Physik: Auswirkung der Lauflänge auf die Energie der Kugel

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 4.454 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (17. September 2011 um 20:40) ist von Floppyk.

  • Hallo zusammen,

    ich habe mich grade gefragt welchen Einfluss die Lauflänge einer Waffe auf die E0 der Kugel (oder was auch immer man verschießt) hat. Auf die Frage bin ich grade gekommen, als ich mir Vorderladerpistolen angesehen habe. Teilweise haben die Derringers ja Läuflängen von 5cm. Ich habe zwei Theorien dazu und wüsste gerne eure Meinung.

    1. Lauflänge hat keinen Einfluss auf die Energie der Kugel: Das Treibmittel hat eine spezifische Geschwindigkeit mit der es die Kugel beschleunigt und die Ausbreitungsgeschwindigkeit wird so schnell erreicht, dass auch ein paar cm Lauflänge reichen um die Kugel auf Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen. Häufig wird ja gesagt, die Waffe selbst hat keinen Einfluss auf die Energie, sondern nur das Kaliber (bei "scharfen Waffen" natürlich nur).

    2. Lauflänge hat Einfluss auf die Energie der Kugel: Das Treibmittel würde sich gerne mit seiner spezifischen Ausbreitungsgeschwindigkeit ausbreiten. Nun treffen die Gase aber auf die Kugel, die erstmal keine Energie hat und die Gase müssen erstmal die Kugel beschleunigen und werden dabei abgebremst. Mehr oder weniger schnell wird die Kugel auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Treibmittels beschleunigt und die Kugel nimmt keine weitere Energie mehr auf. Wenn der Lauf nun sehr kurz ist, hat die Kugel noch keine Höchstgeschwindigkeit, wenn sie das Laufende erreicht.

    Ich persönlich vermute 2 ist richtig, wobei bei starken Treibladungen die Strecke, die benötigt wird, um die Kugel auf Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen vermutlich sehr sehr klein ist und somit de facto die Lauflänge in diesem Fall keine Rolle spielt. Bei den Derringers (insbesondere falls nur mit Zündhütchen und ohne Schwarzpulver geschossen) könnte ich mir aber gut vorstellen, dass der Einfluss recht groß ist. Für Luftpistolen könnte das gleiche gelten wobei hierbei die Geschossmasse schon extrem niedrig ist.

    Wie seht ihr das?

  • Aaaaaso:
    Selbstverständlich hat die Lauflänge einen erheblichen Einfluss auf die maximal erreichbare Geschossenergien. Das hat hauptsächlich drei Gründe.
    1. Der Gasdruck kann länger auf das Geschoss einwirken und kann somit die Bechleunigungsphase verlängern.
    2. Das verwendete Treibmittel kann angepasst werden. Da man die Pulvermenge nicht beliebig erhöhen kann, verwendet man einen anderen "Trick". Da man die gesamte Lauflänge zur Beschleunigung nutzen kann, verwendet man langsame, sogenannte progressive Pulversorten. Man sollte nicht denken, dass das Pulver ausschließlich in der Hülse verbrennt. Wenn man die Abbrandzeit auf die gesamte Lauflänge nutzen will, setzt man langsame Pulver ein, aber in erheblich größten Mengen. Da das Pulver eben nicht in dieser stark vergrößerten Menge quasi auf einen Schlag abbrennt, entstehen auch keine Gasdruckspitzen.
    3. In gewissen Grenzen kann man die Geschossenergie auch über die Geschossmasse beeinflüssen. Damit ist nicht die rechnerische Grundlage von Geschossmasse und - Geschwindigkeit gemeint, sondern die Tatsache, dass man unter der Berücksichtigung des höchst zulässigen Gasdruckes verschiedene Massen sich unterschiedlich schnell beschleunigen lassen. Massenträgheit ist da das Stichwort. So kann man eine geringere Masse schneller anschieben, als eine Große. Folglich kann man dort mehr Treibmittel einsetzen. Ähnliches gilt für das Geschossmaterial und dessen Einpresswiderstände in das Laufprofil.
    All das hat keinen direkten Einfluss auf die Geschossenergie, lasen aber die Verwendung von mehr Treibmittel zu, die sich wiederum in höherer Geschossgeschwindigkeit äußern, die dann wieder in höherer Geschossenergie resultieren.

