Prüfkriterien für Kartuschenmunition

Es gibt 43 Antworten in diesem Thema, welches 6.670 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (6. Januar 2018 um 21:20) ist von Schrotty.

  • Hallo!

    Durch einen Beitrag in einem Thread im Saltuwaffenabschnitt bewegt mich gerade die Frage, wie die Prüfkriterien für die Kartuschenmunition bezüglich des Drucks aussehen. Weiß das jemand oder kennt eine öffentlich zugängliche Quelle wo man das nachlesen könnte?

    Hintergrund ist der, dass Kartuschenmunition ja auf einen maximal zulassigen Druck geprüft und zugelassen wird. Da kein Projektil das ganze verschließt kann sich doch eigentlich nur Druck aufbauen wenn das Pulver beim verbrennen schneller mehr Gas entwickelt als durch irgendwelche Öffnungen entweicht. Das Pulver in den Kartuschen muss also wohl sehr offensiv sein (das ist ja nach langläufiger Meinung hier im Forum so) und die Öffnungen in der Waffe (in der Regel der Lauf) dürfen nicht allzugroß sein. Daher ist der Lauf bei unseren SSW so verbaut und es gibt ja scheinbar auch noch SSW bei denen mit Madenschrauben etc. die Öffnung nochmals verkleinert werden kann.

    Für die Zulassung müsste es aber doch genormte Kriterien geben bei denen dann die max 450 Bar auftreten?! Ist das so oder bin ich da vielleicht auch auf einem ganz falschen Pferd? ?(

  • Interessante Frage. Du fragst nach den Prüfbedingungen von Kartuschenmunition.
    Es ist aber weniger die Laufsperre, die für einen maximalen ersten Druckaufbau verantwortlich ist, sondern der Verschluss der Kartusche.

  • Ja, wird bestimmt so sein, dass auch die Plastikkappe für den Druckaufbau mitverantwortlich ist.
    Max. 450 Bar dürfte die aber doch kaum aushalten, so dass der max. Prüfdruck doch eher durch andere Maßnahmen zustande kommen muss?!

    Und um den Druckanstieg in der Kartusche selbst, d.h. vor platzen der Plastikkappe, zu messen, müssten die Sensoren ja in die Kartusche rein. Das stelle ich mir für ein Prüfverfahren zu anwändig vor.

    Ich könnte mir eher vorstellen, dass der Druck im Patronenlager gemessen wird. So wird das wohl auch bei scharfer Munition gemacht. Und da dürfte sich der Druck ja dann erst aufbauen wenn die Plastikkappe der Kartusche "durch" ist?!

  • Die Prüfläufe haben eine verengte Bohrung.
    Aus dem Gedächnis waren das 4mm.
    Der Druck wird vor dieser Bohrung gemessen.

    Weise einen intelligenten Menschen auf einen Fehler hin und er wird sich bedanken.
    Zeige einem dummen Menschen einen Fehler und er wird dich beleidigen.

  • Es gibt zwei Messverfahren. Früher hat man Kupferstauchzyliner benutzt. Heute macht man man Piezomessverfahren, was genauer ist. Den genauen Ablauf (für scharfe Munition) war mal irgendwo beschrieben. Ich meine, dazu benutzt man standardisierte Messläufe mit Piezodruckmesseinrichtung. Die Hülsen werden dafür angebohrt.

    Hier ist der prinzipielle Messaufbau beschrieben:
    https://www.ptb.de/cms/ptb/fachab…cb648fcdd10153a

    Einmal editiert, zuletzt von Floppyk (20. Dezember 2017 um 11:20)

  • Weiß das jemand oder kennt eine öffentlich zugängliche Quelle wo man das nachlesen könnte?


    Im "Waffenrecht" (Buch - Beck'sche Kurz-Kommentare) von Steindorf/Heinrich/Papsthart
    findest du alles mit genauen Zeichnungen und Maßen. 8)

  • ...ich hole dieses Thema noch mal nach vorne:

    Im Nachbarthema zur M22 hat ein User aus einer Korrespondez mit der Fa. RUAG zur Geco Munition zitiert. Demnach gab es bei Geco Munition wohl mal Probleme nicht mit zu hohem Gasdruck sondern mit der "Art der Energieabgabe". Diese Charge Munition könnte die ein oder andere SSW auf dem Gewissen haben wenn man hier entsprechende Postings dazu liest. Auch meine M22 könnte davon betroffen gewesen sein, deshalb meine Überlegungen zu dem Thema.

