Zitat
Original von Tailgunner667
Magst Du die Mail mal hier reinstellen? Ist bestimmt auch für andere interessant.
Dank & Gruß,
Tailgunner
Hier also das Antwortmail von Herrn Bosbach - VOOORSICHT SEEEHR LAAANG ... Viel Spass !?!
Gruss Alec
Sehr geehrter Herr K.,
in obiger Sache beziehe ich mich auf Ihre E-Mail vom 09. Mai 2009 und danke Ihnen zunächst dafür, dass Sie sich redlich darum bemüht haben, zumindest in weiten Teilen sachlich zu argumentieren. Dies unterscheidet Ihre E-Mail wohltuend von zum Teil unsäglichen Werken, die auch ich in den letzten Tagen zum Thema Verbot sog. „realer Killerspiele“ erhalten habe.
Dennoch entnehme ich Ihrem Schreiben, dass Ihnen zahlreiche, wichtige Informationen nicht bekannt sein dürften, sodass ich mir erlaube, Ihren Kenntnisstand wie folgt zu komplettieren:
1. Die Diskussion über ein Verbot sog. „realer Killerspiele“ gibt es seit vielen, vielen Jahren. Hierfür nur ein Beispiel: Unter der Überschrift „Ewiger Streit“ berichtet der Spiegel am 28.03.1994 über eine Initiative des damaligen Bundesinnenministers Manfred Kanther „Laserdrome-Hallen“ zu verbieten. Denkbar seien – so Kanther – insbesondere Änderungen der Gewerbeordnungen oder des Ordnungswidrigkeitengesetzes. Zu dieser Art „Spiel“ hat das Bundesverwaltungsgericht am 24.10.2001 u. a. Folgendes ausgeführt: „Ein gewerbliches Unterhaltungsspiel, das auf die Identifikation der Spielteilnehmer mit der Gewaltausübung gegen Menschen angelegt ist und ihnen die lustvolle Teilnahme an derartigen – wenn auch nur fiktiven – Handlungen ermöglichen soll (hier: der Betrieb eines sog. Laserdromes mit simulierten Tötungshandlungen), ist wegen der ihm inne wohnenden Tendenz zur Bejahung oder zumindest Bagatellisierung der Gewalt und wegen der möglichen Auswirkungen einer solchen Tendenz auf die allgemeinen Wertvorstellungen und das Verhalten in der Gesellschaft mit der verfassungsrechtlichen Garantie der Menschenwürde unvereinbar.“
Erstes Fazit: Wenn das Bundesverwaltungsgericht derartige Ausführungen macht, gilt das als in jeder Hinsicht akzeptabel. Aber wehe, wenn sich ein Politiker auch nur sinngemäß so äußert!
Was aber schrieb Der Spiegel in der Überschrift? „Bundesinnenminister Kanther will ein Spiel verbieten: Cowboy und Indianer im Laserdrome“? Im Text heißt es dann: „Da wird der Bonner Sheriff, der nun mit hartem Durchgreifen gegen PKK-Kurden und auf der Spielebene jenes Profil zu gewinnen sucht, das Parteifreunde der Innenpolitik bislang vermissen, wohl vorbeischießen.“
Sie sehen: Eigentlich hat sich in der Art der Berichterstattung über derartige Initiativen in den letzten Jahren nicht viel geändert. Dass Der Spiegel die o. a. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in dieser Weise jemals kritisiert hätte, ist nicht überliefert.
2. Der Bund-Länder-Ausschuss „Gewerberecht“ hat sich 1993 auf seiner 73. Tagung mit dieser Thematik intensiv auseinandergesetzt. Er war damals der Auffassung, „dass das Schießen auf Menschen mit Laserwaffen eine sozial unwertige, verabscheuungswürdige und die Menschenrechte verletzende Betätigung“ sei.
2007 hat der gleiche Ausschuss festgestellt, dass 2006 im Bundesgebiet 58 Anlagen mit sog. physischen Killerspielen (Paintball- und sogar Gotchaspielen) mit behördlicher Duldung betrieben wurden, wobei die Behörde zur Vermeidung von Assoziationen mit Tötungshandlung eine ganze Reihe von Auflagen erlassen hatte.
