Herrn Bundesminister des Innern
Dr. Otto Schily
Alt Moabit 101
D-11014 Berlin
Betrifft: Waffengesetz-Entwurf vom 20.6. 01, insbesondere Kommentare und Begleitschreiben
Hier: Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Ministerialrat Jürgen Brenneke, Referat IS 1b
Sehr geehrter Herr Bundesminister des Innern,
unter Berücksichtigung auf das Bundesbeamtengesetz, besonders der Paragraphen 52 bis 56, erlaube ich mir, hiermit in aller Form und Entschiedenheit die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen MR Brenneke einzureichen. Vorauszuschicken ist, dass ich dies nicht in meiner Eigenschaft als Chefredakteur der Waffenzeitschrift VISIER oder als Gründungsmitglied des Forum Waffenrecht, als Sportschütze noch irgendwie als Angehöriger der sonst so gern von Herrn Brenneke als “Waffenlobby“ titulierten Interessenvertretungen tue. Sondern diese Dienstaufsichtsbeschwerde schreibe ich, weil mich das Verhalten und die schriftlichen Äußerungen des Herrn Brenneke ganz persönlich als Jude tangieren, der zufällig auch noch legaler Waffenbesitzer und -träger ist. Ich spreche auch im Namen anderer Gemeindemitglieder in Bochum und Frankfurt, die sich ebenfalls betroffen fühlen. Für den obengenannten Zweck aber dürfte wohl eine Unterschrift reichen. Gegebenenfalls ließe sich noch einiges nachsenden.
Nun zum Tatbestand: Zum wiederholten Mal (zuletzt in den Begründungen zum WaffG-Entwurf vom 20.6. 00, Seite 6) behauptet MR Brenneke auf Seite 7 seiner Anmerkungen zum Novellierungsentwurf vom 20.6.2001, dass das Reichswaffengesetz von 1938 a) ein Großzügigeres gewesen sei, um b) damals die “bedrängten wirtschaftlichen Lage“ des Waffengewerbes zu verbessern. Beides ist eine üble Geschichtsklitterung, wie ich in einem Artikel vom Oktober 2000 über den damaligen Entwurf schon einmal nachwies. Zum einen war die Waffengesetz-Praxis des NS-Regime alles andere als liberal oder großzügig — ganz unabhängig von gewissen, als propagandistisch zu wertenden Äußerungen in jener Zeit. Zum andern herrschte 1938 aufgrund der Vorbereitung des faschistischen Angriffskrieges in der gesamten Waffenbranche Deutschlands absolute Hochkonjunktur: von bedrängter wirtschaftlicher Lage keine Spur.
Trotzdem findet sich nun eine fast gleichlautende, nur geringfügig und unwesentlich redigierte Passage im neuen Entwurfstext vom Juni diesen Jahres. Es entzieht sich meinem Verständnis, warum ein solcher Passus überhaupt Eingang in die Begründungen zum Waffengesetz-Entwurf fand — es sei denn, um als Seitenhieb gegen die böse “Waffenlobby“ zu nutzen, die “wirtschaftspolitische Interessen“ vor “sicherheitspolitische Belange“ stellt. Denn dieser Tenor war in der einen oder anderen Form des öfteren von Herrn Brenneke zu vernehmen und fand sich dann auch in einem Spiegel-Artikel im letzten Jahr wieder — ganz offensichtlich durch eine gezielte Indiskretion aus Ihrem Haus lanciert.
Damals hieß es, die “Waffenlobby“ hätte Sie, Herr Minister, “über den Tisch gezogen.“
Das nationalsozialistische Unrechtsregime nutzte schon das Reichswaffengesetz von 1928 und noch mehr dasjenige vom März 1938 als Instrument der Unterdrückung der Bevölkerung, der Verfestigung ihrer eigenen Machtstrukturen und der Diskriminierung von Minderheiten. Daß viele Passagen daraus teilweise wortwörtlich und völlig unkritisch als tradierte Rechtsnormen ins Bundeswaffengesetz übernommen wurden, stellt an sich schon eine Schande der deutschen Nachkriegsgesetzgebung dar.
Aber nun stellt ein Mitarbeiter Ihres Hauses unkorrigiert die oben beschriebenen Behauptungen auf, in einem offiziellen Schriftsatz, der auch noch an alle anderen vom WaffG betroffenen Ressorts und Mninisterien herausgeht. Er verbreitet damit eine propagandistische Sicht des NS-Regimes, wie man sie sonst nur von Ewiggestrigen an gewissen Stammtischen zu hören bekommt. Dazu ist der Betreffende auch noch Volljurist und mit dem Waffengesetz seit Jahren direk