Bolzenschiessen auf Niederländische Art

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 17.417 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (10. März 2005 um 10:01) ist von paus.

  • Für alle die sich Fragen was das Niederländische Bolzenschiessen so auf sich hat,

    Das niederländische Bolzensschiessen ist nicht so weit verbreitet wie man vielleicht in Deutschland denkt. Es beschränkt sich auf den südlichen Teil der Provinz Limburg (westlich von Aachen). Dort gibt es 2 Bunde mit eigenen Wettkämpfe und Regeln. In Remscheid gibt es übrigens auch einen Bund fürs Bolzenschiessen.

    Die Bolzengewehre sind vom Kaliber 5,5 mm. Die Visierung ist mehr oder weniger frei wählbar, man darf aber nur 1 optisches Hilfsmittel benutzen (z.B. Adlerauge). Bei der Schussabgabe gilt einen maximalen Energiewert von 7,5 Joule.

    Man schießt aus 5,5 m Entfernung mit 3 Bolzen auf 3 Scheiben. Die Scheiben sind auf einer Schiesskarte gedruckt die man vor einer Bleiplatte befestigt. Es wird stehend geschossen wobei man an einen Tisch anlehnen darf. An Bekleidung ist eigentlich fast alles erlaubt, nur kein Schiessriemen. Nach dem Schiessen werden die Bolzen hinausgezogen und dem Schützen zurückgebracht.

    In unterschiedlichen Klassen schießt man in einem Team von 4 Personen (Herren und Damen) jede Woche gegen einen neuen Gegner. Es schießen immer 2 schützen gleichzeitig (Gegner): zuerst 3 Probeschüsse und danach 3x3 Schüsse in 15 Minuten die beurteilt werden (1-12 Ringe). Nach jeweils 3 Schüsse werden durch 2 andere Gegner zusammen die Schüsse beurteilt und aufgeschrieben.

    Wenn alle Schützen eine Runde geschossen haben, geht die zweite und letzte Runde los. Pro Schütze kann man in einer Runde maximal 108 Ringe schießen, in einem Wettkampf also 216. Es geht aber darum als Team zu gewinnen, die Gesamtzahl von 4 Schützen zählt (maximal 864).

    Zusammenfassend möchte ich noch folgende offene Fragen beantworten:

    - wie sehen die Ziele ( Scheiben ) aus?
    Der Außendurchmesser beträgt 94 mm, Das “Schwarze“ ist 21 mm breit und die “12” nur 3 mm. Eine Zielkarte hat 3 Scheiben und wird in einem Schiesskasten an einer Bleiplatte befestigt.

    - auf welche Distanz wird geschossen?
    5,5 m (nicht besonders weit, kann man aber bequem in jedem Lokal oder gar zuhause schießen)

    - sind die verwendeten Bolzen mit unseren im Handel erhältlichen Federbolzen identisch ?
    Die kenne ich leider nicht, denke aber mal ja. Meine sind allerdings handgefertigt von einem Bekannten aus Vaals (die Bolzenschützen wissen von wem ich rede ;)

    - wo bekommt ihr die Waffen her?
    Die Waffen sind “normale“ neue oder gebrauchte Luftdruckgewehre (Anschütz, Feinwerkbau, Walther, Diana), werden allerdings umgebaut fürs Bolzenschiessen. Das heißt es wird der Lauf gewechselt (4,5 -> 5,5 mm) und der Druck wird verringert. Für Zulassung bei Wettkämpfen braucht man eine Zulassung vom Bund. Dafür wird die Geschwindigkeit und das Gewicht der Bolzen überprüft um den Energiewert zu errechnen.

    - wie präzise sind diese Waffen?
    Das kann man so leider nicht beantworten, die Erfahrungen unterscheiden sich. Was ist besser: eine Anschütz, FWB, Walther oder Diana? Eine Rhetorische Frage natürlich, ich möchte hiermit sicher nichts auslösen! Fakt ist aber das manche (moderne) Gewehre nur sehr schwer um zu bauen sind. Wahrscheinlich kommt das dadurch dass die Schussabgabe für Bolzen zu schnell geschieht. Der Bolzen braucht eine längere Zeit zum beschleunigen als ein Diabolo.

