Testbericht Diamond Razor Edge
Klein und gemein! So würde ich das Teil mit wenigen Worten beschreiben.
Mit 31 Zoll A2A Höhe ist das Ding wirklich nicht lang.
Der Compoundbogen ist zwar als Jugendmodell konzipiert, hat es allerdings in sich.
Mit einem maximalen Zuggewicht von 60 # ist das Gerät alles andere als ein Spielzeug. Selbst ein erwachsener Anfänger dürfte erst einmal enorme Schwierigkeiten haben, die Sehne zu ziehen. Aber der Bogen lässt sich ja auf 30 # runterdrehen. Mit einer maximalen Auszugslänge von 29 Zoll kommen damit auch die meisten Erwachsenen noch klar, und Frauen findet erst Recht eine gute Einstellung.
Die Auszugslänge lässt sich von 19“ bis 29” durch entsprechende Positionierung der inneren Cam leicht und relativ schnell einstellen.
Diamond gibt eine maximale IBO Pfeilgeschwindigkeit von 308 fps an, allerdings bei 60# und 29”. Für den Anfang wird man sich mit etwas weniger zufrieden geben müssen.
Der Bogen kommt vormontiert. Es müssen noch Visier (Jagdvisier aus Kunststoff mit drei Leuchtpins) und Auflage (Hostage mit Bürsten) montiert werden.
Falls der Nockpunkt nicht gesetzt ist: Ich habe das mit einem simplen Geo-Dreieck ermittelt, indem ich einen Pfeil falsch herum (Leitfeder nach unten) eingenockt habe. Nockpunkt so setzen, dass Pfeil und Bogensehne zueinander einen rechten Winkel ergeben.
Die auf dem Bild erkennbare (zusätzliche) rote Wicklung wurde selbst angebracht und dient dem Zweck, ein Daumenrelease anzusetzen. Das schont die Originalwicklung. Alternativ geht’s auch mit Loop und Zangenrelease, aber das ist ja Geschmackssache. Nur für Fingerschießer ist der Bogen nicht geeignet. Bedingt durch die kurzen Baulänge ist der Winkel der Sehne bei Auszug dafür viel zu spitz.
Die Cams sind nach meiner Ansicht relativ hart. Schon nach wenigen cm verlangt der Bogen die volle Zugkraft, die erst kurz vor dem Let-Off (bei 75%) spürbar nachlässt.
Für ein späteres Creep-Tuning tut man sich schwer, da Tal und Wand mehr oder minder dicht beieinander liegen.
Praxistest:
Im Paket (Lieferumfang) ist außer Pfeilen und Release alles dabei, was für den Start benötigt wird. Auf den im Lieferumfang enthaltenen Anbauköcher könnte ich jedoch verzichten. Ein Stabi ist optional und muss extra gekauft werden, für den Anfang ist das aber nicht notwendig. Später bringt der Stabi, vor allem beim Scheibenschiessen, etwas mehr Ringe.
Sobald man Gewicht und Auszugslänge auf die persönlichen Bedürfnisse eingestellt hat, kann’s losgehen. Die drei Pins im Visier lassen sich auf die gewünschten Distanzen justieren, ich habe dafür 20, 30 und 40 m gewählt. Das mitgelieferte Peep-Sight ist für meine Begriffe ein Scheunentor, deshalb habe ich es gegen ein Peep mit mittlerem Lochdurchmesser ausgetauscht. Aber das ist auch Geschmacksache. Für die Jagd werden Peep-Sights mit großer Öffnung verwendet, also ist das Paket zweckmäßig zusammengestellt.
Nachdem man seine Schusstechnik einigermaßen gefunden hat, geht’s ans Tuning.
Die Razor Edge reagiert empfindlich, wenn die Cams nicht absolut synchron laufen. Das macht sich schnell bemerkbar, indem die Pfeile flattern und sehr unruhig fliegen. Eine perfekte Synchronisation der Cams ist wesentlich wichtiger als ein Pfeiltuning. Beim Auszug in die Wand geben die Cams ein deutliches Klickgeräusch ab. Peinlich darauf achten, dass die Klicks synchron zusammen auftreten. Wenn eine der Cams zu früher bzw. später kommt, müssen die Cams durch Eindrehen bzw. Ausdrehen der Kabel justiert werden. Die Markierung auf den Cams ist für die richtige Positionierung der Kabel als Orientierung für die Grobeinstellung nützlich.