    Weiter oben hat HWJunkie einen Link zu den Kriterien der Prüfausrüstung für Knallmunition gepostet. Da ist auch ein Lauf zur Energiemessung beschrieben. Dem hatte ich bisher keine große Bedeutung beigemessen, da bei der Knallmunition kein Projektil verschossen wird, das die Energie aufnimmt.

    Erst Frage also: Wie wird die Energie gemessen? Gasvolumen? Wobei dafür in der Beschreibung des Textlaufes die Messeinrichtung fehlen würde. Oder wird die Energie quasi aus dem Druckverlauf errechnet?

    Zweite Frage wäre, wie die Energie einer Knallkartusche, in dem Fall der Geco, eine SSW zerstören kann. Der Maximaldruck ist es demnach ja nicht gewesen.

    Die "Art" der Energie bei einer Knallkartusche stelle ich mit als Gasvolumen vor?! Das heißt davon musste es bei der Geco-Munition zu viel gegeben haben? Wenn das dann nicht zu einer Überschreitung des maximalen Drucks geführt hat müsste die Energieabgabe langsam gewesen sein? Das heißt, das Pulver in der betroffenen Charge war nicht offensiv genug? Dadurch wurde der Schlitten der SSW zu lange und damit zuviel beschleunigt, was dann logischerweise zu verstärkter Abnutzung oder sogar zu Defekten führt?

    Oder gibt es eine andere Erklärung?

  • Oder gibt es eine andere Erklärung?

    Die Abbrandgeschwindigkeit des Pulvers und damit die Geschwindigkeit des Druckaufbaus.

    Generell kann man sagen: Gewehrmunition nutzt recht langsam abbrennendes Pulver, Pistolenmunition schneller abbrennendes Pulver. Gewehrpatrone z.B. mit Pistolenpulver gefüllt mag das Gewehr dann nicht mehr.

    Vergleichen kannst Du es (ganz banal dargestellt) mit einer frisch geschüttelten Cola-Flasche: machst Du die langsam auf, passiert nicht viel, machst Du die schnell auf, brauchst Du Wischzeug.

    RG 59, RG 96, PPQ M2, P22, R1, 917, 906, M22 u.v.a.

  • Generell kann man sagen: Gewehrmunition nutzt recht langsam abbrennendes Pulver, Pistolenmunition schneller abbrennendes Pulver. Gewehrpatrone z.B. mit Pistolenpulver gefüllt mag das Gewehr dann nicht mehr.

    Da muss ich unbedingt noch meinen Senf dran geben:
    Prinzipiell ist die Aussage richtig, aber der genannte Vergleich hinkt. Man muss zweierlei wissen.
    1. Grundsätzlich kann ein Geschoss nur solange beschleunigt werden, wie es sich im Lauf befindet. Nur dann hat der anstehende Gasdruck auch einen Einfluss auf das Geschoss.
    2. In einer Langwaffe hat das Treibmittel auch mehr Zeit zum Abbrand, als in dem kurzen Lauf einer Kurzwaffe. Daher nimmt man in der Regel ein schnelles Treibmittel in einer Kurzwaffe und ein langsames bei einer Langwaffe. Alles Treibmittel was noch nach dem Verlassen des Geschosses aus dem Lauf übrig ist, verbrennt mit einem überflüssigen Mündungsfeuer, der zur Leistung des Geschosses aber nicht mehr beitragen kann.
    Das hat aber auch Konsequenzen. Da der Abbrand in einer Langwaffe langsamer abläuft, kann man auch mehr Pulver einsetzen, was für mehr Leistung sorgt. Kurzwaffenpulver muss schneller verbrennen. Würde man aber schnelles Kurzwaffenpulver mit der Menge für Langwaffen in einer Langwaffe verwenden, sprengt es die Waffe - zuverlässig. Denn der Druckaufbau erfolgt wesentlich schneller. Da aber nun mehr Pulver zur Umsetzung bereit steht, ist der Druckaufbau deutlich heftiger, was für enorme Druckspitzen sorgen würde.
    Die Verwendung des richtigen Pulvers ist (für den Wiederlader) quasi (über)lebenswichtig.
    Hier ein Link zu einer Tabelle "Burning Rate", der den relativen Unterschied der Pulversorten in der Abbrandgeschwindigkeit zeigt (PDF):
    http://www.lapua.com/upload/reloadi…techart2011.pdf

  • Erst Frage also: Wie wird die Energie gemessen? Gasvolumen? Wobei dafür in der Beschreibung des Textlaufes die Messeinrichtung fehlen würde. Oder wird die Energie quasi aus dem Druckverlauf errechnet?