Diese Auflagen, besonders streng in NRW (FDP-Innenminister) überraschen, denn nach Auffassung der Kritiker der Koalitionsentscheidung sind derartige Spiele doch eigentlich völlig harmlos, vergleichbar mit der Aufstellung von Zinnsoldaten, im allseits belieben Räuber- und Gendarm-Spiel oder einem neckischen Bespritzen mit Wasserpistolen. Wenn das aber tatsächlich so ist, warum braucht man dann strenge Regeln? Und warum ist dann Jugendlichen unter 18 Jahren die Betätigung in diesen „Sportarten“ verboten? Entweder es handelt sich bei diesen „Spielen“ um lustige Freizeitbetätigungen, von denen überhaupt keine Gefährdungen ausgehen können, dann gibt es keinen Grund, strenge Auflagen vorzusehen oder die vorgetragenen Unwerturteile sind zutreffend, dann kann die Kritik nicht berechtigt sein.
Kritik an diesen Äußerungen des Bund-Länder-Ausschusses ist nicht bekannt geworden.
Das Bundeskriminalamt hat 1994 empfohlen „Gotcha-Spieler“ zu überwachen mit der Begründung, „Gotcha-Spieler, die sich bei ihrer Freizeitschlacht mit Farbgeschossen bekämpfen, sollen künftig von der Polizei beobachtet werden. Die Durchführung dieser Spiele weisen häufig Ähnlichkeit mit Wehrsportübungen von Rechtsextremisten auf.“
Im Nachrichtenmagazin Focus hieß es diesbezüglich in der Ausgabe Nr. 40 (1994) wörtlich: „Mehrere Schießereien mit politischem Hintergrund verzeichnet das BKA 1994: In Niedersachsen ordnete die Polizei zwei Gotcha-Spieler der Skinhead-Szene zu. Eine Hakenkreuzfahne und Fotos, auf denen Personen mit Hitler-Gruß posieren, konnten Beamten in NRW bei zwei Gotcha-Spielern sicherstellen. Aus einem Auto beschossen in Mecklenburg-Vorpommern Gotcha-Spieler einen Vietnamesen. Bei zwei Tätern wurde später umfangreiches Material mit „militärischen und rechtsextremistischen Charakter“ gefunden. Das BKA, dem u. a. auch Erkenntnisse vom Bundesamt für Verfassungsschutz und vom Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg vorliegen, hält die Zahl der nichtgemeldeten Strafrechtsverstöße für wesentliche höher. Gotcha-Spiele, so das BKA, bauen die Hemmschwellen ab und begünstigen „Gewalt- und Waffenkriminalität“.
Kritik an diesen Äußerungen und Empfehlungen des Bundeskriminalamtes sind nicht überliefert, geschweige denn, dass man sich damals genötigt sah, eine Paintball-Partei zu gründen.
3. Auch die Rechtsprechung hat sich mit der hier streitgegenständlichen Thematik seit langer Zeit intensiv beschäftigen müssen, sie ist allerdings nicht einheitlich, was zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt und zwar sowohl bei den Veranstaltern derartiger „Spiele“ als auch bei den zuständigen (Ordnungs-) Behörden.
4. Nach der Gewalttat in Emsdetten (2006) reichte der Freistaat Bayern beim Bundesrat am 02. Februar 2007 einen Gesetzesantrag ein (Drs. 76/07).
Dort heißt es u. a. wörtlich: „Darüber hinaus sind auch reale Gewaltspiele zu verbieten, die geeignet sind, Mitspieler in ihrer Menschenwürde herab zu setzen. Mit einem solchen Verbot wird den Gefährdungen, die von derartigen Spielgestaltungen ausgehen, effektiv entgegengewirkt. Die bisherige Rechtslage im Zusammenhang mit derartigen Spielen, wie Gotcha, Laserdrome oder Paintball ist nicht ausreichend. Reale Gewaltspiele können von den Sicherheits- und Ordnungsbehörden bisher nur untersagt werden, wenn die einzelne Veranstaltung gegen § 118 OWiG verstößt, also insbesondere auch die Allgemeinheit belästigt, was eine gewisse außenwirksame Wahrnehmung der Veranstaltung voraussetzt.“
Der Vorschlag für einen neuen § 118 a (menschenverachtende Spiele) lautete:
1) Ordnungswidrig handelt, wer
1. Spiele veranstaltet, die geeignet sind, die Mitspieler in ihrer Menschenwürde herabzusetzen, indem ihre Tötung oder Verletzung unter Einsatz von Schusswaffen oder diesen nachgebildeten Gegenständen als Haupt- oder Nebeninhalt simuliert wird,
2. hierfür Grundstücke, Anlagen oder Einrichtungen bereitstellt oder
3. an solchen Spielen teilnimmt.
