So, hier der zweite Teil von dem, was mir ein Werkstattmeister, der sein ganzes Arbeitsleben mit Dichtungen und Schmiermittel (an Dieselmotoren von Lokomotiven) verbrachte, über Ballistol Universalöl erzählte.
Ballistol ist wasserlöslich (emulsionsfähig) und kann dadurch im Zusammenspiel mit der Luftfeuchtigkeit verseifen. Was bei bestimmten Pflegeanwendungen sinnvoll ist, wirkt sich beim Einsatz als Schmiermittel fatal aus. Wenn ich Ballistol z.B. zur Schmierung ins System meines TiPX-Markierers einfülle, anstatt des Silikonöls der Wartungskapseln, vermischt sich das Ballistol mit dem vorhandenen, synthetischen Öl / Fett und reduziert die Schmierwirkung drastisch. Obwohl der Synthetikschmierstoff selbst nicht emulsionsfähig ist, ergibt sich durch das Vermischen mit Ballistol eine Quasi-Emulsion, die den Schmierfilm zerstört. Wenn man bedenkt, daß sich der Schlagbolzen der TiPX mir über 100m/s bewegen kann, ist es nicht verwunderlich, daß es dann zum Materialverschleiß kommt. Durch die schnelle Bewegung kommt es zur Schaumbildung, was im Zusammenspiel mit den alkoholischen Bestandteilen des Ballistols zum Auswaschen der PTFE-Ablagerungen aus den Riefen des Metalls führt, die dort eigentlich die Trockenschmierung sicherstellen sollen. Ein Kolbenfresser ist somit vorprogrammiert.
Jetzt noch einmal zum Thema "Ballistol und O-Ringe". Im ersten Teil beschrieb ich die chemische Wirkung des Ballistols auf O-Ringe, jetzt gehts um die mechanische Wirkung. O-Ringe können nicht nur als statische Dichtungen vervendet werden, sondern auch (in begrenzten Maßen) auch als dynamische Dichtungen. Als radiale Dichtung sind O-Ringe ungeeignet, weil sie ständig auf der selben Stelle drehen würden, wodurch der Schmierstoff verdrängt wird und schon nach kurzer Zeit keine ausreichende Schmierung mehr vorhanden ist. Für diesen Anwendungszweck wurde speziell der Simmerring entwickelt. Als axiale Dichtung sind O-Ringe nur dann geeignet, wenn eine ständige Schmierung gewährleistet ist. So z.B. beim Druckregler im Ventil meiner Walther Dominator 1250 (grün und orange dargestellt), wo sie sich am Regulator hin und her bewegen.
Wenn aber der Schmierfilm durch das Ballistol (wie oben beschrieben) zerstört wird, und der O-Ring ungeschmiert immer über dieselbe Stelle rubbelt, verschleißt der O-Ring und wird mechanisch zerstört. Das betrifft auch O-Ringe aus PTFE (Teflon), obwohl sie chemisch gegen Ballistol resistent sind. Weil PTFE-Dichtungen gerade bei den mechanischen Eigenschaften teilweise in der Gruppe D (Für den Einsatzfall nicht zu empfehlen) vertreten sind, werden diese beim Einsatz als dynamische Dichtung dann auch besonders schnell zerstört. Bei fehlender Schmierung sind PTFE-Dichtungen dann besonders anfällig für die sogenannte Spaltenextrusion, wodurch der O-Ring undicht / zerstört wird.
Hier ein paar interessante Links, wo die Vor- und Nachteile verschiedener Öle gut beschrieben werden:
Es wird also deutlich, daß Ballistol Universalöl nur für die Einsatzzwecke benutzt werden sollte, wofür es ursprünglich auch gedacht war: dem Lösen von Verbrennungsrückständen bei Feuerwaffen. Vielleicht noch bei einigen Spezialanwendungen, wie z.B. im Lebensmittelbereich und für das glänzende Fell von Hund, Katze und Meerschweinchen ... aber das war es dann auch schon! Selbst die vor allem bei Jägern verbreitete Annahme, daß Ballistol Universalöl für alle Anwendungsgebiete bei Feuerwaffen die beste Wahl sei, stimmt nicht. Für den Holzschaft und Lederüberzüge gibt es spezielle Mittel, die Ballistol vorzuziehen sind. Das kann man sogar bei Wikipedia nachlesen, um das ich normalerweise einen Bogen mache.
"Als Holzpflegemittel ist Ballistol in Frage zu stellen: Der Bestandteil Weißöl kann unter üblichen Einsatzbedingungen nicht polymerisieren und/oder oxidieren und lagert sich unverändert im Holz ein. Damit ist das Holz für spezifische Holzpflegemittel (Leinöl, Tungöl, Balsamterpentine und Gemische aus diesen und vergleichbaren Stoffen, sowie Wachse und Lacke) schwerer zugänglich und wird schmierig, wenn man es im Übermaß aufträgt. Da Terpentine die enthaltenen Paraffinverbindungen lösen können, wird eine Behandlung vermutlich zumindest erschwert sein.
Für die Lederpflege ist Ballistol aufgrund der niedrigen Viskosität nur eingeschränkt geeignet, da übermäßiges Auftragen dazu führen kann, dass das gesättigte Leder längerfristig Öl an in Kontakt stehende Materialien abgibt. Weiterhin lagert sich Ballistol in die Poren ein, dichtet jedoch nicht dauerhaft ab, im Gegensatz zu Imprägnier-Emulsionen und Suspensionen. Daher ist regelmäßiges Nachpflegen erforderlich."
Bei exzessiver Behandlung von Leder mit Ballistol Universalöl, kann es soweit aufquellen und zerfasern, daß es schließlich auseinander fällt. Gerade für Druckluft- und CO2-Waffen Besitzer gibt es somit kaum ein Anwendungsgebiet, wo Ballistol geeignet wäre - und selbst wenn, gibt es andere, synthetische Öle / Fette, die für den Zweck besser geeignet sind. Meistens richtet man mit Ballistol aber nur Schaden an.
Mein Bekannter drückte sich ungefähr so aus: "Wo moderne Elastomer-Dichtungen und synthetische Hochleistungsschmierstoffe eingesetzt werden, hat weder Ballistol, noch sonst irgendeine Bio-Plörre etwas zu suchen!"
Damit will ich das Thema jetzt aber auch abschließen ...