Ein ganz spezielles Taschenmesser

Es gibt 25 Antworten in diesem Thema, welches 6.042 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (2. Juli 2021 um 05:51) ist von Schultz.

  • In der letzten Visier-Ausgabe wurde in einem sehr ausführlichen Artikel das ultimative „Taschenmesser“ vorgestellt. An diesem Wunderding haben die besten der besten Messerkünstler im deutschsprachigen Raum, jeweils in ihrem Spezialgebiet mitgewirkt. Entstanden ist ein Wunderding, dessen Preis nicht ermessbar ist, und wenn überhaupt wohl im Bereich eines Mercedes der C- wenn nicht gar E-Klasse anzusiedeln wäre.
    Als Zugabe gab es in dem Artikel eine interessante Geschichte über Akio Morita, den Gründer von Sony!!, den der Autor (Guido J. Wasser), in den 80er Jahren zum ständigen Tragen eines Taschenmessers überreden konnte.
    Nun bin ich ja eigentlich gar kein Messer-Träger, aber jetzt wollte ich auch eins. Für jeden Tag … klein, leicht, praktisch aber auch sehr schön, besser gesagt „edel“.
    Nach einigem Überlegen sollte es ein „Schweizer“-Taschenmesser werden, mit mindestens Messer, Säge, Korkenzieher. So wie das oben erwähnte Supermesser. Eine Schere zusätzlich wäre auch nicht schlecht.

    Meine Maximalanforderungen an ein Taschenmesser wurden von dem Wenger Evo 17 erfüllt. Das gibt es als EvoWood mir Walnussgriffschalen. Gekauft…..obwohl schon beim Kauf klar war, dass diese Griffschalen etwas deutlich Edlerem weichen müssen.

    Koste es, was es wolle! Was wären die perfekten Griffschalen?
    Elfenbein, Mammutelfenbein? Gibt es ganz legal zu kaufen, aber man muss immer die Legalitätspapiere mit sich führen.
    Perlmutt? Knochen? Horn? Seltenes Holz?
    Nach einiger Suche fiel meine Wahl auf Wüsteneisenholz.
    Wüsteneisenholz in Maser Qualität gehört zu den seltensten und teuersten Hölzern auf dieser Erde.
    Im Messerforum sagt „Guenter“ dazu:
    „ Das Holz ist von einem Baum mit dem botanischen Namen "Olneya tesota" und wächst nur in Wüstengebieten Mexicos und der südlichen USA. Um auch jegliche Gegner der Verwendung von Tropenholz zu beruhigen: der Baum steht unter strengstem Naturschutz und darf nicht geschlagen werden. Es werden ausschließlich abgestorbene Baume gesucht und eingesammelt. In der Wüste um Sonora/Mexico haben die dort ansässigen Indianer das alleinige Verwertungsrecht.
    Das Holz ist sehr hart, da es vollkommen ausgetrocknet ist und daher auch nicht mehr schrumpft. Es soll giftige Substanzen enthalten, angeblich Arsen, auf jeden Fall reizt der Schleifstaub stark die Atemwege (Schutzmaske tragen beim Schleifen).
    __________________
    Gruß
    Guenter“

    Zwei gepaarte Brettchen Wüsteneisenholz gekauft und eine Paar bereits auf grobes Maß gesägt/gefräst.
    [IMG=https://www.co2air.de/wbb3/index.php…46b1826277e62b3]

  • Der zweite Bearbeitungsschritt war der Schwierigste. Ich besitze nur eine kleine, billige „China-Fräsmaschine“. Nötig wäre hier eigentlich eine CNC Maschine, mit der sich beliebige Konturen fräsen lassen. Manuell die Negativkonturen des Messers in das Holz zu fräsen und zu schnitzen (wo der Fräserdurchmesser zu groß ist) hat einigen Stunden gedauert. Hier erkennt man, dass einige Bereiche der Innenschale 1/10 Millimeter tiefer ausgefräst wurden, um die geprägten (ausgebuchteten) Bereiche der Stahlwangen perfekt aufnehmen zu können.

