Vorderlader Grundfragen

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 9.528 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (3. Juni 2010 um 22:06) ist von Rewets.

  • Hallo Alle,

    ich benötige mal ein paar Grundsatzinformationen zu Vorderladern.
    Die Modelle und vor allem Kaliber sind ja unüberschaubar.

    Mal Grundätzlich, Perkussion ist die modernere Entwicklung: Einfacher zu handhaben und zuverlässiger. Richtig?
    Oder spricht, ausser der Nostalgie, etwas für Steinschloß?

    Kaliber. oh man, so viele verschiedene.
    Kann mir jemand, nur Grundsätzlich, sagen welche Pistolen und Gewehrkaliber die größte Reichweite, Durchschlagskraft und Präzision haben.
    Ich weiß das ist von vielen Faktoren abhängig.
    Ist z.B. ein Pistolenkaliber .45 nicht schon zu viel. Sind hier nicht kleinere Kaliber weittragender und präziser?
    Bei Rifles wo ist da der Unterschied zwischen .45 und den über .50ern in bezug auf Durchschlagskraft.
    So ein "Bärentöter" (einläufig) was ist das für ein Kaliber?

    Wo liegen die Unterschiede in den doch sehr erheblichen Preisunterschieden von 200 EUR bis 1000 Eur.
    Sind die italienischen oder spanischen Fertigungen auch so schlecht wie bei den SSW?

    Ja ich weiß, das lässt sich alles nicht so einfach beantworten, aber wie gesagt nur prinzipiell bitte.

    Viele Grüße
    Mike

  • Prinzipiell kannst du nur Modelle frei ab 18 kaufen, deren historisches Vorbild von vor 01.01.1871 stammt. Um damit schiessen zu können, benötigst du neben dem Schwarzpulverschein ( Erlaubnis nach Sprengstoffgesetz § 27 ) das Bedürfnis für den Schwarzpulverschein - also Mitgliedschaft in einem entsprechenden Schützenverein von mindestens 12 Monaten mit Nachweis des regelmäßigen Trainings. Daran hapert es allerdings meist, da immer weniger Vereine die Zulassung für Schwarzpulverwaffen besitzen ( die Auflagen wurden sinnverdrehend extrem angehoben innerhalb der letzten 20 Jahre ).
    Wenn du das alles gemeistert hast, benötigst du eine behördlich abgenommene Aufbewahrungsstelle in deiner Wohnung - das kann von einer abgeschlossenen Holzkiste in vorgeschriebenen Wandungsstärken auf dem Balkon bis hin zu einem leeren Zimmer mit Fenster ( Druckableitung bei Explosion ) und einem darinbefindlichen Tresor gehen - da ist jeder Landkreis unterschiedlich kreativ :wacko: .
    Zum Schiessen gehören dann noch eine Reihe von Zubehörteilen, die man dir im Verein schon genau aufzählen wird - auch da gibt es Unterschiede, was der eine zulässt und der andere verbietet oder vorschreibt.

    Bei den Waffen zählt "You get, what you pay". Billigheimer aus Spanien und auch Italien oder Indien / Pakistan taugen häufig nur mit Perkussionsschloß einigermaßen, da Steinschloß ein Schloß mit härteren Federn und vor allen Dingen einer vernünftig oberflächengehärteten Batterie, sowie einer perfekten Passform und Zusammenspiel der beweglichen Komponenten erfordert. Außerdem sollte, weil sehr häufig auf dem Stand vorgeschrieben, ein Feuerschirm um die Pfanne gehen.
    Bei Steinschloß sind brauchbare Hersteller z.B. Ardesa, unbrauchbare z.B. Pedersoli ( die aber sehr gute Läufe und perfekte Perkussionsschlösser haben bei ansonsten hoher Qualität ) - Pedersoli "frisiert" die weicheren Perkussionsschlösser auf Steinschloß, weshalb es da häufig Schwierigkeiten mit der Zündung gibt.
    Dikar ist z.B ein preiswerter Hersteller, der auch Perkussionswaffen mit guten Matchläufen anbietet, was man da unbedingt haben muss, da die normalen Läufe recht unpräzise sind - solche Waffen eigenen sich mehr für Reenactor, wo nur geböllert wird.
    Das beste Steinschloß habe ich bei meiner ehemaligen neupreußischen Muskete M 1809 aus indisch-pakistanischer Fertigung gehabt - allerdings kann man das nicht verallgemeinern = Ich hatte damals aus den ersten 20 gelieferten Musketen mir die Beste aussuchen können. Von den 20 Stück hatten 11 fehlerhafte bis völlig unbrauchbare Steinschlösser! Der größte Vorteil dieser Fertigung ( gibt / gab es inzwischen auch bei Frankonia ) ist die handwerkliche Fertigung, die historisch korrekt abläuft.

