Der Spannlauf der HW 97k - Ein Problem und ein Lösungsversuch

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 3.164 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (26. August 2012 um 17:30) ist von MarcKA.

  • Liebe FT-Freunde,

    seit 2 Jahren denke ich über die Probleme nach, die fast alle 16J HW 97k FT-Schützen irgendwann haben: Unerklärliche Fehlschussserien, die im Wettbewerb, nachdem alles erst ganz prima lief, plötzlich auftreten und nach 3 bis 5 weiteren Schüssen wieder verschwinden. Etliche ZFs wurden als vermeintlicher Verursacher eingeschickt, kein Fehler wurde festgestellt.

    Bevor ich weiter erzähle: Alle Überlegungen beziehen sich auf die 16,3J Variante der 97k und richten sich auch nur an FT-Schützen in der Klasse 2 oder an sehr ambitionierte Freizeitschützen mit WBK oder in deutschsprachigen Nachbarländern ohne 7,5J Grenze gerichtet.

    Was war der Grundgedanke? (Die ersten Entwürfe zu diesem Thread waren ziemlich theoretisch, ich habe alles eingedampft auf die wirklich wichtigen Fakten.)

    Wie in meinem Tuning-Thread zur 97k beschrieben, darf sich bei der Schussabgabe in und an einem Federdruckgewehr nichts bewegen, was sich nicht unbedingt bewegen muss.

    Hier soll es um bewegliche Massen gehen, die nicht wirklich erforderlich sind und im Schuss einen kleinen Impuls auf das Gewehr übertragen können, der nicht immer gleich sein wird!

    Beispielsweise dieser Arretierungsbolzen vorne im Spannlauf. Er bringt etwa 15g auf die Waage. Bei Schussabgabe bewegt sich das starre System samt Schaft und ZF zunächst nach hinten, außerdem dreht es sich um den Schwerpunkt des kompletten Gewehrs. Dieser Schwerpunkt ist bei jeder 97k unterschiedlich, allen wegen des ZF, seiner Montage und seiner Montageposition. Der Bolzen hat radiales Spiel in seiner Spannlaufführung. Der Spannlauf (260g) hat Spiel in seinem Hauptgelenk und auch vorne in der Arretierung. Der Spannhebel, der die Spannkraft auf die Systemhülse überträgt, hat Spiel in seinem Gelenk und auch bei seiner "Nase" in der Kompressionshülse.
    All diese Teile sind prinzipiell beweglich und "rappeln" bei der Schussabgabe in den eher starren Teilen. Damit geben sie kleine Impulse an das "starre" System weiter, immer unterschiedlich, je nachdem wo sich zuvor im Zehntelmillimeterbereich befanden.
    Besonders übel ist, dass diese Impulse zum Teil recht weit vorne - in Mündungsnähe - auf das System übertragen werden. Großer Hebelarm, der auch bei kleinen Impulsen die Lage der Laufmündung schnell beeinflussen kann.

    Die meisten hier kennen den Effekt, wenn der O-Ring vorne am Spannlauf verloren geht. Das ist der Effekt, über den ich rede.
    Nach diesen Überlegungen waren mir erstmals die echten Vorteile eines Knickers bewußt: Viel weniger bewegliche Teile!
    Bei Unterhebelspannern sollten alle nicht unbedingt erforderlichen bewegliche Massen vermieden oder in ihrer Masse minimiert werden, damit sie nur minimale geschossablenkende Impulse auslösen können.

    Die Konsequenz waren folgende Modifikationen:

    - Extrem leichter Spannlauf (wenig Masse = wenig Impuls = wenig Geschossablenkung)
    - Spannlaufarretierung ohne bewegliche Teile (keine Bewegung + keine Masse = kein Impuls = keine Geschossablenkung)
    - Maximale Spielfreiheit des Spannlaufs in vorderer Arretierung und im Gelenk, und von Spannhebel (im Gelenk und am System)

    Naja, wirklich schön ist das Resultat nicht. Und zudem steht es noch im Gegensatz zu den " schönenTuningteilen", die vorne am Spannlauf angebracht, seine Masse aber noch weiter vergrößern!
    Aber es funktioniert scheinbar sehr gut. Vor etwa drei Wochen konnte ich die so modifizierte 97k in Dorsten testen. Ich bin nicht mehr so im Training, aber auf meine Einschussentfernung von 40m saßen bis auf einen Ausreißer alle Treffer mindestens im Durchmesser einer 50 Cent Münze, eher noch deutlich geringer.
    Aber zu einer zuverlässigen Aussage hätten weitere Serien geschossen werden müssen, was aber nicht möglich war, weil mir durch ein "Ungeschick" mein POM-Abschlußstück abhanden kam, was den Spannlauf arretiert.

