So, hier eine längere Beschreibung von dem was ich jetzt nach weiteren 5 Stunden Suche zusammengetragen habe.
Eine Kernfrage von mir war ja:
Darf ich ohne besondere Lizenzen/Berechtigungen/Genehmigungen Pyromunition mit einer SSW (mindestens an Sylvester) verschießen?
Was ich diesbezüglich immer wieder gelesen habe war, dass neben den Anforderungen an Waffe und Munition noch zu beachten sei, dass man Pyromunition nur innerhalb eines befriedeten Geländes schießen darf, und auch nur dann, wenn die pyrotechnische Munition das Grundstück nicht verlässt bzw. nicht verlassen kann, bzw. nicht verlassen könne. --> Und das sind drei völlig unterschiedliche Aussagen.
Was steht nun im Gesetz : WaffG §12, (4) 1.a (Fassung vom 19. Juni 2020):
„mit Schusswaffen, deren Geschossen eine Bewegungsenergie von nicht mehr als 7,5 Joule (J) erteilt wird oder deren Bauart nach § 7 des Beschussgesetzes zugelassen ist, sofern die Geschosse das Besitztum nicht verlassen können,“
Was bedeutet nun „können“ in diesem Zusammenhang ?
An manchen Stellen/Quellen im Internet (FAQs, Infos von Verkäufern, Infos in Foren, etc.) wird genau diese Frage thematisiert.
Dort taucht auch immer mal wieder der Bezug zu einer Stellungnahme des BMI aus dem Jahre 2004 auf. Dort würde sinngemäß stehen, dass bei Beachtung der Verwendungssicherheit (bei Pyromunition nur senkrecht nach oben schießen) anzunehmen sei, dass das Geschoss das Gelände nicht verlassen könne. So eine Information vom BMI käme einer Ausführungsbestimmung gleich.
Dieses Schreiben des BMI habe ich aber leider nirgendwo im Netz gefunden. (Wer es hat, bitte Scannen und in diesem Beitrag posten. Wie gesagt: Ich suche immer die Quellen)
So findet man also im Internet (Foren , Händler, etc.) z.B. folgende Informationen.
- „Da die Flugweite bei einem 40° Schuß mit Geschossen, die Eigenantrieb besitzen, bis zu 100 m beträgt wird man nicht umhinkommen, eine Weide oder sehr große Wiese aufzusuchen. Diese praktische Einschränkung wird aber durch eine Stellungnahme des BMI relativiert. Darin heißt es, daß beim Schießen mit Signalwaffen nur auf Verwendungssicherheit zu achten ist. Für Euch heißt das: NACH OBEN! Das Schießen auf der Straße ist aber nach wie vor nicht gestattet.“
- „Grundsätzlich gilt: Das Schießen pyrotechnischer Munition an Silvester ist auch mit erlaubnisfreien Schreckschusswaffen nur auf dem privaten Grundstück erlaubt – und auch nur dann, wenn die Vorgaben der Verwendungssicherheit, also Schießen senkrecht nach oben und nicht in der Nähe von leicht brennbaren Objekten, eingehalten werden. „“
- „Das Abschießen von pyrotechnischer Munition zu Silvester vom eigenen befriedeten Besitztum oder vom befriedeten Besitztum eines anderen mit Zustimmung des Inhabers des Hausrechts ist frei von waffenrechtlichen Erlaubnispflichten zulässig, wenn es den Vorgaben der Verwendersicherheit (also Schiessen senkrecht nach oben, nicht in der Nähe von leicht brennbaren Objekten, usw.) entspricht.“
- Normaler Weise dürfen Geschosse das Grundstück nicht verlassen (§4, 1a), WaffG). Hier kommt aber auch die "Verwendungssicherheit" zum Tragen, die das Abfeuern daheim erlaubt.
Bei der geringen Reichweite von Pyros, dürfte ein Sicherheitsbereich von ca. 30-50m rund um den Schützen ausreichen. Ein Balkon oder der zwei Meter breite Vorgarten sind mit Sicherheit nicht der richtige Abschussort für Pyros!