    Was die Kaliber angeht, so kommt es darauf an, was und welche Disziplin geschossen werden soll. Ich habe z.B. Perkussionsdienstgewehr im Kaliber .58 Minie´geschossen, was viel Spaß macht, aber einen 100m Stand erfordert. JustforFun habe ich auch Perkussionspistole auf 25 m geschossen, wobei ich eine eigentlich ungeeignete Pistole im Kaliber .44 benutzte.
    Viele Pistolenschützen schwören da lieber auf Kaliber .36 ( entspricht Patronenkaliber .38 ).

    Wenn du in einem Verein bist und deinen Schwarzpulverschein machst, kannst du auch gleich, da die Sachkunde sowieso mitgemacht wird, hinterher eine WBK beantragen und einen Schwarzpulverevolver dir zulegen, wenn diese Disziplin im Verein angeboten wird ( also vorher den richtigen Verein aussuchen! ).
    Bei den Revolvern ist Pietta ganz brauch- und bezahlbar.

    Mehr kann ich dir im Moment nicht nennen, da meine aktive Schützenzeit doch schon etwas zurückliegt.

  • Ergänzend kann man vielleicht noch erwähnen, dass bei Kaliber oder Zündung eher Vorlieben eine Rolle spielen. Durchschlagskraft zählen überhaupt nicht, denn es wird ausschließlich auf Scheiben und auf genehmigten Schießständen geschossen. Im heimischen Garten ist das verboten.


    Gute Vorderlader mit dazu abstimmter Kugel und Pulvermenge schießen absolut präzise. Ich habe Tests in der Visier gelesen, wo ein Unterhammer-VL Pistole (dort sitzt nur die Zündung direkt hinter den Abzug und unter dem Lauf) präziser schoss, als auf gleicher Entfernung eine nagelneue Sig-Sauer 45ACP Matchpistole.

    Die Frage der Qualität der Waffen lässt sich nicht einfach beantworten. Generell sind das alles scharfe Waffen aus Holz und Stahl. Zinkdruckguss gibt es da nicht. Alle Waffen sind staatlich scharf beschossen, meist (genauso gültiger) spanischer oder italienischer Beschuss.

    Bei billigen VL sind die Läufe brauchbar, wenn auch der Abzug und die gesamte Verarbeitung einfach gehalten ist. Dennoch schießen auch diese Dinger einwandfrei. Selbst mit meinem Kentucky-Bausatz habe ich noch nicht einen einzigen Zündversager gehabt.


    Zum Erlaubnis nach 27 SprengG für den Erwerb des Schwarzpulvers sei noch erwähnt, dass das Mindestalter 21 ist und das Bedürfnis über den Schützenverein belegt werden muss.


    Ansonsten ein schönes Hobby mit Vorteilen. Erwerb der Waffen meist frei, Aufwand für den Pulverschein ist geringer als für eine WBK. Sind die Aufwendungen für diese Erlaubnis bezahlt, ist VL-Schließen eine billige Sache. Teure Waffen natürlich ausgenommen.

    Aber Achtung - es wird weiteres Material benötigt. Zur Waffe, Pulver und Kugeln ist unbedingt noch Ladewerkzeug und meist Schusspflaster und Zündhütchen oder Flintsteine nötig.


    Ach so, gravierender Unterschied zwischen Steinschloss und Perkussion:

    Flintsteine halten nicht lange und müssen gepflegt werden

    Billige Steinschlösser mangelt es an der Härtung. Dann funkt es nicht mehr.

    Reinigung ist aufwändiger als bei Perkussion

    Zwei Pulversorten nötig


    Geschichtlich richtig sind beide Zündungsarten. Steinschloss ist aufwändiger und folglich einiges teurer, aber auch schöner. Daher empfehle ich für den Einstieg ruhig erstmal eine Perkussionswaffe.

  • ergänzend zu Floppyk:
    Durchschlagskraft. Kaliber usw. spielt nur auf der Jagd eine Rolle, die in De. mit VL grundsätzlich erlaubt ist (nur für Inhaber eines Jagdscheines versteht sich) und auch ausgeübt wird, allerdings von einem sehr überschaubaren Grüppchen, weitere Infos findet man über die SPI oder shootoff. (wenn ich nicht irre hatte Visier da auch schon mal einen guten Artikel zu.)

    Alternativ zum losen (Schwarz-)Pulver gibt es auch noch Pellets, die aber eine entsprechende EWB voraussetzen, z.B. Mun.Erwerbsschein, Gelbe WBK (mit Eintrag einer VL-Waffe; Perkussionsrevolver oder VL-Doppelflinte z.B.) oder für Langwaffen halt auch Jagdschein. Diese gelten als hülsenlose Munition und sind genauso zu behandeln.

    Für den Einstieg gibt's auch 4,5mm VL (Pistolen wie auch Gewehre) die mit einer geölten Rundkugel und Zündhütchen unter Verwendung eines speziellen Pistons geschossen werden - die machen Spaß und sind ein preiswerter Einstieg, zum Testen ob VL wirklich was für einen sind, ohne das weitere Erlaubnispapiere (§27SprengG, JS usw.) vorliegen müssen.