    Da wird nichts errechnet. Das wird mit einem Prüflauf mit Piezomessaufnehmer gemessen. Das wurde schon in Beiträgen zuvor beschrieben.
    Es ist zwar richtig, dass bei Platzpatronen das Geschoss fehlt, aber dennoch wird ein Druck erzeugt, der von der Luftströmung des Gases bei Beschleunigung selbst erzeugt wird. Puste mal in deiner Hand, dann merkst das. Es dürfte auch einleuchtend sein, dass es einen erheblichen Unterschied macht, wenn man eine schlagartig erzeugte Gasmenge durch einen weiten oder engen Lauf presst. Das das Volumen der Rohre anders ist, sind auch die kurzzeitigen Druckspitzen andere.

  • Der Druck wird gemessen.
    Die Frage war aber "wie wird die Energie gemessen?".

    Weise einen intelligenten Menschen auf einen Fehler hin und er wird sich bedanken.
    Zeige einem dummen Menschen einen Fehler und er wird dich beleidigen.

  • Die Frage war aber "wie wird die Energie gemessen?".

    Energie ist bei einer SSW nicht prüfungsrelevant und wird daher auch nicht erfasst.


    Bei einer SSW, welche ja eine Strömungsbremse im Lauf hat, die im Gegensatz zu einem Geschoss den Druck aber je nach ihrem Aufbau sehr variabel bremsen kann ist es nicht unwahrscheinlich, dass Munition, die im Messlauf völlig unauffällige und zulässige Werte bringt, je nach Gasgeschwindigkeit starke Verwirbelungen in der Sperre und durch den daraus resultierenden Gegendruck starke Druckspitzen erzeugt.
    Diese mögen den Lauf nicht und den Schlitten nicht direkt beschädigen, sie sorgen aber für eine stärkere Beschleunigung des Schlittens, seine höhere Endgeschwindigkeit bedeutet dann aber auch ein härteres Anschlagen, dies belastet das Material stärker als das Design es auf Dauer zulässt.

    Schlitten reißen praktisch nie, weil sie beschleunigt werden, sondern nur, weil sie gebremst werden.
    Im Vergleich zur Bremsung ist die Beschleuinigung relativ sanft (Ausnahmen wären Waffen mit Anschlagpuffer oder kurzer, harter Bremsfeder.


    Stefan

  • Bei technischer Kartuschenmunition wird die Energie gemessen.
    Weis jemand wie?

    Weise einen intelligenten Menschen auf einen Fehler hin und er wird sich bedanken.
    Zeige einem dummen Menschen einen Fehler und er wird dich beleidigen.

  • Die Energiemessung ist genau meine Frage.

    Wenn die Aussage in dem Nachbarthema, die von RUAG zu den Fehlchargen der Geco Munition gemacht wurde stimmt, wovon ich ausgehe, gab es bei der Munition nie ein Problem mit dem maximalen Druck, also auch keinen Druckspitzen oder ähnliches.
    Und das Druck über das vorgesehen Maß hinaus Waffen sprengen kann, beispielsweise weil jemand zu ein zu offensives Pulver in einer zu hohen Menge verwendet, ist mit auch klar. So wie ich gelesen habe, kann auch zu wenig Pulver wegen zu geringer Fülldichte und eines daduch hervorgerufen unkontrollierten Abbrandes zu Druckspitzen kommen, die Waffen zerstören können.
    Aber das kann in dem Falle der Geco-Munition ja alles nicht der Fall gewesen sein.