    [IMG=https://www.co2air.de/wbb3/index.php…8418d83d72d3da8]

  • Die Original Holzgriffschalen des Wenger Evo Wood sind mit einem Doppel-Klebe-Vlies auf die äußeren Wangen aufgeklebt. Allein sie abzubekommen und dann das Messer von den Kleberückständen zu reinigen war nicht einfach.
    Natürlich sollten die neuen Eisenwüstenholz-Griffschalen aufgeschraubt werden, keinesfalls geklebt. Aber wie? Erst habe ich überlegt, alle genieteten Achsen des Messers durch verschraubte Achsen zu ersetzen. Das lohnt aber kaum bei einem 40 Euro Messer, da kann man lieber im Ernstfall das ganze Messer zwischen den Griffschalen austauschen. Die Original-Achsen haben zwar einen „Kopf“ von etwa 4mm innen aber nur einen Durchmesser von 2,5mm. Wie will man da ein Gewinde hineinschneiden?
    M 1,6!
    Jeder, der schon einmal ein M2 Gewinde manuell geschnitten hat, weiß wie schwierig das ist. Einen Satz M 1,6 Gewindeschneider gekauft und unterschiedliche Schrauben in 1,6. Torx schien mir am geeignetsten. Je kleiner die Gewindeschneider und Schrauben werden, um so teurer werden sie leider. Bohren mit 1,2mm…. Das Messer wird mit Hilfe der gerade gefertigten passgenauen Schalen-Rohlinge eingespannt.

    [IMG=https://www.co2air.de/wbb3/index.php…477c0ceda6789b7]

  • In die frischen Gewinde wurden kleine, spitze Dorne eingefügt, die Griffschalen wieder aufgesetzt und dann von innen – genau bei den entstandenen Markierungen – die Griffschalen mit einem 1,6mm Bohrer durchbohrt. Jetzt konnte man die „Klötzchen“ schon an das Messer schrauben.

    [IMG=https://www.co2air.de/wbb3/index.php…201c6a057dc3dd8]

    Auf dem Foto erkennt man zwei kleine "Löcher" im Holz (z.B. etwa 1cm rechts neben der linken Schraube), die sich leider genau auf der freigelegten Schnittebene
    befanden.
    Diese Arbeiten mussten unbedingt erledigt werden, solange sich die neuen Griffschalen noch in den Schraubstock einspannen ließen, weil schön rechteckig. Danach wurden die Klötzchen auf eine Dicke von 5,5mm herunter gefräst und sehr sorgfältig von außen eine Senkung für die Torx-Schraubenköpfe von 3mm Durchmesser und 1mm Tiefe eingebracht.

  • Damit war die Fräse am Ende. Hier begann der künstlerische Teil der Arbeit. Mit der Mini-Schleifmaschine (ich benutze keinen Dremel, sondern seit Urzeiten Proxxon, allerdings teils mit Dremel Werkzeugen) wurde zunächst jede Griffschale einzeln in der Außenkontur auf Form gebracht.
    Linke und rechte Schale sind ja unterschiedlich. Anschließend wurden beide Schalen mit einem auf 1,6mm reduzierten Zahnstocher „verstiftet“ und noch einmal so überarbeitet, dass sie Außenkontur übereinstimmt.

    [IMG=https://www.co2air.de/wbb3/index.php…ea64b41028e062e]

  • Nach dem Zwang der Passgenauigkeit folgte der wirklich schöne Teil der Arbeit. Gestalten und formen.
    Absolut „freihand“ mit Minischleifmaschine, Feilen, Schleifpapier bis 1200er und Schaftöl entstanden dann die diese Handschmeichler.

    [IMG=https://www.co2air.de/wbb3/index.php…891906bc983a46e]

    Hier im Vordergrund noch die Original-Griffschale aus Walnussholz.

  • Desert Ironwood habe ich ebenfalls für besondere Messer verwendet, es gibt keine schöneren Hölzer!

    Zu bearbeiten nur mit der Eisenfeile, das Holz ist ultrahart und vorneweg 500 Jahre alt.

    Musashi: sehr gute Arbeit! Du hast damit ein einmaliges Stück geschaffen, was es kein zweites Mal gibt.