    Was auch mitspielt sind Schwingungen im Lauf. Der Bolzen verursacht Schwingungen im Lauf, die bei einer Befestigung mitten am Lauf ungünstig auf die Präzision auswirken kann. Der Lauf ist übrigens glatt und geht bis ganz vorne.

    Im Idealfall ist einen Einschlag von 6-7mm erreichbar mit 3 Bolzen (5,5 mm). Vorausgesetzt die Bolzen sind aufeinander abgestimmt (Form, Gewicht), das Gewehr wurde unter gleichen Umständen geladen und gezielt, der Schütze bewegt sich nicht ;)

    Besucht doch bitte mal unsere (niederländische) Webseite: SVK

    Schöne Grüße, Stefan

    Einmal editiert, zuletzt von paus (9. März 2005 um 13:55)

  • hallo,
    ich dachte immer, dass Bolzenschießen sei seit Jahrzehnten tot (zumindest das ernsthaft Scheibenschießen), bis ich vor einigen Jahren hört, dass es in Deutschland noch einen einzigen Verein gibt, bei dem mit Federbolzen geschossen wird. Für diesen Verein hat Anschütz seinerzeit eine Kleinserie vom 2002 (glaube ich) mit glattem Lauf hergestellt.
    Wie weit verbreitet ist denn der Sport in den Niederlanden?
    Wie sehen denn die Geschosse genau aus? Hast Du vielleicht Fotos?

    Heute habe ich wieder etwas dazugelernt.

    Gruß
    Gerald

    collector

  • Hallo paus , ich danke dir ganz herzlich für diese ausführliche Antwort . :huldige:
    Ich bin jetzt auf der suche nach den Scheiben die ihr da verwendet ... ???... die scheint es in Deutschland nicht zu geben...
    Aber trotzdem nochmal vielen dank

  • Hi Leute,

    - Wie weit verbreitet ist denn der Sport in den Niederlanden?
    Wie gesagt beschränkt auf den südlichen Teil der Provinz Limburg (zwischen Geleen, Kerkrade, Vaals und Maastricht). Der Bund zu dem unser Verein gehört zählt ungefähr 70 Vereine und 1000(?) Mitglieder. Es gibt aber noch einen zweiten Bund in dieser Region...

    - Wie sehen denn die Geschosse genau aus? Hast Du vielleicht Fotos?
    Aber klar doch, siehe nebenan (mein Avatar), oder auch hier (Bolzen) etwas größer.

    - Ich bin jetzt auf der suche nach den Scheiben die ihr da verwendet...
    Klar, die werden im Auftrag vom Bund hergestellt und muss man als Verein auch dort beziehen (für Wettkämpfe). Würde eine 1:1 JPG reichen oder soll es etwa für eine Sammlung sein? Ich würde gerne so eine Karte zur Verfügung stellen.

    Übrigens, in Deutschland gibt es ja die IG der Bergischen Bolzenschützen e.V. Remscheid...

    Schöne Grüße, Stefan

    Einmal editiert, zuletzt von paus (9. März 2005 um 17:11)

  • ...das könnte erklären warum ich die Scheiben nirgendwo finde... hab schon meine ganze "Sammlung" durchforstet , habe zuerst vermutet , das es sich um Zimmerstuzenscheiben handelt , aber die haben nur 10 Ringe und nicht 12 .
    Also wenn du mal nen Bild hier ins Forum stellen könntest ( 1:1 wäre ja gerade zu genial ) dann wäre ich dir unendlich dankbar...
    dann könnt ich auch heute Nacht in ruhe schlafen...ohne von einer unbekannten Scheibe zu träumen :crazy2:

  • Im Downloadbereich gibt es angeblich mehrere Zielscheiben. Die 1:1 Darstellung möchte ich auch gerne hinzufügen, habe aber nicht die Rechte dazu. Die Datei ist in 400dpi Auflösung 453 KB groß und deswegen nur als Link angeben: Zielscheiben für Bolzenschiessen