2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 und 2 mit einer Geldbuße bis zu 5000 Euro, in den Fällen des Punkt 1 Nr. 3 mit einer Geldbuße geahndet werden.“
Dieser Gesetzesantrag wurde damals keineswegs nur von der Union begrüßt! Die rot-grüne Bundesregierung war gerade im Hinblick auf das geplante Verbot der sog. „realen Killerspiele“ gerade zu euphorisch!
Am 21. Juni 2002 kam es im Bundesrat zu einer Debatte, in der die damalige (rot-grüne) Bundesministerin für Familie, Senioren und Frauen und Jugend, Dr. Christine Bergmann, folgendes wörtlich ausgeführt hat:
„Sie (die Mitglieder des Bundesrates) wissen, dass die Bundesregierung Laserdrome, Gotcha oder Paintball-Spiele entschieden ablehnt. Darüber können wir uns schnell verständigen. Dies haben wir bereits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Die auf Grund unterschiedlicher verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen zeitweise aufgetauchte Unsicherheit, ob derartige Spiele verboten werden können, ist inzwischen beseitigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Grundsatzentscheidung am 24.Oktober letzten Jahres festgestellt, dass derartige Spiel wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde über die polizeiliche Generalklausel zu verbieten sind (…). Ich möchte hervorheben, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht nur Laserdrome, sondern generell Spiele mit simulierten Verletzungs- und Tötungshandlungen betrifft und daher selbstverständlich auch für Spielformen wie Gotcha oder Paintball gilt, bei denen statt Laserpistolen Farbpistolen verwendet werden.“
Im Klartext: In dieser Rede hat die damalige rot-grüne Bundesregierung,
volkstümlich formuliert, auf „Spiele“ wie Laserdrome, Gotcha oder Paintball geradezu mit Abscheu reagiert.
Irgendwelche Kritik an den o. a. Äußerungen der damaligen rot-grünen Bundesregierung ist nicht überliefert.
5. Auch die Bundesregierung dieser Koalition, der Großen Koalition, hat sich mit dieser Thematik beschäftigt, denn auf eine entsprechende Anfrage vom 31. Oktober 2006 hat Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB wie folgt geantwortet: „Bei den sog. „Killerspielen“, und zwar sowohl bei Video- und Computerspielen als auch bei realen Spielformen, bei denen die Verletzung oder Tötung von Mitspielern mit Laser- oder Farbpistolen simuliert wird, prüft die Bundesregierung, ob ein Verbot möglich ist.“
Diese Prüfung der Bundesregierung muss offenkundig positiv abgeschlossen worden sein, denn die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Waffenrecht“ hat Ende April 2009 einstimmig (!) also mit Zustimmung nicht nur der Bundesregierung, sondern auch aller Bundesländer folgende Empfehlung abgegeben:
„Die Arbeitsgruppe bezog ihren Prüfauftrag ausschließlich auf Vorschläge zur Änderung des Waffenrechts. Nicht einbezogen wurden gewaltverherrlichende Video- oder PC-Spiele, die in der federführenden Zuständigkeit des BMFSFJ liegen. Aber auch im Umfeld waffenrechtlicher Vorschriften existieren Spielformen (Laserdrome, Gotcha- und Paintballspiele), bei denen die Tötung oder Verletzung von Mitspielern unter Einsatz von Schusswaffen oder diesen nachgebildeten Gegenständen simuliert wird. Bei diesen sog. Spielen besteht die Gefahr, dass Gewalt verharmlost wird und hierdurch Hemmschwellen zur Gewaltanwendung abgebaut werden. Die Arbeitsgruppe kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Bundesratsantrag des Freistaates Bayern vom 02. Februar 2007 zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (…) im Rahmen eines Artikelgesetzes zur Umsetzung der vorgeschlagenen Änderung des Waffengesetzes weiterverfolgt werden soll.“ Es folgt dann ein Verweis auf die o. a. Gesetzesinitiative des Freistaates Bayern.
6. Auf diesen Gesetzesvorschlag hat sich die Große Koalition jedoch nicht verständigt, denn nach Abstimmung mit dem Bundesministerium der Justiz (Zypries/SPD) hat das BMI in dieser Woche einen neuen Formulierungsvorschlag unterbreitet, der – nach Angaben des Bundesministeriums der Justiz-verfassungsrechtlich unbedenklich sein soll. Die neue Formulierung lautet:
§ 118 a
Spiele mit Tötungs- oder Verletzungssimulation
1) Ordnungswidrig handelt, wer
1. Spiele veranstaltet, bei denen die Tötung oder Verletzung von Mitspielern unter Einsatz von Schusswaffen oder diesen nachgebildeten Gegenständen als Haupt- oder Nebeninhalt simuliert wird,
2. hierzu Grundstücke, Anlage oder Einrichtungen bereitstellt oder
3. an solchen Spielen teilnimmt.