    Nach den Worten nun die Fotos ;^)

    Weihrauch war so freundlich, mir ein Spannlaufgelenk einzeln mit den erforderlichen Stiften / Nietstiften zu senden. So als Einzelteil hat das wahrscheinlich noch niemand von euch gesehen, aber eine Überraschung ist es auch nicht.

    Da ich ultraleichte Carbon-Rohre für den Spannlauf einsetzen wollte, musste ein Übergangsstück her, um die Spannungsspitze, die sonst beim Übergang des massiven Stahlzapfens zum Carbon auftreten würden, abzufangen. Sonst wäre das eine "Sollbruchstelle" für die Carbonrohre. Das Übergangsstück wurde sehr passgenau aus Aluminium gedreht und innen stufig ausgebohrt. Die kleinen Nuten über den Außenumfang sollen die abschließende Verklebung mit 2K-Kleber unterstützen.

    Hier die 2 Carbonrohre. Das untere Rohr ist ein CFK Optik Rohr 14x12x1000mm (geflochtene Faseranordnung), das obere ein CFK-Rohr mit längsgerichtetem Faserverlauf 12,0x10,0x 900mm. Die Rohre sind recht eng toleriert und lassen sich teleskopartig ineinander schieben. Hier gekauft und mit 60€ inkl. Versandkosten nicht gerade preiswert, aber ausreichend für 3 Spannläufe.

    Hier das Ganze schon einmal ohne Kleber zusammengesteckt

  • Mit hochtouriger Mini-Bohrmaschine und Trennscheibe wurden die CFK-Rohre dann abgelängt. Wer das nachmachen will, sollte unbedingt eine Staubschutzmaske tragen und für eine effiziente Staubabsaugung sorgen. Der Faserstaub ist - wie man so schön sagt - lungengängig! Ich bearbeite CFK entweder nur im Freien oder direkt vor dem Ansaugrohr eines Staubsaugers mit Mehrfachfiltersystem für die Austrittsluft.

    Als 2K-Kleber kam wieder einmal das bewährte Uhu plus endfest 300 zum Einsatz. Die Übergangshülse wurde gelenkseitig als Presspassung gedreht und mit Uhu plus aufgepresst, dann im Ofen bei 180°C ausgehärtet. Anschließend das innere CFK-Rohr auf das Übergangsstück mit Uhu plus geklebt und bei moderaten 40 Grad 3h im Ofen ausgehärtet. Zum Schluss das äußere CFK-Rohr vollflächig mit dem inneren Rohr und dem Übergangsstück verklebt und bei Raumtemperatur mehr als 48h aushärten lassen. Da muss man sich genau überlegen, wo man den Kleber aufträgt und wie man verhindert, dass er vorne in das innere Rohr eindringt.

    Die Spannkraft bei 16,3J ist schon beachtlich und die CFK Rohre wiegen fast nichts. Da kommen selbst beim erfahrenen "Werker" zwischendurch Zweifel auf. Inklusive des bisher noch nicht beschriebenen Endstücks und Gelenk wiegt der Carbon-Spannlauf 125g der Original-Spannlauf 260g. Da aber beim Carbon-Spannlauf die Hauptmasse im Spanngelenk liegt, verschiebt sich der Schwerpunkt gewaltig nach hinten.und liegt ganz kurz hinter dem Gelenk, während er beim Standard-Spannlauf etwa bei 1/3 der Spannlauflänge liegt.

    Die nächste Überlegung galt der Spannlaufarretierung. Am besten wäre wohl eine Arretierung direkt im Gelenk oder sogar noch weiter hinten im Bereich des Spannlaufhebels. Das ergäbe einen absolut freischwingenden Lauf. Nach wochenlangen Überlegungen (nur zwischendurch natürlich, nicht fulltime ^^ ), habe ich mich dennoch dazu entschieden, den ultraleichten Spannlauf, vorne am Laufgewicht zu arretieren, absolut spielfrei und ohne jedes präzisionsstörende bewegliche Teil. Die Lösung ist nicht wirklich schön, aber sehr effektiv.