    Zur Ansicht im Forum ist folgende verkleinerte Graphik allerdings wohl geeignet:

    Ich könnte es nicht verkraften wenn jemand um unsere Zielscheiben Schlaf verlieren würde... Also Gute Nacht :o:

  • Ich dank dir nochmal ganz herzlich für die Arbeit die du dir gemacht hast . Ich war heute nachmittag noch beim Büchsenmacher um die Ecke , und hab mir erstmal nen paar Federbolzen gegkauft , nun werd ich mal schauen , wieviel Ringe ich da mit meiner ausgemusterten Diana 24 ohne Visier da so erreiche .
    Gruß in die Niederlande :new11:

  • Hallo paus,
    vielen Dank für die tollen Infos. Ich finde das hochinteressant.
    Die Bolzengewehre, die Anschütz noch vor 2 oder 3 Jahren
    im Programm hatte, haben uns schon einmal im ehemaligen
    Visier-Forum beschäftigt.
    Bolzenschießen war früher mal eine weitverbreitete Geschichte.
    Bei den Wettkampfbolzen erkennt man ein wichtiges Detail...
    Sie haben eine eingelegte "Strähne", damit man sie ähnlich
    den Armbrustbolzen, immer gleich einsetzt.

  • wo liegt denn genau der Unterschied zwischen "Wettkampfbolzen" und den handelsüblichen Bolzen ( außer den Unterschied 4,5 - 5,5 mm) ?
    Wo bekommt man eine solch spezielle Waffe her , oder wer baut sie um ?

  • - Wo liegt denn genau der Unterschied zwischen "Wettkampfbolzen" und den handelsüblichen Bolzen
    Das mit den Wettkampfbolzen ist eine Geschichte für sich. Die Bolzen kann man ja fertig kaufen, meine sind aber wie gesagt handgefertigt. Das Gewicht der 3 Bolzen ist sehr genau aufeinender abgestimmt, genauso wie die Form und Länge der Federn (eigentlich sind es Haare). Auch der Durchmesser wird auf einer Drehbank sehr genau an den exakten Laufdurchmesser angepasst (bis auf 1/100 mm). Sogar Massenmittelpunkt der Bolzen wird abgestimmt. Bei dieser Genauigkeit ist die Orientierung eher unwichtig.

    - Wettkampfbolzen haben eine eingelegte "Strähne", damit man sie immer gleich einsetzt.
    Man kann ja selber eine kleine Markierung eingravieren... Manche Schützen machen das, meiner Meinung nach bringt das genau so viel wie z.B. ein Mikro-Diopter um einen Klick verstellen: Man könnte keinen Unterschied messen, aber der Gedanke daran bringt den Schützen mehr Vertrauen. Mein Bolzenhersteller klemmt normalerweise ein Paar Haare in andere Farbe in den Bolzen ein. Damit kann man die Bolzen eigentlich wunderbar orientieren. Ich werde ihm aber nächstes Mal fragen nicht mehr Braun mit dunkelblau zu kombinieren…

    - Wo bekommt man eine solch spezielle Waffe her, oder wer baut sie um?
    Den Umbau könnte man z.B. bei einem renommierten Geschäft in der Aachener Innenstadt machen lassen. Das Gewehr wird dann von meinem Bekannten in Vaals umgebaut. Ein neuer Lauf muß her, und der Druck muß reduziert werden (Abstand über den der Kolben beim spannen läuft wird verringert). So was kostet meistens um die 300 Euro, ob sich das lohnt wenn man das Gewehr nicht regelmäßig benutzt? Dazu kommt die Frage ob und wo man diese Waffe dan wieder Ordnungsgemäß anmelden kann, da die Änderungen doch gravierend sind. Wir haben ja den Bund der die Waffen überprüft. Für die NL Behörden reicht das, aber wenn ich meine Waffe mitnehmen würde nach Deutschland wäre ich wahrscheinlich strafbar...

    - Bolzenschießen war früher mal eine weitverbreitete Geschichte.
    Ich hoffe mal wir können noch längere Zeit so weiter machen, es ist ein schönes Hobby!