Walther LG 55 - Ein Abenteuer und Fragen..

Es gibt 13 Antworten in diesem Thema, welches 17.602 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (26. Februar 2017 um 23:34) ist von JoHannes89.

  • Moin zusammen.

    Ein Bekannter hat mir vor ein paar Wochen von seinem Luftgewehr erzählt, bei dem es wohl ordentlich Probleme gibt. Es scheppert und rasselt und pfeift irgendwo Luft raus. Da er mir nicht sagen konnte,
    was für ein Modell es ist, bot er an, es mir mitzubringen, damit ich selber mal einen Blick auf das gute (Erbstück) legen könnte und es gegebenenfalls wieder "flott" machen könnte.

    Gesagt - getan. Heute überreichte er mir ein versifftes, fleckiges Stoffutteral mit etwas, was sich von aussen schon als Matchgewehr abzeichnete. Zu Hause angekommen hab ich das "Teil" erstmal von seiner
    miesen "Behausung" befreit und siehe da - ein Walther LG 55. Ich habe keine Ahnung welches Baujahr. Auf dem Block vom Lauf ist nur "183101 L" eingeprägt. Die Systemhülse trägt (zwischen den beiden
    kleinen Bohrungen) nur die Bezeichnung "Walther LG Cal. 4,5 Mod. 55 Walther's Patent" - Ende der Infomationspolitik. Der Schaft ist extrem rau, weist sonst aber keinerlei Beschädigungen auf.

    Also habe ich mich erstmal daran gemacht, den Schaft und den Diopter zu entfernen. Was dann noch übrig war, war.. ähm.. wenig. Der Abzug klapperte in seinem Sitz, ständig bröselte etwas raus, wenn ich etwas
    bewegte und spannen ließ sich das gute Stück auch nicht mehr - bzw, ließ es sich spannen, rastete aber nicht im Abzug ein.

    Also Feder kontrolliert (ob spannung besteht) und im Lauf nachgesehen, ob noch irgendein Einsiedler-Diabolo dort wohnte. Beide Ergebnisse waren negativ.
    Dann den hinteren Deckel abgeschraubt und... *brösel*..."Was ist das für ein weißer Krümelkram?"  :huh: - Nebenbei kam ein Stahlring zum Vorschein und der Abzug lockerte sich immer mehr.
    Danach habe ich die (im Vergleich zu meinem FWB 300S) eher winzige Ansatzschraube langsam gelöst und mich auf das Schlimmste vorbereitet. Beim schrauben löste sich auch das
    Sicherungsblech mehr und mehr und irgendwann konnte ich es mir samt Abzug und einigen akrobatischen Verrenkungen nach hinten herausziehen. Also ein passendes Stück Rundholz in die Öffnung
    gesteckt und das ganze "Ensemble" hochkant auf den Tisch gepresst. Als die Schraube sich dann endlich entnehmen ließ, kam das ganze Elend zum Vorschein:

    - Die Feder hatte sich in 3 Teile zerlegt, von denen das oberste Stück, dass im Kolben sitzt ordentlich rund geschliffen war. Also hatte irgendwer tatsächlich noch damit geschossen  :thumbdown:
    - die Kolbendichtung was mehr Semmelbrösel als Dichtung
    - unzählig viel Späne rieselte (mit vermutlich viel Bleistaub) auf meinen Tisch. (Bleistaub, da eine Magnetprobe nur teilweise die Späne anzog. Vieles blieb einfach liegen. Fauler Dreck eben.. :wacko: 
    - der Kolben selber hatte über die Jahre arg gelitten, was unzählige Schleifspuren berichteten. Allerdings konnte ich beim anlegen meines Haarlineals kaum "Abnutzungen" ausmachen. (Glück gehabt?).


    Was mich wunderte: Alles war "furz"trocken. Keine kleinen Fettecken oder sonstwas für Schmierkram.  :|

    Danach durfte ich erstmal den Tisch abwaschen. Nach ca. einer halben Stunde "Vertrautmachen mit der allgemeinen Funktionsweise und Zusammenspiel von Kolben, Abzug und Sicherung", war es
    soweit: Die Suche nach Ersatzteilen begann. Beim freundlichen Ersatzteilemarkt bei Erfurt wurde ich auch fündig. Also erstmal das Standartprogramm bestellt: Kolbendichtung (Nachbau), Feder ( :F: ) und..
    Ja, und da verließen sie mich. Wie wird dieser Kolben, der ja direkt in der Systemhülse läuft und nach aussen (über die Spannstange) nahezu offen ist, geschmiert??  ?( Wird er überhaupt geschmiert?


    Ich hoffe dass die Teile zügig da sind, damit ich den Rückbau angehen kann. Sollte noch jemand, der sich damit auskennt, einen Tip haben, ob ich irgendetwas bestimmtes beachten muss,
    wäre ich sehr dankbar und "offenohrig".