    Die Omega-förmige Stahlfeder wurde aus Federstahl manuell kalt geformt, fast könnte man sagen "kalt um einen Dorn geschmiedet". Schwierige Aktion, wenn sehr gute Passgenauigkeit gefordert ist. Das Messing-Dreh-Frästeil besitzt eine umlaufende Nut, in die die Omegafeder von außen "einschnappt", um dann im ausgefrästen Bereich nach Innen zu greifen. Diese Feder übt ihre Kraft senkrecht zur Laufseele aus und bewegt sich im Schuss NICHT! Oben im Bild erkennt man die neue Achse des Spannhebel-Gelenks. Aus Silberstahl gedreht und anschließend gehärtet, verbindet sie durch die leicht aufgeriebenen Bohrungen im Spannlauf-Gelenk diesen radial absolut spielfrei mit dem Gelenk. Axial wurde das Spannlaufgelenk etwas verformt, um auch in dieser Richtung Spielfreiheit zu gewährleisten. Die Achse wird durch einen Sicherungsring plus U-Scheibe (auch im Bild) unter leichter Spannung im Gelenk gesichert.
    Rechts unten im Foto oben sieht man das POM-Abschlussstück, das einerseits rechts in die Carbon-Rohre eingeklebt wird (Rillen) , andererseits mit seinem linken Ende in die absolut passgenaue Ausdrehung ins Messing-Gegenlager greift und dort durch die Omegafeder gehalten wird. Bei den Versuchen in Dorsten war es noch nicht eingeklebt und ist durch besagtes Missgeschick im hohen Bogen "entflogen".

    So sieht das Ganze montiert aus. Der Carbon-Spannlauf kann einfach ohne "Knöpfchen-Drücken" aus seiner Rast gezogen werden.

    So sieht es am Spannlauf-Gelenk aus, gut erkennbar die neue Montage des Spannhebels im Spannlaufgelenk.

    Bleibt nur noch das Geheimnis, wie man den Spannhebel auch an der Systemhülse spielfrei führt / lagert.Es kommt ja nur darauf an, dass sich bei dem gespannten Gewehr bei Schussabgabe nichts mehr bewegt! Ich habe das Langloch in der Systemhülse ausgefräst und eine passgenaue Messingschiene eingepasst, die durch Schrauben und Einklebung bombenfest mit der Systemhülse verbunden ist. Diese Schiene besitzt ein Langloch, welches sehr fein auf den auch zuvor bearbeiteten Spannhebel angepasst ist. Hier rappelt nichts mehr.

    Naja, so schlecht sieht die neue Spannlauf-Arretierung von der Seite auch nicht aus.

    Das Gewehr schoss nach dieser Maßnahme auf ca. 25m 6cm höher! 60mm höher!! Nach dieser Korrektur schienen aber die alten Entfernungseinstellungen wieder fast zu passen.
    Klar ist auch, dass der hübsche hochglanzlackierte Carbon-Spannlauf definitiv zu glatt ist. Die Hand rutscht zu schnell ab, das war das "Missgeschick".
    Ich bin absolut überzeugt davon, dass eine Massenreduzierung bzw. ein Verzicht auf nicht unbedingt erforderliche bewegliche Teile an der HW97 ganz sicher mehr Sicherheit in das Schussbild bringen.
    Klar scheint mir auch, dass die hier vorgestellte Variante in Serie preiswerter herzustellen ist, trotz der teuren Carbon-Rohre. Es entfallen dutzende von Teilen und in Grossserie kostet diese "Omegafeder" nur ein paar Cent.
    Es bedeutet ein Umdenken von Heavy Duty alter Zeiten auf neue Werkstoffe und werkstoffoptimierte Konstruktionen.

    Gruß
    Musashi

    P.S. Mein besonderer Dank gilt natürlich Weihrauch, die mich großzügig mit Bauteilen unterstützt haben
    Mein Dank - ganz speziell heute - gilt aber auch Eastwood, der mir sehr geholfen und diesen Bericht in dieser Form erst möglich gemacht hat. Da "blinkt" gerade noch eine ungelesene PN von ihm, aber ich habe schon gemerkt, an welcher Schraube er gedreht hat. Toll.. danke Michael.

  • Hi Bernard,

    wie immer tolle Arbeit und viel Erfahrung im Spiel. :thumbsup: Bin gespannt auf ausführlige Testergebnisse.
    Ich bin anderen Weg gegangen und eigentlich auf 50 m Streukreis mit 5 Schuss (ich brauche 50 :( ) 25 mm erreicht aber werde mich sehr freuen,
    dass deine Veränderung bessere Ergebnisse bringen würde und endlich kann man wiederholgenau mit dem Preller schiessen.