    Bei Druckluftwaffen gilt natürlich nur der erste Punkt. Da kann man die Geschossenergie nur über die Feder bzw. Ventilparameter beeinflussen.

  • Der Link auf Wikipedia ist gut, allerdings muss man auch bedenken, dass das Geschoss eine gewisse Reibung mit dem Lauf hat. D.h. je länger der Lauf, desto mehr Energie geht auch durch Reibung verloren. Gerade bei Kugeln, die vielleicht einen kleinen Tick zu groß sind, könnte sich ein langer Lauf auch negativ auf die Geschwindigkeit auswirken, oder?

  • Was mich noch interessieren würde wie sehr die Reibung zwischen Geschoss - Lauf mitspielt.
    Denn je länger der Lauf umso mehr Reibung gibt es ja auch.
    Sprich, irgendwann kann man den Lauf noch so lange verlängern, es nützt einfach nichts mehr, im Gegenteil.

    Ich denke v.a bei Luftdruckwaffen ist dieser Punkt relativ schnell erreicht (zumindes schneller), da das Geschoss
    ja recht viel Oberfläche bei wenig Eigenmasse hat. Somit wird es auch recht schnell wider durch die Reibung abgebremst.

    Ab wann das aber der Fall ist, ist sicher nicht so einfach zu bestimmen, resp nur mit einger technischen Ausrüstung.

    The Bird of Hermes Is My Name,
    Eating My Wings To Make Me Tame

  • Die Reibungswiderstände sind nicht so groß wie angenommen. Der Einpresswiderstand ist ein erheblich wichtigerer Faktor. Daher sind Geschossdiameter und das verwendete Geschossmaterial eine zu berücksichtigende Größe. Irgendein Parameter für Laufwiderstände gibt es da nicht.
    Aber in der theoretischen Betrachtung endet natürlich das Ganze, wenn die Reibungsverluste der Beschleunigung überwiegen. Aber so langsam wird das Geschoss nicht, wo das eine Rolle spielen könnte.
    Ach ja, der Reibungswiderstand ist eine Konstante. Er wächst nicht mit der Lauflänge.

  • Der Reibungswiderstand ist zwar eine Konstante, aber die Energie die durch Reibung verloren geht wird meiner Meinung nach bestimmt durch Multiplikation mit dem Weg über dem die Reibung verläuft.

    Bei scharfen Waffen spielt die Reibung sicher keine große Rolle, aber bei Luftdurckwaffen oder eben Vorderladern, die nur mit Zündhütchen geschossen werden eher schon denke ich. Wenn von 6000 Joule 5 verloren gehen ist das kein Beinbruch, aber wenn von 7,5Joule ein paar verloren gehen natürlich schon.

  • Jup, das habe ich etwas komisch ausgedrückt, sorry.
    Klar nimmt der Reibungswiderstand mit mehr Lauflänge nicht zu, aber ab irgendwann wächst die Geschossbeschleunigung nicht mehr
    und ab dann beginn jeder weitere cm Lauf das Geschoss nur noch zu verlangsamen.

    Klar, wird das eher recht spät sein.

    Was ist denn der "Einpresswiderstand"?

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  • Der Einpresswiderstand ist die Kraft die benötigt wird um ein Geschoss in das Laufprofil zu zwingen. Das geschieht im Laufkonus, wo sich der Übergang vom noch glatten Patronenlager zum eigentlichen Lauf mit seinem Feldern und Zügen befindet. Dazu wird ja das Geschoss verformt. Logischerweise geht das mit Mantelgeschossen oder Geschossen aus härteren Materialen als Blei schwerer.