    Bis die Tage
    Michael


    PS: Anbei ein paar Bilder um das Drama zu dokumentieren.

  • Hallo Michael,
    du wirst sicherlich hier noch viele Hilfestellungen erhalten.
    Ist mir fast peinlich darauf hinzuweisen. Aber Hochachtung, dass du dir dieses alte Teil ernsthaft vornimmst.
    Es wird klappen!

    Gruß,
    Musashi

  • Moin,
    Die 55...einfach ein gutes LG.

    Ist das Gewinde der Schraubkolbendichtung noch OK?
    Wenn ja, Teile gibts im Waffencenter Gotha. Unter anderem auch eine Repro Kolbendichtung.
    Sollte das Gewinde plattgeklopft sein durch häufiges abschlagen...müssen wir tricksen.

    LG Martin

    Facebook: Streu Kreis

  • Da ist ein Abzug vom späteren LGV verbaut.
    Beim Schmieren war früher für die Feder Molykotfett
    der Standart. Gut ist auch ein zähes Haftfett (Kettenfett)
    Viel kannst du nicht verkehrt machen. Wenn der Lauf
    wieder sauber ist, schießt das Teil wieder wie Gift. Die
    Kolbendichtung würde ich mit ein wenig Teflonfett einstreichen.

    Gruß Klaus

  • Hallo,

    habe auch ein LG55 und diverse alte LGVs restauriert. Man kann das Baujahr bei Walther erfragen (über das Kontaktformular auf der Seite, ist kostenlos). Meins hat die Seriennummer 191xxx und ist von 1963. Im Netz und hier im Forum gibt viele Informationen und Bilder über die alten Walther LGV und LG 55. Das Blei stammt wahrscheinlich von dem Spannhebellager (Gewicht im Schaft). Es passt auch der Doppelfedersatz des Feinwerkbau 300s! Es muss nur der Zwischenring aufgebohrt werden. Die Federn sprühe ich immer mit Motul C2 Motorradkettenfett ein. Das verhindert das Scheppern / Nachschwingen der Feder. Als Kolbendichtung habe ich immer Weihrauch 25mm (z.B. vom HW30) Dichtungen genommen. Allerdings muss man sich da einen passenden Adapter drehen. Die Kontaktstellen und die Kolbendichtung besteiche ich immer mit etwas LM47 MOS2 Fett von Liqui Moly. Noch ein Tipp: Wenn die Spannsicherung nicht funktioniert (man kann mit abgeknickten Lauf den Abzug auslösen-> Vorsicht beim Testen!!!)) dann eine dünne Beilegscheibe zwischen Federlager und Schaft (die vordere Abzugsschraube wird da reingeschraubt) legen. Dadurch wird der Abstand System und Schaft etwas erhöht. Durch das Alter ist das Holz "geschwunden" und das Sicherungsblech wird eingeklemmt und kann sich nicht mehr bewegen um den kleinen Hebel im Abzug zu betätigen. Das Blech ist beim Einbau etwas fummelig....

    Viel Spaß :thumbup:

    PlinKing

  • Moin,
    Die 55...einfach ein gutes LG.

    Ist das Gewinde der Schraubkolbendichtung noch OK?
    Wenn ja, Teile gibts im Waffencenter Gotha. Unter anderem auch eine Repro Kolbendichtung.
    Sollte das Gewinde plattgeklopft sein durch häufiges abschlagen...müssen wir tricksen.

    LG Martin

    Bild 1:Ich würde mal spontan sagen, dass es da nichts dran auszusetzten gibt. Die Repro-Dichtung ist bereits bestellt ;)

    Da ist ein Abzug vom späteren LGV verbaut.
    Beim Schmieren war früher für die Feder Molykotfett
    der Standart. Gut ist auch ein zähes Haftfett (Kettenfett)
    Viel kannst du nicht verkehrt machen.

    Bild 2:
    Also ich hab da noch die 2 Dosen Fett, von Walther, von einem anderen Kit. Meinst, das Federfett ist "ausreichend"? Jedenfalls klebt und zieht dieses Fett Fäden wie "ein Großes" ;)
    Ist die Sache mit dem LGV-Abzug irgendwie von Nachteil oder sind die Beiden "Module" zueinander kompatibel?

    [...] Es passt auch der Doppelfedersatz des Feinwerkbau 300s! Es muss nur der Zwischenring aufgebohrt werden. [...]

