Zielfernrohr und Prellschlag

  • Zielfernrohr und Prellschlag

    Nahezu alle Zielfernrohre sind primär für den Einsatz auf Feuerwaffen ausgelegt. Auf einer normalen Feuerwaffe muss ein ZF also dauerhaft funktionieren! Feuerwaffen mit besonders heftigem Rückstoß benötigen natürlich schon robuste Zielfernrohre.

    Was passiert bei der Schussabgabe einer Feuerwaffe?

    Das Geschoss beschleunigt nach vorne, dabei "stützt" es sich zwangsläufig am System der Waffe ab, weshalb dieses sich nach hinten bewegen muss! ...actio=reactio= Rückstoß.
    Das System der Waffe und damit auch das darauf montierte Zielfernrohr bewegen sich ruckartig nach hinten. Alle optischen und mechanischen Komponenten im Zielfernrohr werden gegen ihre Massenträgheit nach hinten beschleunigt.
    Hersteller von Zielfernrohren legen also üblicherweise ihre für Feuerwaffen ausgelegten ZF´s so aus, dass sie einen Rückstoß schadlos überstehen. Alle inneren Bauteile sind also nach vorne perfekt abgestützt. Das sind nicht nur die Linsen, die man sieht. Jedes ZF mit "Türmchen" besitzt einen Innentubus im Zielfernrohr, d.h. ein innen liegendes zweites Rohr mit einer weiteren Linsengruppe und dem Absehen, welches sich durch die "Türmchen" nach links/rechts und nach oben/unten schwenken läßt. Die Aufhängung dieses Innenrohrs im ZF ist mechanisch nicht einfach.

    Was passiert nun in einem harmlosen Federdruckgewehr, was für eine Zielfernrohr zerstörender wirken könnte als auf einer mächtigen Großkaliber-Waffe?
    Bei der Schussabgabe schnellt der Kolben nach vorn, genauso wie das Geschoss einer Feuerwaffe. Dementsprechend resultiert daraus
    ein Rückstoß der Waffe und damit auch ein Rückwärtsschlag für das Zielfernrohr. Erst einmal alles wie bei der Feuerwaffe.
    Bei der Feuerwaffe verläßt dann allerdings das Geschoss den Lauf. Es bleibt bei dem Rückstoß!
    Bei der Federdruckwaffe schlägt aber kurz nach der Schussabgabe der Kolben mehr oder weniger hart vorne auf dem Boden der Kompressionshülse auf (bzw. auf das hoffentlich vorhandene Luftpolster). Das führt zu dem gefürchteten Prellschlag. Das System der Federdruck-Waffe - noch in der Rückwärtsbewegung als Reaktion auf den nach vorne schnellenden Kolben - wird sehr, sehr plötzlich wieder nach vorne beschleunigt. Aufgrund dieser extrem abrupten Umkehr der Bewegungsrichtung des Systems des Gewehrs und damit auch des fest darauf gekoppelte ZF's wirken außerordentlich große Beschleunigungen, wie sie systembedingt bei einer Feuerwaffe nicht entstehen können.
    Das Bild unten zeigt die Beschleunigung der Zielfernrohr-Montage bei bei Abgabe eines Schusses mit einer 7,5J HW 97k. Die Messungen wurden durchgeführt mit einem Schwingungsmessgerät von Bruel&Kjaer.
    Der Schuss wird ausgelöst zum Zeitpunkt t=0,27s und etwa zum Zeitpunkt t=0,6s ist die Waffe wieder zur Ruhe gekommen (ab t=0,40 wurde der weitere Verlauf nicht mehr aufgezeichnet).

    Dem Diagramm lassen sich drei Sachverhalte entnehmen:
    1.Die maximale Beschleunigung bei dieser 7,5J HW 97K beträgt etwa 560 m/s² oder 56g.
    2.Der Zeitraum heftiger Beschleunigung beträgt etwa 0,05 sec
    3.Bis das Gewehr wieder zur Ruhe kommt vergehen etwa 0,3 –0,4 sec (die blaue Linie muß man sich fortgesetzt denken bis sie wieder die Null-Linie erreicht)

    Die plötzliche Gegenbeschleunigung des Federdruckgewehrs wird begleitet von hochfrequenten Schwingungen, durch die auch aufprallende und sich erst langsam beruhigende Feder des Federdruckgewehrs.
    Die innere Mechanik eines Zielfernrohrs auf Federdruckgewehren muss also nicht nur ausgelegt sein für die extremen Rückwärts/Vorwärts-Beschleunigungen, sondern auch auf diese für eine Feuerwaffe völlig unüblichen hochfrequenten Schwingungen, die alles im Inneren eines ZF´s innerhalb von Millisekundenbruchteilen hin- und herrütteln.

    Das hält kaum ein ZF aus. Deshalb ist es so extrem schwierig, ein einigermaßen standfestes Glas für ein Federdruckgewehr zu finden.