    Gruß Ralf

    Ich bremse auch für Beamte!
    Hirnschrittmacher für alle.............Volker Pispers

  • Auf jedenfall Schick, aber ich hätte es nicht gemacht!
    Es gibt Messer die aufjedenfall Gebrauchsgegenstände sind. Die eine oder andere Harte Behandlung hat so ein Messer schon zu Verkraften, und dementsprechend hätte ich mir kein Holz für ca. 40 € (stimmt doch oder?) Gekauft.
    Anbei mal ein Bild von meinem Spartan...die Griffschalen hab ich im Nachhinein mit Sandpapier behandelt, weil die Griffschalen angeschmolzen waren. Jaja, Feuer ist nicht Gut für Plastik aber dann mit Holz?

  • Super klasse geworden, Bernard. Das Holz ist echt einmalig schön.
    Edit: Ich denke, Messingschrauben würden zu dem Holz noch besser passen. Evtl. sogar vergolden. Das wird dann auch höchsten Ansprüchen gerecht.

    Gruss Ralph
    ***16 Joule für alle. Europa, nicht nur auf der Autobahn.***
    Mitglied im 1.DFTC2000 e.V. FWR #30598

    Einmal editiert, zuletzt von carfanatic (6. August 2011 um 17:54)

  • Auf jedenfall Schick, aber ich hätte es nicht gemacht!
    Es gibt Messer die aufjedenfall Gebrauchsgegenstände sind. Die eine oder andere Harte Behandlung hat so ein Messer schon zu Verkraften, und dementsprechend hätte ich mir kein Holz für ca. 40 € (stimmt doch oder?) Gekauft.
    Anbei mal ein Bild von meinem Spartan...die Griffschalen hab ich im Nachhinein mit Sandpapier behandelt, weil die Griffschalen angeschmolzen waren. Jaja, Feuer ist nicht Gut für Plastik aber dann mit Holz?


    Mit ein paar Kratzern und Gebrauchsspuren bekommt das Messer noch mehr Charakter, wenn es Musashi denn benutzt.

    Die Holzgriffschalen sehen auf jeden Fall super aus! Gefallen mir wirklich sehr gut. Auch die hellen Torx-Schrauben passen dazu. :thumbsup:

  • Danke für die freundlichen Antworten :^)
    Und mal ganz ehrlich: Ich habe zwischendurch öfters gezweifelt, ob ich das in Holz so hinkriege. Da muss man dann einfach machen...auch wenn es schief gehen könnte.

    Hat jemand eine Idee für ein passendes Gürtelholster?
    Muss auch nicht aus Dinosaurier-Leder sein 8) .... Cordura oder Nylon tut es auch. Aber es müsste schon gut passen.

    Gruß
    Musashi

  • Auf jedenfall Schick, aber ich hätte es nicht gemacht!
    Es gibt Messer die aufjedenfall Gebrauchsgegenstände sind. Die eine oder andere Harte Behandlung hat so ein Messer schon zu Verkraften, und dementsprechend hätte ich mir kein Holz für ca. 40 € (stimmt doch oder?) Gekauft.
    ?

    Alein der Vergleich mit den Originalen Griffschalen, rechtfertigt den Aufwand, und die Kosten für das Orig. und das Holz.

    Ob es nun ein Gebrauchsgegenstand wird, oder in der Vitrine landet, ist doch egal, zumindest weis Bernhard das er da was ganz besonderes
    sein Eigen nennen kann

    Musashi
    Gratuliere, zu der wunderschönen Arbeit.


    Heidi

  • Hab diesen Fred einfach mal wieder ausgebuddelt.
    Ich plane mein Evo 18 mit den Evowood Griffschalen auszustatten.

    @»Musashi«, erstmal :respect: , die Griffschalen sind wirklich eine Augenweide. Hast du das Messer eigentlich im Alltag genutzt. Wie hat sich das Wüsteneisenholz denn gehalten?
    Du schreibst Ein ganz spezielles Taschenmesser']Hier[/url] die Originalen sind mit Doppelklebevließ festgeklebt. Kannst du vielleicht präzisieren welches DoppelKlebevließ da verwendet, wird oder auch welches zu empfehlen ist?

    PS: Hast du noch einen Tipp wie ich die Holzgriffschalen am schonensten ab bekomme? Einfach mit der Klinge drunter, wie üblich?

    ...Morituri te Salutant
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    Einmal editiert, zuletzt von aufallenvieren (14. Januar 2013 um 21:09)