreibungen abliefern. Und einiges scheint auch reine Mutmaßung zu sein, die immer wieder abgeschrieben wird....
    Da ich mich nebenbei mit Geschichts - und Heimatforschung befasse bin ich gewohnt nur nachweisbare Daten und Fakten zu verwenden.
    Bei dem öfter auftauchenden Uhrmacher als Radschloßbauer heißt das für mich, das es solange für mich Spekulation bleibt, bis es gelingt das an einem Namen nachweislich fest zu machen.
    Ich denke ich muß bezüglich des Radschlosses nach sicher vorhandener Expertenliteratur suchen.

    Gruß
    Rolf

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  • ....Edit: Gab es eigentlich den Beruf "Uhrmacher"... :?: ..ich meine, er wurde von den Schlossern/Schmieden
    mit abgedeckt, denn die ersten Uhren waren doch noch sehr groß... :S

    Der Übergang vom Schlosser/Schmied zum Uhrmacher ist zeitlich fließend, und auch nachdem sich ca. Mitte des 16. Jahrhunderts der entstandene Berufszweig Uhrmacher in Zünften organisierte, behielten Schmiede weiter das Recht ihre Eisenuhren zu bauen.
    Die Bezeichnung Uhrmacher gab es also zur Radschloßzeit schon, wenn auch nicht zu den Anfängen um 1500.

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  • Angeblich wurde das Radschloss 1507 vom Nürnberger Uhrmacher Johann Kiefus (oder ggf. Kuhfuss) erfunden. Ob es stimmt keine Ahnung ergab nur eine Kurze inet Recherche.
    Quelle: Europas Sprung in die Neuzeit 1492-1648.
    Eine andere Quelle spricht von 1517 durch den gleichen Uhrmacher (Technik im Überblick: Die bedeutesten Daten, Fakten,Ereignisse und Personen).

    LG

    :thumbsup:

  • Ja, über den Kuhfuss bin ich natürlich auch gestolpert, allerdings ohne genauere Quellenangaben.
    Zumindest als Erfinder scheint er nicht mehr angesagt zu sein.
    Und aus dem Hinweis das er das Schloß technisch verbessert habe, läßt sich nicht ableiten das Uhrmacher generell in einer größeren Anzahl am Radschloßbau beteiligt waren.
    Es müßten sich auf noch vorhandene Waffen anhand von Signaturen nachweisen lassen.
    Wenn auch Wikipedia nicht unbedingt der Quell alles Richtigen ist, findet man da den Hinweis:

    Doch Radschlossgewehre kamen bereits 1501 zum Einsatz. Der
    Nürnberger Patrizier Martin Löffelholz fertigte 1505 die Zeichnung eines
    Radschlosses an.
    Neueste Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass erste
    Radschlosspistolen bereits früher in Goslar und Braunschweig gebaut
    wurden. So finden sich in den Archiven der Städte Rechnungen von
    Büchsenmachern und Schlossermeistern für „Feuerschlosse“ und
    „Reibschlosse“ aus dem Jahre 1447.

    Man wird da sicher weiterrecherchieren müssen.

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  • Meine Recherchen sind erst einmal abgeschlossen.

    Für ein Spannen des Radschlosses durch mehrfache Umdrehungen des Radschlüssels, wie in dem benannten Film gezeigt, gibt es keine nachweisbaren technischen Hintergründe.
    Alle heute noch vorhandenen Radschloßwaffen in Museen oder Sammlungen weisen die gleichen technischen Merkmale auf.
    Eine starke Radfeder, oft mit 20 bis 30 kp Spannkraft.
    Eine Kette mit max. 3 Gliedern, die sich beim Spannen um die Radwelle legt.
    Diese Kette läßt nur eine Umdrehung der Radwelle von maximal einer 3/4 Umdrehung zu.
    Neben den normalen einläufigen gab es Radschlosswaffen mit Wendemechanismen und bis zu vier Radschlössern an vier getrennten Läufen, die um eine Achse drehbar (wendbar) waren, also mehrschüssig.

    Zur Geschichte der Entwicklung des Radschlosses und deren Hersteller ergab sich folgendes:

    Die älteste bekannte Zeichnung eines Radschlosses die sich dann später auch in der Umsetzung für Waffen nachweislich wiederfindet, im Gegensatz zu der Zeichnung von da Vinci, stammt aus dem Löffelholz - Manuskript.
    Das sogenannte Löffelholz - Manuskript war ein Skizzenbuch der Nürnberger Patrizierfamilie Löffelholz, auf dem Umschlag datiert 1505, und enthielt ähnlich den Leonardoschen Skizzenbüchern interessante technische Zeichnungen, u.a. auch von Waffen sowie z.B. eine frühe Radschloß-/Feuerzeug-Mechanik und einen Apparat zum automatischen Längsschlitzen der Schäfte von Armbrustbolzen, um die Flugfedern einsetzen zu können ( siehe Bilder ). Obwohl verschiedene Wissenschaftsbereiche immer wieder eine Faksimilierung oder zumindest eine fotomechanische Gesamtwiedergabe dieser einzigartigen Bildquellensammlung anmahnten, wurden nur auf Anfrage einige wenige Abbildungen veröffentlicht. Seit dem Zweiten Weltkrieg gilt es als Kriegsverlust ...

