Vergleich: Kal.35K-Pistolen

  • Heute widme ich mich den wenigen Schreckschuß-Pistolen, die für kurze Zeit in Deutschland zugelassen waren. Leider wurden die PTB-Zulassungen für diese schönen Waffen bereits alle 1990 bzw. 1991 nicht mehr verlängert, nachdem diese Waffen erst 1989 auf den deutschen Markt kamen. So schwenkten die Hersteller auf den Kaliber 9mmPA, dessen Kartuschen erheblich kleiner sind. Im benachbarten Ausland gab es dagegen länger Kal.35K Waffen. Unter anderem auch von deutschen Herstellern wie Umarex (z.B. Reck Miami Mod.35 oder Reck Government Mod.35GS) und auch von ausländischen Herstellern wie beispielsweise die Valtro AP 92 Army im Kaliber .35K. Hauptzielmarkt im Ausland war zum einen Frankreich, wo hauptsächlich Modelle zum Verschiessen der sogenannten Grenaille-Munition (Kal.35GS) abgesetzt wurden, sowie einige osteuropäische Länder (z.B. Moldawien oder Russland). Hier erstmal die vier einzigen Waffen mit PTB-Zulassung:

    Links oben sehen wir die Geco P35-2, rechts oben die fast baugleiche Geco P35, links unten die Röhm RG735 in der vernickelten Version und schließlich rechts unten die Erma EGP881. Um die Waffen vergleichen zu können, habe ich eine Tabelle zusammengestellt. Die Bewertung habe ich in fünf Kategorien unterteilt mit ++ am Besten, danach folgt +, dann o für Neutral, - für unterdruchschnittlich und -- für schlecht. Details zu den Bewertungen habe ich dann in der Beschreibung der einzelnen Waffe aufgeführt.

    Nun zu den einzelnen Waffen und den Hintergründen zu meinen Bewertungen. Fangen wir alphabetisch mit der Erma an:

    ERMA EGP881:
    Neben einer 8mmK-Version (der EGP88) und zwei unterschiedlichen .22LfB-Versionen (EP882 und EP882S) baute Erma auch diese Kal.35K-Version, die sich im Design an der Walther P38 orientiert, allerdings etwas kleiner ist. Die Waffe wurde ursprünglich auch als EGP88 bezeichnet. Erst später wurde sie EGP881 genannt. Die EGP881 gab es ausschließlich brüniert mit den schwarzen Plastik-Griffschalen ab Werk.
    Die Verarbeitung ist Erma-typisch über jeden Zweifel erhaben und die Waffe funktioniert perfekt. Eines der beiden hier gezeigten Fotomodelle wurde letzte Silvester mit 100 Platzpatronen in kurzer Zeit ohne das geringste Problem benutzt.
    Die Sicherung ist manuell, hat eine ordentliche Rastung, wirkt aber nur auf den Schlagbolzen. Der Hahn hat leider keine Sicherheitsrast und liegt auf der Sicherung auf.
    Die Bedienung ist sehr einfach, wird allerdings dadurch getrübt, dass es weder eine Entspannfunktion, noch einen Schlittenfang gibt.
    Die Zerlegung erfolgt durch das herunterklappen des Zerlegehebels um 90 Grad. Danach wird wie bei einer PPK der Abzugbügel nach unten geklappt, welcher nicht federbelastet ist und dann kann der Schlitten in seiner hintersten Position nach oben abgenommen werden. Dies läßt sich aber nur bewerkstelligen, wenn auch das Magazin entfernt wurde, was eine zusätzliche Sicherheit bringt. Hier ein Bild der zerlegten Waffe:

    Die Feder mit ihrer Führungsstange bleibt normalerweise beim Zerlegen sicher in der Waffe. Beim Zusammenbau ist darauf zu achten, dass die Spitze der Führungsstange in der vorgesehenen Vertiefung im Schlitten sitzt, bevor man den Schlitten komplett aufsetzt.
    Da die Firma Erma nicht mehr existiert und die EGP881 nur kurze Zeit gebaut wurde, ist die Ersatzteilbeschaffung nicht ganz einfach. Allerdings sind viele Gleichteile mit der .22LfB- und der 8mmK-Version vorhanden, womit die Beschaffung eigentlich nur für Kal.35K-spezifische Teile problematisch ist.
    Insgesamt ist die EGP881 eine sehr solide und zuverlässige Kal.35K-Waffe, die bei der Benutzung aufgrund Ihres geringeren Gewichtes gegenüber der Konkurenz einen erheblich stärkeren Kaliber vermittelt. Durch die Seltenheit und die damit verbundene Ersatzteil- und Preislage ist es aber eher eine Sammlerwaffe.

    Geco P35:
    Die P35 wurde von der Firma H.S.Waffentechnik für Geco gebaut. Der prinzipielle Aufbau gleicht der P35-2, die im Anschluß beschrieben wird. Vorbild der Waffe ist die SigSauer P225. Leider sind die an der Griffschale zu sehenden Hebel allesamt Attrappen, da es weder einen Schlittenfang, noch eine Entspannfunktion gibt und das Magazin durch den unten am Griffstück zu sehenden Halter entnommen wird. Auch gibt es keine manuelle Sicherung. Lediglich der Hahn besitzt eine Sicherheitsrast. Die P35 gab es ausschließlich brüniert mit den schwarzen Plastik-Griffschalen ab Werk, wobei es eine relativ seltene Version mit Hochglanzbrünierung und teilweiser goldfarbener Beschriftung gab.
    Die Funktion ist nicht immer einwandfrei. Bei etwa jeder vierten Platzpatrone gab es bei meinem Test keinen einwandfreien Auswurf das heißt, die Kartusche blieb hochkant im Schlitten eingeklemmt und verhinderte so die weitere Funktion.
    Die Verarbeitung ist durchschnittlich aber gegenüber einigen anderen Modellen auf dem Markt durchaus als gut zu bezeichnen. Da die Firma H.S. nicht mehr existiert und das Kal.35K-Modell nur kurz gefertigt wurde, ist die Ersatzteillage nicht sonderlich gut. Im Gegensatz zur Erma sind allerdings erheblich mehr Waffen auf den Markt abgesetzt worden und auch das Preisniveau ist nicht so hoch. Ferner gibt es noch eine 9mmPA-Variante (die P225), die einige baugleiche Teile mit der P35 gemein hat, da sie trotz gleicher Optik technisch näher mit anderen Modellen verwandt ist.
    Das Zerlegen funktioniert bei der P35 am besten von allen vier hier verglichenen Modellen, da die Vorholfeder einen Sicherungsring hat und deshalb fest an der Waffe bleibt und ferner eine Führungshülse, was die Montage einfacher gestaltet. Auch der Zerlegehebel ist einfach und wirkungsvoll durch einen federbelasteten Stift gesichert und bleibt beim Zerlegen fest mit der Waffe verbunden. Dieser Hebel wird einfach um 180 Grad nach vorne geschwenkt und dabei der Sicherungsstift kurz eingedrückt und schon kann man den Schlitten in der hintersten Position nach oben abnehmen. Punktabzug gab es nur, weil man theoretisch die Waffe mit eingeführtem Magazin zerlegen kann, was ich als unnötiges Sicherheitsrisiko speziell für unbedarfte Nutzer sehe. Hier ein Bild der zerlegten P35:

    Interessant ist, dass es speziell für dieses Modell ein hervorragend verarbeitetes Lederholster von der Firma Bruno gibt, welches auch perfekt zur P35-2 passt.
    Insgesamt ist die P35 eine solide Waffe, die aber mit der Zeit zu Funktionsstörungen neigt.