    Gruss Friedrich

    Wolf Creek Field Target Shooting Club 2002 e. V. HW 97 k Bushnell Elite 4200 16,3 J :winke:

    Einmal editiert, zuletzt von Schwarzholz (26. August 2012 um 07:31)

  • Hallo Bernard,

    Hut ab und Respekt vor so geballtem technischen Wissen, Deiner hohen Fähigkeit Abläufe und Prozesse hinterfragen und verbessern zu können ..... und vor Allem, diese Gedankengänge und "Bauanleitungen" mit derart präzisen und verständlichen Worten Allgemeinverständlich weitergeben zu können!

    Auch als Nicht-HW97-Besitzer macht es sicher jedem Technik-Interessiertem Freude, Deine technischen Erläuterungen zu lesen und nachzuvollziehen!

    Danke und Viele Grüsse
    Alfred

  • Alfred, besser hätt´ ich´s nicht schreiben können. :thumbup:

    Wollte fast das Gleiche sagen. Auch wenn mich die HW97 nicht direkt interessiert, sauge ich Bernards Berichte über solche Frickeleien förmlich auf.
    Solche Threads sind es, weswegen ich mich mal angemeldet habe.

    Bernard, weiter so!


    EDIT: Da fällt mir nochwas zur Sache ein:
    Wenn ICH eine HW97 hätte, würde ich das Problem ganz anders angehen. Nämlich mit einem steckbaren Spannhebel (Rohr).
    Also fast wie Bernards Ausführung, nur ohne Arretierung u. nicht fest verbunden. Ist zwar geringfügig umständlicher bei der Bedienung, bringt aber viele Vorteile bei der Hauptproblembewältigung!

    mfg
    Sascha

    Wer nicht merkt, daß er von Idioten umgeben ist, merkt das aus einem gewissen Grund nicht..... :D

    Einmal editiert, zuletzt von Fisher´s Sam (25. August 2012 um 23:41)

  • Die Idee mit Carbonrohr oder mit aufsteckbarem Spannlauf hatte ich auch schon, es dann aber so umzusetzen und feine Detaillösungen zu finden zeichnet Bernard aus. :thumbup: Ich kanns leider nicht... ;(
    Abnehmbarer Spannlauf ist denke ich auf den Lanes nicht praktikabel obwohl sicher technisch top, ich hab da lange drüber nachgedacht. Aber wer weiss, vielleicht kommt in dieser Richtung auch jemand mit ner pfiffigen Lösung.
    Auf alle Fälle sind es Threads wie dieser die (leider immer seltener) dieses Forum interessant machen.

  • Ich mach es kurz:

    Ich frage mich wieviele Besitzer einer HW 97 bzw. 77 von Deinen Gedanken und Erfahrungen profitieren werden!
    Früher oder später werde ich mir mein HW 97k nach Deiner Überlieferung umbauen - so viel ist sicher!
    Vielen Dank dafür!

    Ehrfürchtig ziehe ich den Hut vor Dir.

    Gruß Holger

    "...sind Sie vielleicht John Wayne, oder bin ich das?"
    (Private Joker - Full Metal Jacket)

  • Das ist wieder eine Kinoreife Innovation von Bernhard, der es immer wieder schafft, durch seinen technischen Sachverstand eine andere Sicht auf die Dinge zu erhaschen., und um, wie in diesem Beispiel, altgediente Konventionen aussen vor zu lassen. Als normaler HW97-Nutzer ist man da ja eher etwas betriebsblind.
    Ich durfte in Dorsten das gute Stück aus der Nähe begutachten und muss sagen, daß ich mehr als beeindruckt war.

    Ich finde es schön, daß ich, wie viele andere sicher auch, von den hochwertigen Beiträgen Musashis in punkto LG-Technik so einiges dazu lernen kann.


    Gruß Ralf :^)

    Mitglied in der Selbsthilfegruppe "Anonyme Prellerschützen".


    Field-Target mit einer HW97RS im 1. DFTC2000 e.V.

    Einmal editiert, zuletzt von Ladehemmung (26. August 2012 um 16:34)

  • Ich kanns leider nicht... ;(


    Meine Hilfe wäre dir sicher ;)

    Ich bin immer noch ein gedanklicher Gegner der mechanischen Verriegelung des Spannlaufes am Laufgewicht, irgendwie schwebt mit etwas mit Magneten durch den Kopf.... Aber ich hab' hierzu noch nichts realisiert. Schöner Bericht, wie immer von Musashi!