    Die ersten Mechaniken in Richtung Radschloß wurden von Nürnberger Mechanikerwerkstätten gefertigt, dann aber schnell von Büchsenmachern adaptiert.

    Die Legendenbildung über den Uhrmacher Kiefuss scheint ein alter Hut zu sein. Sie entstand schon zu Zeiten, als die Fotos der verschollenen Löffelholz - Manuskripte noch nicht wieder aufgetaucht waren. Von Kiefuss gibt es weder Abbildungen, Zeichnungen, geschweige denn ein überliefertes Bauteil. Nicht auszuschließen, dass er solche Gerätschaften gebaut hat, aber er war sicher nicht der einzige und nicht der erste.
    Diese Legendenbildung hat dann wohl im nachhinein zu einer weiteren geführt, nämlich das es vorwiegend Uhrmacher gewesen seien die Radschlösser hergestellt hätten. Allerdings ist eine Fertigung von Radschlössern für Feuerwaffen (ab. ca. 1520) durch Uhrmacher nirgends belegt, auch nicht wahrscheinlich.

    Ein weiterer Schwerpunkt der Recherche beschäftigte sich mit der Behauptung in Wikipedia das Radschloßwaffen schon um 1500 oder gar in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts exestiert hätten.
    Die da angegebene Begrifflichkeit der "Reib- oder Feuerschlösser" als Bezeichnung für Radschlösser entstand erst im sechzehnten Jahrhundert. Da hat man sich wohl um ganze 100 Jahre vergriffen. Wäre da was dran, hätten die Radschlossexperten solche Behauptungen in wilden Streitschriften längst widerlegt. So aber war das Ganze wohl so irreal, dass man diese These nicht einmal in der Fachliteratur einer Erwähnung wert fand. Bei Wikipedia allerdings bringt man solche Thesen bekanntermaßen leicht unter.

    Es gab z.B. eine wissenschaftliche Auseinandersetzung zwischen den Herren Claude Blair und Winfried Tittmann, zwei ausgewiesenen Experten ( aus: Das Radschloss aus Friaul, Zeitschrift für Waffen- und Kostümkunde 1999, Heft 1). Da ging es um die erste Erwähnung von mit Radschlosswaffen ausgerüsteten Reitern (Friauler Lichtschützen). Aber nicht um die Zeit Mitte des 15. Jahrhunderts, sondern um das Jahr 1510! Auch hier ließ sich kein Nachweis führen, außer der vagen Interpretation von Quellen. Es gibt weder Abbildungen noch erhaltene Originalwaffen. Die Umrüstung der berittenen Schützen auf brauchbare Handfeuerwaffen (ich meine damit nicht Handbüchsen oder /Scopiti Schioppos mit Luntenzündung, wie sie seit Mitte des 15. jahrhunderts von ritterlichen Schützen überliefert sind) sind aus dem Jahr 1498 (Maximilian I) und 1510 (Da Porto, Venedig) überliefert. Hier könnten durchaus schon Radschlösser im Spiel gewesen sein. Erwähnt sind sie allerdings erst bei den zivilen Verboten von Radschlosswaffen (Maximilian 1518 und 1532 Venedig).

    Auch eine Recherche in überlieferten Abbildungen auf Gemälden, Stichen oder Holzschnitten brachte keinen Nachweis von Radschloßwaffen im fünfzehnten Jahrhundert, sondern zeigten durchweg die für diese Zeit gängigen Luntenwaffen, die teilweise mit einfachen Serpentinellschlössern ausgerüstet waren, zum großen Teil aber mit handangeführter Lunte (http://homepages.ihug.com.au/~dispater/handgonnes.htm ,hier Abb. 25 bis 31 ca. 1460/70).
    Die Läufe dieser Waffen wurden übrigens teilweise von Rotgießern aus Messing hergestellt.


    Die älteste bei der Recherche gefundene, heute erhaltene Radschlosswaffe, eine Arkebuse, datiert von 1530. Sie wurde von dem Augsburger Büchsenmacher Bartolome Marquart für Kaiser Karl den V gebaut (Real Armeria, Madrid).
    Vierzehen ähnliche Radschlossarkebusen wurden ab 1540 von dem Münchner Büchsenmacher Peter Pech gebaut und an das Spanische Königshaus geliefert. Solche Waffen waren selbst zu dieser Zeit noch so wertvoll, dass sie nur an sehr hochstehende Kundschaft geliefert wurde. Auch sie sind in der Real Armeria zu sehen.

    Einige Bilder:


    Die Zeichnung des Radschloß - Feuerzeuges von 1505 aus dem Löffelholz - Manuskript


    Ein Ausschnitt aus dem Dürer Holzschnitt von 1515 "Die Ehrenpforte des Kaisers Maximillian" mit Luntenarkebusen


    Stich "Zeughaus Innsbruck" von 1507 mit den "Messing Handbuchsen"


    "Der Rotschmied" 1525, aus den Hausbüchern der Nürnberger Zwölfbrüderstiftung.
    Neben der Glocke liegen zwei Büchsenläufe.


    Die Radschloßarkebuse von Bartolome Marquart aus dem Jahre 1530


    Sollte durch einen Zufallsfund eine Radschloßwaffe aus dem 15. Jahrhundert tatsächlich mal gefunden werden wäre das eine Sensation.
    Alle bisherigen bekannten Tatsachen sprechen allerdings dagegen.