Wenn ich das als Freizeit-SSW-Nutzer lese, dann hört sich das tendenziell so an, dass es eher kein großes Problem sein sollte, an Sylvester vom eigenen Grundstück aus Pyromunition zu schießen.
Fündig geworden bin ich dann über einen Forenbeitrag. Dort wurde folgende Aussage zitiert:
- „Entscheidend für die entsprechende Freistellung ist gemäß deren Wortlaut allein der Umstand, dass die betreffenden Geschosse das befriedete Besitztum „nicht verlassen können“, so dass es insoweit nicht auf eine zufällige oder sogar „glückliche“ Rückkehr der Geschosse auf das entsprechende befriedete Besitztum, sondern auf ein vom Schießenden auch unter Berücksichtigung widriger Einflüsse (z. B. Neigung Waffe; Wind) von vornherein sichergestelltes entsprechendes Verbleiben der Geschosse ankommt. „
Diese Aussage habe ich dann in der „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz“ (WaffVwV) gefunden.
Und dort habe ich dann die amtliche Antwort auf meine Frage gefunden.
Interessant ist in dem Zusammenhang die Entstehungsgeschichte des WaffVwV.
Wenn man diese nachvollzieht ergeben sich sehr eindeutige Hinweise/Antworten auf :
- Was bedeutet "Gelände nicht verlassen können" konkret bzw. was ist mit dieser Formulierung beabsichtigt. ?
- Handelt es sich bei pyrotechnischer Munition doch überhaupt um ein "Geschoss" im Sinne vom WaffG §12, (4) 1.a ? Wenn nicht, dann wäre der "1.a" ja überhaupt nicht relevant.
Die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift aus dem Jahre 2006 kann man hier nachvollziehen.
27.01.2006: Der erste Entwurf für diese Verwaltungsvorschrift wird vorgelegt.
27.3.2006 : Kommentierung/Empfehlung der Ausschüsse wird vorgelegt.
- https://dserver.bundestag.de/brd/2006/0081-1-06.pdf
- Dort ist der Punkt 43 interessant. Dort wird empfohlen, dass man den oben zitierten Wortlaut anpassen solle.
„Anmerkung/Empfehlung
Zu Abschnitt 1 Nr. 12.4.1 Abs. 1 Satz 1 In Abschnitt 1 ist in Nummer 12.4.1 Abs. 1 Satz 1 nach den Wörtern „nicht verlassen“ das Wort „können“ einzufügen. - Die Begründung für die empfohlene Änderung lautet:
Begründung: Entscheidend für die entsprechende Freistellung ist gemäß deren Wortlaut allein der Umstand, dass die betreffenden Geschosse das befriedete Besitztum „nicht verlassen können“, so dass es insoweit nicht auf eine zufällige oder sogar „glückliche“ Rückkehr der Geschosse auf das entsprechende befriedete Besitztum, sondern auf ein vom Schießenden auch unter Berücksichtigung widriger Einflüsse (z. B. Neigung Waffe; Wind) von vornherein sichergestelltes entsprechendes Verbleiben der Geschosse ankommt. Gerade auch bei Verwendung pyrotechnischer Munition/Geschosse wird somit in Anbetracht von unter Umständen erheblichen Steighöhen/Reichweiten ein erlaubnisfreies Abschießen nur aus zentraler Position auf ausreichend großen Grundstücken u.ä. in Betracht kommen, ein Verschießen etwa aus Vorgärten oder Innenhöfen jedoch - unabhängig vom tatsächlichen Niedergang - ebenso ausscheiden wie ein Abfeuern vom Balkon.“
13.10.2006: Finale Beschlussfassung über die Verwaltungsvorschrift
- https://dserver.bundestag.de/brd/2006/0081-06B.pdf
- Siehe dort den Beschluss Nr.42 : Entsprechend der obigen Empfehlung wurde die Änderung beschlossen. Die Begründung findet sich zwar nicht im finalen Text der Verwaltungsvorschrift, aber ist in in diesem hier erwähnten Dokument rechtssicher hinterlegt.
Und daher ist meine ganz persönliche Interpretation auf meine eigene ursprüngliche Fragestellung.