    Bilder

    Diese Männer, sanfter als Lämmer,
    sind wilder als Löwen.
    Bernhard von Clairvaux - De Laude Novae Militiae ad milites templi

    Einmal editiert, zuletzt von Duncan (2. Juni 2010 um 14:06) aus folgendem Grund: Bild vom 4,5mm VL angehängt

  • Hallo Duncan,

    da muß ich Dir jetzt leider ein bisschen widersprechen. Ich hab mich auch mal für VL in 4,5mm interessiert und mich hier im Forum durchgefragt. Da war eigentlich kein einziger dabei, der mir dazu geraten hat. Ich hab den Rat befolgt und mir eine Pedersoli Le Page in .44 geholt. Seitdem bekomme ich das Grinsen nichtmehr aus dem Gesicht, wenn ich die Süße am Schießstand ausführen darf.

    Gruß
    Christian

    HW35, HW40, HW45, HW70, RG89, FWB300S, FWB300S Junior, FWB601, Glock FM81, Haenel310, Haenel310Sport, Haenel310, H&K P30, CP99, Pedersoli Le Page Target .44
    coming soon:
    wer in der Demokratie schläft, braucht sich nicht zu wundern, wenn er in der Diktatur aufwacht

  • Ich stimme da mal zu, denn ein 4,5 VL hat an sich nur den Vorteil, dass er zu Hause geschossen werden darf. Da aber die Zündhütchen auch ganz schön Krach machen und es den Nachbarn stören kann, relativiert sich dieser Vorteil schnell wieder.


    Gerade das VL-Schießen macht ja den schönen tiefen, kanonengleichen Bumms, was den besonderen Reiz ausmacht. Hat man erstmal einen Verein für Vl-Schießen gefunden, ergibt sich Rest schnell. Dann ist es auch nicht mehr weit zur eigenen Erlaubnis für das Pulver. Das geht übrigens schneller als eine WBK, denn eine simple Vereinsbestätigung (diesmal nicht der Verband) nach 6 Monaten Mitgliedshaft bescheinigt bereits das Bedürfnis.

  • Nächste Woche dürft Ihr mir die Daumen drücken. Da bin ich bei der Frankonia in Würzburg und mache meinen Vorder- und Wiederladeschein 8o

    Gruß
    Christian

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  • Widersprecht ruhig - ich hatte immer Spaß mit der 4,5mmVLPistole, ich kann nur sagen: ausprobieren, selber Meinung bilden.
    Ich habe hier die Stimmen die abgeraten haben seinerzeit auch gelesen, ich hab's trotzdem gemacht und muss sagen nie bereut.
    (Die die abgeraten haben, haben alle die normalen Standardpistons benutzt, das konnte nichts werden)

    Krach mit Nachbarn relativiert sich, wenn man das mit dem Nachbarn gemeinsam macht. ;)
    Kommt halt auch immer auf die jeweilige Wohnsituation an.
    Aber die 4,5mm machte auch auf dem Schießstand Spaß und schwups waren auch viele LG/LP- Schützen da, die sich für die Ecke wo es kracht und stinkt interessiert haben, auch beliebt zum Weihnachts- und Osterschießen. Und ganz ohne Schein ist auch zum kleinsten "Darfschein" schon ein Vorteil.

    Aber Vereine zum VL-Schießen werden immer seltener, viele Schießstände schon gar nicht mehr auf VL hin abgenommen. Besser wird das alles nicht.
    Zum Rest: ich schieße auch gerne mit KK, mindestens ebenso gerne wie mit meiner .375H&H.
    Und beim Flintenschießen geht die dicke 12er nur noch mit auf Wassergeflügel (Stahlschrot), ansonsten die kleine 20er. Klein aber OHO.
    Bei den VL ist es da nicht anders. :D

    Diese Männer, sanfter als Lämmer,
    sind wilder als Löwen.
    Bernhard von Clairvaux - De Laude Novae Militiae ad milites templi

  • Nächste Woche dürft Ihr mir die Daumen drücken. Da bin ich bei der Frankonia in Würzburg und mache meinen Vorder- und Wiederladeschein 8o

    Gruß
    Christian

    Das klappt schon, keine Sorge. Es ist nicht soviel Theorie wie die WSK.

  • Wo wir gerade bei den VL-Fragen sind - für die Aufbewahrung eines freien VL gibt es auch keine solch strengen Auflagen wie für eine WBK-pflichtige Waffe, verstehe ich das richtig? D.h. ein verschlossener Koffer oder abschließbarer normaler Schrank sind ausreichend?

  • Es dürfen keine Personen unter 18 dran kommen. Wie du das machst, bleibt dir überlassen. Wenn keine unter 18 Jährigen in deine Wohnung kommen, kann der auch offen rum liegen