    Geco P35-2:
    Auch die Geco P35-2 wurde von H.S.Waffentechnik hergestellt. Die Waffe orientiert sich an der Walther P5. Die Magazine sind baugleich zur oben beschriebenen P35, wobei der Magazinhalteknopf hier nicht Attrappe ist und auch der Entspannhebel sich bewegt, aber leider keine Funktion hat. Interessant ist, dass die P35-2 eine der wenigen SSW’s ist, deren Hülsenauswurffenster linksseitig sitzt. Auch die P35 gab es ausschließlich brüniert mit den schwarzen Plastik-Griffschalen ab Werk.
    Die Sicherung ist genau wie beim Schwestermodell gelöst und beinhaltet nur eine Hahn-Sicherheitsrast. Die Zerlegung funktioniert analog zur P35, allerdings mit dem Unterschied, dass der Zerlegehebel entfernt wird und damit leichter abhanden kommen könnte. Auch hier läßt sich die Waffe leider mit eingeschobenen Magazin zerlegen. Hier ein Bild der zerlegten P35-2:

    Die Funktion der Waffe war bei meinen ausgiebigen Tests nicht zuverlässig. Etwa jede sechste Kartusche verklemmte sich wie auch bei der P35 beim Auswurf und blockierte damit die Waffenfunktion. Die Bedienung und die Verarbeitung sind analog zum Schwestermodell und deshalb gehe ich hier nicht weiter darauf ein.
    Die Ersatzteillage ist gegenüber den anderen Modellen nicht so gut, da es kein Schwestermodell mit dieser Bauform in einem anderen Kaliber gibt und nur wenige Teile mit der P35 austauschbar sind. Ferner ist die Waffe seltener als die P35.
    Insgesamt ist auch die P35-2 eine solide Waffe, die nicht immer störungsfrei funktioniert.

    Röhm RG735:
    Die RG735 ist eine solide SSW, die es brüniert und (wie hier abgebildet) vernickelt gab.Wie auf dem Bild zu sehen, waren auch bei der vernickelten Version einige Funktionsteile (Hahn, Schlittenfang, Abzug, Magazin) brüniert. In ausgiebigen Tests liessen sich auch über 100 Schuß einwandfrei verbrauchen, wobei das hier abgebildete Fotomodell normalerweise noch jungfäulich in der Orginalverpackung ruht.
    Die RG735 ist die einzigste Waffe im Test, die eine Hahn-Sicherheitsrast und eine manuelle auf den Schlagbolzen wirkende Sicherung besitzt. Auch besitzt die RG735 als Einzigste einen Schlittenfang und dadurch bedingt auch einen Schieber am Magazin, durch den das Laden erheblich einfacher ist. Somit gewinnt sie neben der Rubrik Sicherheit auch die Rubrik Bedienung. Komisch ist allerdings die Konstruktion des Magazinhaltehebels, da bei genauem Hinsehen zwei hintereinanderliegende Hebel verbaut sind, wobei der erste das Magazin hält und der zweite den ersten federbelastet. So ungewöhnlich diese Konstruktion ist, läßt sie sich doch einwandfrei bedienen.
    Die Verarbeitung ist gut, kommt aber nicht ganz an die Erma ran, wobei ich bei der RG735 schon zwischen + und ++ schwankte. Die Ersatzteillage ist aufgrund der kurzen Bauzeit nicht rosig, aber einfacher als bei allen anderen Kanidaten, da der Hersteller Röhm noch existiert und dieser damals nach dem Bekanntwerden der Zulassungseinstellung für Kal.35K-Waffen in Deutschland schnell die RG735 zur RG725 im Kaliber 9mmPA umkonstruierte, womit beide Waffen relativ viele Gleichteile haben. In der ersten Version (bis etwa 1995 gebaut) war z.B. lediglich das Patronenlager gekürzt und alles andere inklusive der Kal.35K-Magazine gleich. Danach wurde überarbeitet mit passendem Magazin.
    Die Zerlegung erfolgt wie bei einer PPK durch nach unten ziehen vom federbelasteten Abzugbügel, was nur funktioniert, wenn kein Magazin in der Waffe steckt. Danach kann auch hier der Schlitten in seiner hintersten Position nach oben abgenommen werden. Leider hat die RG735 keine Führungshülse oder gar Sicherhungsring wie bei den beiden Geco’s in diesem Test, so dass die Vorholfeder beim Zusammenbau vorsichtig eingeführt werden muss. Hier ein Bild der zerlegten Waffe:

    Insgesamt ist die RG735 eine sehr solide und einwandfrei funktionierende SSW, deren Gebrauchtpreise allerdings nicht mehr als billig zu bezeichnen sind. Ferner sollte man über große Hände verfügen, da der Griff einen erheblich größeren Umfang als bei den drei anderen Kanidaten hat. Wenn man auf vernickelte Waffen mit Holzgriffschalen steht, bleibt einem eh’ keine Alternative in diesem Quartett.

    Als Fazit kann ich sagen, dass alle vier Kanidaten im Vergleich zu vielen anderen SSW’s auf dem Markt relativ gut verarbeitet sind und die Erma und Röhm die einzigen sind, die wirklich perfekt funktionieren. Bei sehr großen und schnellen Schußfolgen ist die Röhm hier sogar noch etwas im Vorteil aufgrund der wohl zu eng gewählten Toleranzen bei Erma (Kartuschenmunition macht halt mehr Dreck als "scharfe" und deshalb passen die engen Toleranzen von scharfen Waffen nicht umbendingt zu einer SSW). Einen klaren Gewinner gibt es trotzdem nicht, da alle vier Waffen einen unterschiedlichen Geschmack ansprechen, jeder die verschiedenen Rubriken unterschiedlich bewertet und preislich auch größere Diskrepanzen herrschen. Zum Führen sind alle nur bedingt geeignet, da sie abgesehen von Größe und Gewicht keine perfekten Sicherungen bieten. Der intensiven Benutzung als „Arbeitstier“ stehen Ersatzteillage und teilweise das Preisniveau entgegen.
    Diesen kleinen Test habe ich nach besten Wissen und Gewissen geschrieben. Wenn Ihr Fehler entdeckt oder weitere Details habt, dann meldet Euch per PN.
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    Hier noch ein kleiner Nachtrag zum Test. Zum einen wollte ich Euch zumindest ein Bild der beiden Kal.35-Waffen von Reck zeigen, die beide leider keine PTB-Zulassung besitzen:

    Desweiteren noch ein paar Details über die Modellpflegemaßnahmen der Geco P35. Hier wurden sowohl die Magazine überarbeitet, als auch der Schlitten. Zuerst zu den Magazinen. Während die ersten Modelle noch einen vierfach gecrimpten Magazinboden und einen flachen Stahlblech-Patronenzubringer aufweisen, besitzen die späteren Magazine einen nur zweifach gecrimpten Magazinboden und einen höheren Druckguß-Patronenzubringer. Hier ein Bild von den Unterschieden beider Magazine:

    Wie geschrieben, wurde auch der Schlitten überarbeitet. Neben Kleinigkeiten wie den mehrfachen Materialwechsel beim inneren Gummipuffer (siehe auf dem Bild der zerlegten P35 weiter oben das rötlich-durchsichtige Teil am vorderen Ende im Schlitteninneren. Die Teile gab’s auch in grau oder weiß aus verschiedenen Materialien) wurde später auch eine Vorholfederstange durch eine entsprechende Einprägung am Schlitten unter der Mündung vorgetäuscht. Hier ein Bild der verschiedenen Mündungsbereiche:

    Ferner möchte ich noch der Vollständigkeit erwähnen, dass die P35 neben der Hahnrast auch über eine automatische Schlagbolzensicherung verfügt. Dies hatte ich in meiner Beschreibung und in der Übersichtstabelle vergessen.
    Abschließend möchte ich mich hier noch beim User „colt_user“ bedanken, der mich auf diese Details aufmerksam machte und mir Detailbilder seiner frühen P35 nebst Magazin zur Verfügung stellte.