    Bild 3:Das wäre auf jeden Fall eine Alternative, falls die bestellte Feder zu lange auf sich warten läßt bzw (vorerst) nicht lieferbar ist. Da hab ich noch was im Schrank rumliegen :thumbup:



    EDIT: Es soll übrigens erstmal KEINE Restauration im eigentlichen Sinne werden. Vorerst nur eine.. sagen wir mal "Wiederherstellung der grundlegenden Funktion".
    Andererseits kenne ich mich.. Oh weia, Nachtigall, ick hör' dia trappsen.. :rolleyes:

  • Moin,
    ja,das Gewinde sieht gut aus :)

    Mit dem Doppelfedersatz hat wohl jemand ein LGV upgrade probiert. Den Abzug gabs als Zubehör. Beides war am Nachfolger LGV serienmässig.

    Lg

    Facebook: Streu Kreis

  • Es lohnt sich auf jeden Fall das Gewehr wieder schussfähig zu machen. Ich besitze sowohl das LGV als auch ein Walther 55. Das 55er schiesse ich aber kaum, das es eine Linksschäftung hat.
    Sonst hätte ich es auch nicht gekauft, denn dadurch war es günstig. Schiessen beide auf 10m Loch in Loch, obwohl beide die schlappen originalfedern drin haben.
    Nicht zu vergleichen mit herkömmlichen Knickern, HW35 ist Schmutz dagegen. Waren halt mal Matchgewehre. Der LGV Abzug ist so ziemlich der beste der mir bisher untergekommen ist.

    When I was just a baby, My Mama told me, "Son, Always be a good boy, Don't ever play with guns"

    by Johnny Cash "Folsom Prison Blues"

  • Heute Nachmittag kam endlich die lang ersehnte Sendung aus Gotha (Kolbendichtung (schwarz) und Feder). Die Dichtung ist auf eine Adapterplatte gepresst, die sich mühelos auf den
    Kolben schrauben lies. Die Feder machte da schon eher zicken (aber dazu später). Ich habe ihr mit der (Fett-)Zahnbürste erstmal einen neuen, modisch-schwarzen Anstrich mit oben genannten Federfett
    verpasst. Eigentlich sollte man die Pampe "Federteer" nennen, da es WIRKLICH zähes Zeug ist, was beim verstreichen, entlang der Windungen, ekelige Fäden zieht.
    Der Kolbendichtung habe ich ein paar (wirklich nur 3 oder 4) Tropfen Öl gegönnt. Der Kompressionsbereich vor dem Transferport sah aus wie frisch verchromt. Alles gut also.
    Jedenfalls ist die Feder beidseitig sehr schön angelegt und sogar geschliffen (bzw. so glatt, dass man das schon poliert nennen kann).

    Dann begann das Drama: (Drama deshalb, weil ich gemessene 39kg (neununddreissig) für die Vorspannung aufbringen musste, um die Bohrung des Gegenlagers mit der des Gehäuses überein zu bringen!
    Und dann noch eine Schraube dort eindrehen... Ja nee, is kla.)

    - Kolben rein - und dabei schön vorsichtig die Dichtlippe unter die scharfen Kanten der Bohrungen und Öffnungen des Gehäuses gehoben.
    - gefette Feder rein - was ne Schmiererei da die Feder bei leichtester Schräglage immer wieder herausrutscht.
    - Gegenlager rein (ebenfalls gefettet und mit einer selbstgeschnittenen 0.2mm Fiberscheibe verziert, damit die Feder nicht so sehr reibt, wenn sie sich beim Spannen und Entspannen verwindet)
    - (1) Feder vorspannen indem das Gegenlager eingeschoben wird... - Der Horror beginnt (!) ...entspannen. Die Bohrung des Gegenlagers steht nicht so, dass man die Ansatzschraube eindrehen kann.
    - (2) Feder vorspannen indem das Gegenlager eingeschoben wird... [Schraube ansetzten] ...entspannen. - Erste wild Flüche verlassen meinen Mund. :evil:
    - (3) Feder vorspannen indem das Gegenlager eingeschoben wird... [Schraube ansetzten] ...entspannen. - Weitere Flüche werden laut mit dem Gewehr kommuniziert.  :fluch:
    - (4) Feder vorspannen indem das Gegenlager eingeschoben wird... [Schraube ansetzten] ...entspannen. - Die Hände schmerzen vom Spannen und die Nerven liegen blank, weil sich die Öffnung vom Gegenlager immer
    auf dem letzten 2mm so verdreht, dass man die Ansatzschraube nicht eindrehen kann. (Wenn diese immense Kraftaufbringung nicht wäre... Und alles mit einem Arm - ich bin doch nicht Schwarzenegger)
    - (5) Feder vorspannen indem das Gegenlager eingeschoben wird... JETZT PASST ES! - Schraube eindrehen.. FERTIG!
    - Abzug mit Sicherungsblech einsetzen.  8| Moment mal.. :cursing: Die Führung der Sicherung ist falsch herum... :bash:
    - Tobsuchtsanfall bekommen, da ich die Schraube WIEDER lösen und die Feder... Ach, siehe oben :schluchz:
    [...] nach ca 20 weiteren Versuchen habe ich es dann ENDLICH geschafft. Die Hände sind rot von der Anstrengung und der Mund trocken vom Fluchen. Kaffee und eine Handwäsche müssen her. :drink:
    - Abzug mit Sicherungsblech eingesetzt und Leichtgängigkeit kontrolliert. Gegeben. Super :thumbup: (ich kann ja doch was..)
    - Stahlring hinterm Abzug rein und Deckel druff. Festschrauben. Fertig.  :whistling:


    Naja, nicht ganz.. Jetzt noch das Ganze wieder in den Schaft verfrachten und festschrauben. Diopter drauf. (Jetzt) FERTIG!  :thumbsup:

    Beim den ersten Spannversuchen habe ich den Kolben nicht in den Abzug einrasten lassen, um das Öl an der Kolbendichtung etwas im Kompressionsbereich zu verteilen (gut dass das LG55 keine
    Raststange hat, wie z.B. das FWB300). Nach 5-maligem knicken dann der erste Versuch, den Kolben im Abzug einrasten zu lassen.

    *klick* Paßt!

    Noch schnell ein JSB Exact mit 4.52mm geladen und den Lauf zurückgeschwenkt. Jetzt sollte es sich zeigen, wie der "Vogel" singen kann. Da ich den Abzug nicht kannte, habe ich mich ganz vorsichtig
    über die erste Stufe bis zum Druckpunkt gearbeitet. Dann noch ein bisschen weiter und.. *KLACK!* (und ein ganz leichtes und kurzes Federklingen). Noch kurz über den Diopter zur Scheibe geschielt und...
    Jup, Dia ist angekommen.

    Nach weiteren 20 Schuss wollte ich wissen, wie es denn jetzt um die Leistung bestellt ist. Also den Combro umgeschnallt und losgetestet. Und...  8|  WOW! - 173.5m/s
    Das schrie nach mehr - und was soll ich sagen: Ich bin baff. Ich habe ganze 30 Schuss getestet und das min war 173.4m/s und das max 173.8m/s. SOWAS habe ich noch nicht erlebt  8o
    (und schon gar nicht bei einem so alten "Prügel")

    Allerdings hat alles irgendwo seine dunklen Seiten. So auch hier. Die Waffe entläßt jetzt nach jedem Schuss eine dünne weiße Wolke aus dem Lauf. Aber ich denke, das Dieseln wird sich nach weiteren
    100-150 Schuss wieder legen, ausser, ich habe irgendwo eine Riefe in der Hülse (im Kompressionsbereich) übersehen, wo jetzt das Öl stehen bleibt.
    Ich werde das jetzt testen und dabei richtig Spaß haben. Ich denke ich werde die 500er-Dose noch leeren und dann nochmal einige Geschwindigkeitstests machen, ob sich da noch etwas verändert hat.


    MfG Michael (der stolze)

    "Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden." [Sokrates.]

  • Die Walther kann schon zickig sein beim montieren :D
    Aber wenn sie gut gewartet wurde ist sie ein ganz besonderes Schätzchen von dem sich so manch neuer Knicker ne scheibe abschneiden kann.

  • Hallo Zusammen ...

    habe auch ein Walther Mod. 55 "geerbt", welches wohl nichrt mehr den richtigen "Bums" aufweist. Entweder bleibt die Diablo im Lauf (ca. 1cm vor der Mündung) stecken, oder man sieht, wie das Projektil nach ca. 3m nach unten abfällt. Manchmal gelingen Schüsse, die sogar sicher im Ziel landen. Somit werde ich das Teil wohl auch zerlegen müssen, um die Dichtungen, Federn, Kolben etc. zu reinigen und anständig zu fetten.

    Nun meine Frage: Was muss ich beim zerlegen der Waffe beachten? Gibt es eine "Schritt für Schritt Anleitung"? Ist eine bestimmte Reihenfolge ratsam, damit mir bei der Demontage nichts um die Ohren fliegt?

    Besten Dank für eure Ratschläge ...

    VG,

    Chris

    "Ein schlechtes Gewehr – schießt ohne Gewähr."

  • Ich hab meine jetzt auch fast fertig und hab bei meinen Recherchen fest gestellt das es min 4 Versionen vom Innenleben her geben muss, wenn man davon aus geht, das man immer ein im Orginal Zustand befindliches Gewehr vor sich hat.
    Also spontan Ersatzteile zu bestellen bevor man das Gerät zerlegt hat, halte ich nicht für sinnvoll.
    Für kompliziert halte ich das Gewehr nicht, ist aber durchaus anspruchsvoller als das zerlegen und wieder zusammen bauen eines Walther LGU.