2) Die Ordnungswidrigkeit kann an den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 mit einer Geldbuße bis zu 5000 Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 mit einer Geldbuße geahndet werden.“
In der Begründung heißt es dann wörtlich: „Die Regelung müsste laut BMJ wegen Artikel 12 GG (Berufsausübungsfreiheit) zeitlich verzögert, z. B. Ende des Jahres 2009 in Kraft treten, damit die gewerblichen Betreiber solcher Spiele Gelegenheit hatten, die Nutzung ihrer Anlagen umzustellen oder den Spielbetrieb weitgehend kostenneutral so auszugestalten, dass er nicht mit § 118 a OWiG kollidiert. Möglichkeiten der Einschränkung von Paintball und Gotcha-Spielen auf der Grundlage des Polizei- und Ordnungsrechts der Länder führten bislang nicht zum gewünschten Erfolg. Abhilfe soll nun das bußgeldbewerte Verbot im Ordnungswidrigkeitenrecht schaffen.“
Anders formuliert: Die Initiative der Koalitionsfraktionen bezieht sich ausdrücklich, aber auch ausschließlich auf Spiele mit Tötungs- oder Verletzungssimulationen unter Einsatz von Schusswaffen oder diesen nachgebildeten Gegenständen. Was das mit dem Aufstellen von Zinnsoldaten oder dem beliebten Räuber- und Gendarmspielen zu tun haben soll, erschließt sich weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick, aber ich gebe gern zu, dass es auf derartige Feinheiten schon lange nicht mehr ankommt.
Man mag meine Auffassung teilen oder nicht, dies muss jeder für sich selber entscheiden. Aber für mich ist es in der Tat ein Unterschied, ob man mit einer Schusswaffe oder diesen nachgebildeten Gegenständen auf Menschen zielt oder z. B. auf eine Zielscheibe aus Pappe oder Kunststoff. Hierzu hat der Kollege Dr. Wiefelspütz MdB festgestellt, diese Spielformen seien für ihn „sittenwidrig“. Wenn derartige Spielformen sittenwidrig sind, dann kann es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit nicht entscheidend sein, ob diese Spielformen öffentlich stattfinden oder aber in Hallen, ob sie im privaten Bereich oder aber gewerblich organisiert werden. Es sei denn, man vertritt die Auffassung, dass Handlungen dann nicht sittenwidrig sind, wenn sie ohne Gewinnstreben privat organisiert werden, sondern nur im Rahmen eines gewerblichen Geschäftsbetriebes. Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass ich mich einer derartigen Haltung nicht anschließen möchte. Dass nach der Vereinbarung vom 12. Mai 2009 einige Kollegen wieder, rustikal formuliert, „umfallen“ würden, war mir klar, denn wenn es massiven und zum Teil gut organisierten Widerstand gibt, neigt die Politik nicht selten dazu, von einer Auffassung abzurücken, die sie zuvor noch aus voller Überzeugung als richtig vertreten hat.
Ein „schönes“ Beispiel für diese politische Geschmeidigkeit bietet der Koalitionspartner beim Thema „Verbot großkalibriger Schusswaffen“ im Schießsport.
Mit Schreiben vom 23. April 2008 hat die SPD-Bundestagsfraktion vom Bundesinnenminister gefordert, „Schusswaffen mit einem größeren Kaliber von 5,56 mm (…) sowie sämtliche Schusswaffen, deren Mündungsenergie mehr als 200 JOULE (J) beträgt, vom Schießsport auszuschließen.“ Diese Forderung ist vom Tisch.
Eine völlig andere Auffassung hat demgegenüber der Vorsitzende des
Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy, ebenfalls SPD, der eine „weitere Verschärfung des Waffengesetzes nicht für erforderlich hält“, denn wir seien auf der Höhe der Zeit…
Nach Lage der Dinge ist allerdings davon auszugehen, dass auch der Kollege Edathy seine Meinung diesbezüglich wieder ändern wird.
Für Ihre Mühe, meine Ausführungen in voller Länge gelesen zu haben, danke ich Ihnen von Herzen und hoffe, dass Sie sich nunmehr ein neues, objektives Bild von meiner Auffassung machen konnten.
Mit besten Grüßen und allen guten Wünschen aus Berlin
Ihr
Wolfgang Bosbach