Die Synchronisation geht am Besten, wenn man das Zuggewicht ziemlich runterdreht. Die Schrauben sind sehr lang und erlauben deshalb eine extreme Entlastung. Nur wird beim Ruterdrehen der Anstellwinkel der Befestigungsschraube für die Wurfarme immer flacher, so dass der Kopf der Schraube ab einem gewissen Punkt an der Halterung schrappt und etwas von dem Material abdreht. Durch etwas Lagerfett oder Öl kann man diesem Abrieb etwas entgegenwirken. Ich bin zwar der Meinung, dass dadurch die Funktion nicht beeinträchtigt wird, sensible Naturen sollen lieber zur Bogenpresse greifen. Es geht jedoch zur Not auch ohne. Bei stark runter gedrehtem Zuggewicht kann man den Bogen auch mit der Hand drücken, um so die Kabel auszuhängen.
Damit die Cams dabei nicht beschädigt werden, habe ich zwei Holzklötzchen mit Abstandhalter so verbunden, dass nur die beiden Enden des Wurfarms aufliegen. Nun kann man den Bogen auf den Boden stellen und auf den oberen Wurfarm nach unten drücken. Die Kabel können sogar ganz ausgehängt werden, wenn man die Cams zuvor mit einem Holzstäbchen arretiert. Wenn man das nicht tut, hängt sich die Sehne gleich mit aus. Wenn das passiert, lockert sich alles und man kann man die Einzelteile, Wurfarme, Sehne und Kabel wieder mühsam zusammenpuzzeln.
(Ist mir leider passiert. Aber nach dieser Lektion habe ich auch keine Bedenken mehr gegen einen evtl. notwendigen Wechsel der Sehne und der Kabel. Scheint ohnehin nicht das haltbarste Material zu sein.
Selbst hergestellte Sehnen und Kabel sind relativ preisgünstig. Leider ist mir die erste selbstgebastelte Bogensehne um einen cm zu kurz geraten. Muss offensichtlich bei der Einstellung am Sehengalgen hinzuaddiert werden).
Der Bogen wird als Einsteigermodell empfohlen. Die enorme Bandbreite der Einstellmöglichkeiten sprechen sicherlich dafür. Das Gerät macht auch richtig Spaß, ist qualitativ gut und sauber verarbeitet.
Die Bürsten der Pfeilauflage verschleißen weniger schnell, wenn man je einen Tropfen Öl draufgibt.
Wer sich als Anfänger jedoch nicht selbst zu helfen weiß, benötigt die Hilfe eines erfahrenen Compoundschützen oder den Fachhändler in der Nähe. Falsch eingestellt macht das Gerät keine Freude.
Die harten Cams sind für Anfänger ebenfalls nicht ideal. Nur ein kleinwenig vom Let-Off Punkt entfernt, und der Bogen entfaltet brachialen Kräfte. Die Gefahr eines unbeabsichtigten Trockenschuss ist deshalb gerade für Einsteiger relativ hoch. Bleibt nur zu hoffen, dass dabei kein großer Schaden entsteht. Bei stark runter gedrehter Zugkraft sollte der Bogen das aushalten.
Wirklich einzigartig an dem Bogen ist, dass er an fast jede Statur eines Schützen anpassen kann.
Ob klein oder groß, stark oder untrainiert, die Einstellmöglichkeiten sind gigantisch.
Aber für Einsteiger? Absolut nein, wenn keine Hilfe in greifbarer Nähe! In den USA wird das Teil als Jugendbogen verkauft. Wenn der Daddy ein Jagdbogenfreak ist und sich mit der Materie auskennt, ist das kein Problem.
Die Razor Edge ist ein faszinierendes Teil, wenn man ihr die notwendige Aufmerksamkeit und Pflege zukommen lässt. Sie ist wie eine Diva, und so muss man sie auch behandeln, wenn man Freude daran haben will. Wer einen unkomplizierten Hau-Ruck-Bogen mit wenig Pflegeaufwand haben möchte, wird mit diesem Compoundbogen nicht lange in Harmonie zusammenleben.
Wer sich jedoch die Mühe gibt, diese Zicke bändigen zu wollen, kann es sich auswählen, ob er ein schnurrendes Kätzchen oder lieber einen reißenden Tiger möchte.
Ein paar Fotos zur Demo hab ich auch gemacht, versuche aber vergeblich, die Bildchen hochzuladen. Kann mir jemand erklären, wie's geht, dann kann ich den Bericht ergänzen...
Nachtrag:
o.k. dann hab ich die Fotos eben einzeln hochgeladen. Ihr findet sie in den Antworten.
Zwar Umständlich, aber dann eben auf diese Weise. Hoffe, es ist soweit verständlich...