Wenn ich völlig legal, ohne weitere Lizenzen/Genehmigungen/Berechtigungen mit einer SSW pyrotechnische Munition verschießen will, dann muss ich bereits vor dem ersten Schuss sicherstellen, dass die pyrotechnische Munition das befriedete Gelände, auch bei „widrigen Einflüssen (z.B. Neigung Waffe, Wind), nicht verlassen kann.
Und das kann ich eigentlich bei pyrotechnischer Munition , deren Flugbahn nicht so einfach vorher bestimmt werden kann nur, indem ich einen sehr großen Abstand zu den befriedeten Grundstücksgrenzen einhalte.
Und vor allem müsste ich vorher mindestens wissen, wie hoch (und damit auch wie weit) die konkrete Munition den tatsächlich mit meiner Waffe kommen könnte. Klar gibt es Munition bei der man davon ausgehen kann dass sie in keinem Fall höher/weiter als 50 Meter kommen.
Diese 50 Meter müsste man dann ja fast schon als Abstand zu jeder Seite kalkulieren --> 2500m2 großes quadratisches befriedetes Grundstück.
Und selbst wenn ich als widrigen Fall annehme, dass ich in keinem Fall nach hinten abschießen werde, sind es immer noch 1250m2 in Schussrichtung.
Jetzt schaue ich aber mal in die offiziellen technischen Daten einer "Umarex Rom Bouquet Rise" Munition.
- Umarex Rom Bouquet Rise
- zweistufige Raketengeschosse
- Steighöhe max. 100 m
Auch wenn da "maximal" steht, müsste man genau diesen Wert als Kalkulationsbasis nehmen.
Und da landen wir schon bei einem Grundstück von 10.000m2 oder 5.000m2 in Schussrichtung.
So ein großes Grundstück haben wahrscheinlich die wenigsten von uns. Also ich habe es jedenfalls (noch ) nicht. So gesehen werden die wenigsten die Vorgabe des WaffG §12, (4) 1.a bei pyrotechnischer Munition einhalten können.
Der Gesetzgeber hat mit der WaffVwV klar formuliert, was seine „Interpretation“ des WaffG, §12 (4), 1 ist.
Jetzt muss man natürlich berücksichtigen, dass "Allgemeine Verwaltungsvorschriften" Rechtsnormen sind und - im Gegensatz zu Gesetzen oder Verordnungen – keine Rechtsvorschriften sind. Also für ein Gericht sind diese keine verbindlichen Rechtsvorschriften. Aber ich würde mal davon ausgehen, dass in konkreten Fällen ein Gericht die Interpretation aus der Beschlussfassung der Verwaltungsvorschrift in seiner Beurteilung berücksichtigen würde. Die Verwaltung selber (Polizei, Behörden, etc.) ist aber in jedem Fall an die Verwaltungsvorschrift gebunden, wenn es darum geht, ob sie ein Vergehen annehmen oder nicht. Dort gibt es keinen Spielraum.
Also im Falle eines Falles könnte man diesen dann nur vor Gericht klären lassen.
Und da steht dann im Raum: --> Vergehen gegen WaffG, §12 (4). Und zwar selbst dann, wenn man faktisch nachweisen könnte, dass die konkret verschossene Munition auf dem eigenen Gelände geblieben ist.
Das immer wieder erwähnte Schreiben des BMW aus dem Jahre 2004 wäre allerdings in jedem Fall spätestens mit dem Inkrafttreten der WaffVwV Verwaltungs-Vorschrift in 2006 nicht mehr relevant, da überholt.
Schlusssatz:
Auch ich vermute zwar, dass wann an Silvester rundherum die Raketen und Batteriefeuerwerke herumfliegen, es sehr schwer sein wird ein Vergehen in diesem Punkt festzustellen oder gar nachzuweisen. Aber insbesondere an einem Silvester mit deutlich weniger FF2 Feuerwerk (Verkaufverbot), wäre ich das sehr viel vorsichtiger.
Aber legal ist es aus meiner Sicht aber trotzdem nicht.
Mit meinen Quellen kann sich ja jeder selbst ein Bild machen und seine eigene persönliche Entscheidung/Interpretation treffen.