    Tatsächlich ist in der oben verlinken Darstellung ein Prüflauf für die "Energie"-Messung einer Knallkartusche vorgesehen. Eigentlich das gleiche wie der Prüflauf für die Druckmessung, nur 20cm länger. Das es dafür keinen normierten Grenzswert gibt tut dabei nichts zur Sache.
    Wie bei scharfer Munition ein Geschoss messen geht nicht. Als Größe hätte man bei der Knallkartusche doch nur den gemessenen Gasdruck mit einem zeitlichen Verlauf und das Volumen des definierten Prüflaufes?!
    Ergo kann man doch die Energie nur aus diesen beiden Größen errechnen?

    Und dann bliebe eben die Frage, wie eine zu hohe Energie bei Einhaltung des maximalen Drucks (also keine Druckspitzen etc.) trotzdem eine SSW zerstören kann.

    Dafür habe ich bisher nur die oben beschriebene Erklärung. Quasi ein langsameres Pulver in einer höheren Menge, dass zwar keine unzulässig hohen Druck erzeugt, den Druck aber zu lange aufrecht erhält.

  • Keine falsche Überlegung!

    Wie oben geschrieben ist es sehr wahrscheinlich, dass eine Sperre, aufgrund ihrer von Waffe zu Waffe verschiedenen Formgebung, den Gasdruckverlauf von Munition zu Munition in gewissen Kombinationen beider Faktoren ungünstig beeinflusst und dadurch zu einer höheren Schlittengeschwindigkeit führt (mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen).

    Der Druck einer Munition im Messlauf ist ok, aber in dem völlig anders aufgebauten Gaslauf einer SSW wird aufgrund dessen Aufbaus ein anderer Gasdruck oder auch nur ein anderer Gasdruckverlauf erreicht.
    Es macht ja schon einen gewaltigen Unterschied, ob die 450bar (gesetzt den Fall, im Gaslauf entsteht kein höherer Druck) für nur 1ms oder für 3ms gehalten werden.
    Oder vielleicht auch nur 300bar, aber für 8ms.
    (Werte sind nur beispielhaft gemeint!)


    Stefan

  • So wie ich gelesen habe, kann auch zu wenig Pulver wegen zu geringer Fülldichte und eines daduch hervorgerufen unkontrollierten Abbrandes zu Druckspitzen kommen, die Waffen zerstören können.

    Vom Pulverinhalt her könnte die Hülse bei 9mm PAK durchaus halb so lang (oder noch kürzer) sein. Die Füllmenge liegt im Bereich von ein paar zehntel Gramm, da ist die Hülse weit davon entfernt, voll zu sein.

    RG 59, RG 96, PPQ M2, P22, R1, 917, 906, M22 u.v.a.

  • Danke schon mal für die Einschätzung.
    Was mich jetzt noch interessieren würde wäre die Messtechnik bzw die Messmethode. Irgendwas wird es ja geben müssen, bei dem am Ende irgendeine Zahl in Joule rauskommt. ?(

    Wenn ansonsten meine oben beschriebene Überlegung stimmt, der Druck das zulässige Maß nicht überschreitet und z.B. bei den Gecos nur die Energieabgabe das Problem ist, wäre dem ja eigentlich mit einer etwas stärkeren, vielleicht sogar progressiven Feder in der SSW abzuhelfen. Dann hätte man nur das Problem dass andere Kartuschen vermutlich nicht mehr ordentlich repertieren.

    Gibt es eigentlich irgendwo einsehbare Daten zu der unterschiedlichen Munition was z.B. Druck und Energie angeht? Oder ist das streng gehütetes Geheimnis der Hersteller.
    Mal solche Zahlen zu haben wäre vermutlich deutlich aufschlussreicher als subjektive Einschätzungen wie "....stark geladen...". ;)

    mono:
    Als ich das mit der Fülldichte irgendwo gelesen hatte, bin ich auch hergangen und habe an meinen 9mmPAK Kartuschen geschüttelt. War aber nichts zu hören. Vielleicht ist da neben dem Pulver noch irgendein Fullstoff drin? Jedenfalls scheint das Problem der Druckspitzen bei niedrigen Fülldichten im SSW Bereich nicht relevant. Ich denke zumindest nicht, dass Druckspitzen wegen zu geringer Ladung meine M22 auf dem Gewissen haben. Sonst wären ja auch andere SSW betroffen.
    Aus dem Grund habe ich über die Thematik nicht weiter nachgedacht. :rolleyes: