Verhalten nach Abwehrschuss

Es gibt 60 Antworten in diesem Thema, welches 11.208 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (11. Januar 2005 um 13:59) ist von Dr.König.

  • Zitat

    Original von HWJunkie
    Definiere mal bitte, was du dir unter "wenn mir jemand blöd kommt".
    Gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff heisst der Zauberbegriff.
    Also nur weil jemand einen blöden Spruch ablässt oder dir zunahe kommt, fällt das noch nicht unter Angriff.

    Das ist ein ganz wichtiger Hinweis. Leider besteht allgemein eine ziemlich unzutreffende Vorstellung über die Voraussetzungen des Notwehr und -hilfrechts (als Jurist hat man es da natürlich einfacher, denn dies wird im Studium ja recht intensiv gelehrt und diskutiert). Zwar stellt "Anpöbeln" einen rechtswidrigen Angriff dar (zwar nicht auf Leben und Gesundheit sondern auf die Ehre), die gebotene Notwehrhandlung besteht aber nicht darin, den Pöbler niederzustrecken. Jenseits der erbsenzählender Juristerei sollte man sich immer solchen Situationen durch Flucht entziehen, denn der erfolgreich Notwehrende wird - erst recht unter Verwendung von Waffen, gar Schußwaffen - zunächst als Täter behandelt und man weiß ja zur genüge, was StA und Gerichte von Leuten halten, die Waffen/Schußwaffen (auch nur SSW) benutzen. Also: Aus juristischer Sicht gilt: Aus dem Weg gehen, erst wenn man nicht flüchten oder deeskalieren kann drohen (sinnvoller weise mit Waffe), Warnschuß und erst dann gezielt tätig werden. Dies alles natürlich nur, wenn noch Zeit dafür ist. Ist keine Zeit mehr und der Angriff auf Leib und Leben pp. schon im Gange, kann man, wenn nicht anders möglich, sofort aktiv werden.
    Ich weiß, daß - abgesehen von der grundsätzlichen Ablehnung von SSW als Verteidigungswaffe - geraten wird, sofort und mit aller Kraft zuzuschlagen um sich effektiv verteidigen zu können. Das mag kampftechnisch zutreffend sein. Man hat jedoch später die größten Probleme, sich entsprechend zu rechtfertigen, denn der Benutzer einer SSW ist ja in den Augen derjenigen, die darüber befinden werden, per se nicht besser als der Angreifer, also wird ihm jede auch noch so absurde andere Möglichkeit, sich weniger "kraftvoll" zu verteidigen, vorgehalten. Um das Risiko, später der Dumme zu sein, so gering wie möglich zu halten, muß ich daher zur größten Zurückhaltung raten: Maßnahmen, die die körperliche Integrität des Angreifers beeinträchtigen, sollten wirklich nur als allerallerletzte Möglichkeit ergriffen werden.

    Zitat

    Wenn die anderen in der Überzahl sind: Rennen, was das Zeug hält!

    Man sollte sich trotz SSW in der Tasche immer so verhalten wie ohne. Weglaufen ist, wenn erfolgreich, das allerbeste Mittel. Anders natürlich, wenn ein anderer, der nicht weglaufen kann, angegriffen wird - also bei Nothilfe. Aber auch hier gilt: Zurückhaltung. Erst drohen, dann Warnschuß dann gezielt schießen - sofern es in so einer Situation überhaupt irgendwie erfolgversprechend ist.

    Zitat

    Und selbst wenn du es schaffen solltest, dich wirksam zu verteidigen, die Angreifer haben vor Gericht mehr Stimmrecht als du.

    Das ist das nächste Problem: Wie sieht es in einem möglichen Gerichtsverfahren aus. Natürlich wirkt eine Gruppe orts- oder gerichtsnotorischer Rüpel und Raufbolde weniger glaubwürdig als ein gesetzter und unauffälliger Familienvater bzw. schwächliches Frauchen. Aber auch da können Indizien eine Rolle spielen. Mein Konzept lautet: Die erste Kartusche ist Knall, erst die zweite ist Gas/Spray. So läßt sich durch Indizien belegen, daß zuerst mit Knall gewarnt und erst dann mit Gas/Spray gezielt wurde (die umgekehrte Annahme ist offenkundig absurd).

    Zitat

    Um es auf den Punkt zu bringen: Selbstverteidigung bringt nicht immer etwas. Die Unsicherheit ihrer Wirkung ist so gross, dass man besser darauf verzichten sollte.

    Sie meinen damit sicher nicht: Sich vermöbeln zu lassen. Alles ist besser als dies. Aber wenn Sie damit meinen, dasß Weglaufen besser ist: Auch Weglaufen ist eine Art der Selbstverteidigung. Und wenn möglich zwar nicht mit dem Grundsatz "Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen" übereinstimmend, in unserer gegenwärtigen Gesellschaft pp. aber immer vorzuziehen.

    Beste Grüße

    Dr. Michael König