Es war einmal ein schrottiger Teilehaufen namens Müller "Blitz"

  • Irgendwann in 2004 oder 2005 habe ich bei Egun einen schrottigen Teilehaufen erstanden, der sich dann als erfreulicherweise weitgehend vollständiges System eines Müller "Blitz"-Repetierers herausstellte.
    Bis auf einige Reste an Spannhebel und System war keine Brünierung vorhanden, der Kornsockel und die komplette Kimme waren nur weißfertig, lediglich das Korn war vollständig brüniert.
    Hier und da nur ein wenig Flugrost, dafür aber einige Schrammen und Kratzer.
    Die Drehhülse des Kugelreservoirs war doppelt vorhanden, eine jedoch offensichtlich sehr krude nachgefertigt.
    Unbrauchbar waren sie dennoch beide, das Langloch für die vordere Systemschraube war entweder ausgebrochen oder zumindest ungünstig nachgearbeitet.
    Der Sicherungsflügel sah sehr nach einem alten Haenel-Teil aus Druckguss aus, welches besonders an den Kanten schon verschrammt war und daher teilweise seine Vernickelung bereits eingebüßt hatte.

    Kurz: Traurig!

    Da aber die Funktion soweit gegeben war, stand der Entschluss fest: Das Ding wird wieder!

    Eine Restauration in den Originalzustand kam eher nicht in Frage, dafür waren die Schäden an Lauf und System zu tief, die Drehhülse(n) nicht mehr in originaler Weise zu gebrauchen.
    Von den Schwierigkeiten der Beschaffung von Teilen mal ganz zu schweigen.
    Also sollte was neues draus werden!
    Aber was?
    Es war ein älteres LG, dessen Bedienung und Optik an alte Karabiner angelehnt war.
    Man hätte mit einem schönen, alten Karabinerschaft also was draus machen können.
    Nun, ein Repetierluftgewehr im Militärkleid, das gibt es schon zuhauf.
    Also was ziviles, klassisch, extra altmodisch, etwas übertrieben, vielleicht sogar ein wenig in Richtung Steampunk.

    Erstmal einen Schaft besorgen.
    Dank Egun gab es für kleines Geld einen Bucheschaft, natürlich ohne Systemausfräsung.
    Leider kein langer Schaft, eine Stutzenschäftung war also nicht drin.
    Die doch recht wuchtige Rohform wurde sanfter und feiner gestaltet, vorne endet sie in Anlehnung an den nicht möglichen Stutzenschaft.
    Das Einarbeiten des Systems war eine Heidenarbeit!
    Buche ist zwar hart, kann aber gerne mal ausbrechen.
    Deshalb liegt der Lauf auch in einer im Schaft eingebetten Stahlhülse und hinter dem Abschluss der Systembettung sind ein paar minimale Ausbrüche im Holz sichtbar.

    Unten in den Schaft musste natürlich ein Abzugsbügel rein.
    Die langen Schafteinsätze einiger Match-LGs brachten mich dann auf die Idee, direkt eine komplette Schiene einzuarbeiten, die beiden die Schaftschrauben verbindet und gleich einen Teil des Abzugsbügels bildet.
    Die hintere Schaftschraube sitzt etwas ungünstig, also wurde der eigentliche Bügel beweglich gestaltet.
    Messing ist zwar schwer, lässt sich aber gut bearbeiten und sieht toll aus!

    Der Griffabschluss ist leider nicht oval, sondern rund, sonst hätte ich an der Bearbeitung des Wurzelnussstücks wohl verzweifelt.
    Eine Zwischenlage aus Messing setzt einen kleinen Akzent (sieht halt gut aus, das Zeug...).

    Die Schaftkappe ist ein schnödes Teil aus Bakelit, immerhin etwas altmodisch.

    Der Sicherungsflügel sollte einem zwar genauso wenig originalen, dafür aber deutlich schönerem weichen.
    Altmodisch in der Form, aber leicht zu bedienen und wertig.
    Die Querverstiftung war nicht schön, also wurde sie gegen eine Klemmung per Madenschraube von unten ersetzt
    Damit man auch diese nicht sieht, bekam das Ende der Systembettung im Schaft einen Einsatz, in dem der auf 12mm Duchmesser gefräste, untere Teil des Flügels etwa bis zur halben Achse eintaucht.
    Die Form des Flügels wurde so gewählt, dass sie in Verbindung mit dem Systemabschluss gleich einen beidseitigen Endanschlag bietet.
    Dieser war auch nötig, denn es gab nur in "Feuer"-Stellung eine Rastung, einen Endschlag gab es garnicht.
    Auch hier wurde wieder Messing gewählt, lässt sich gut bearbeiten und sieht toll aus!

    Die Drehhülse des Kugelreservoirs musste auch geändert werden.
    Eins der beiden Schrottteile wurde gekürzt, sein Langloch für die vordere Schaftschraube fiel also weg.
    Da das System vorne mehr als unattraktiv war, gab es eine Abdeckkappe, die erstens für schöne Optik sorgte und zweitens den Abstand zur gekürzten Drehhülse ausglich.
    Unten hat die Kappe eine Ausnehmung für die Schaftschraube.
    Hinter die Drehhülse kam noch ein Ring, damit die Hülse dort nicht nur das Schaftholz als Führung hat.
    Die verwendete Drehhülse war das nachgefertigte Teil, welches über keinen Bedienhebel verfügte, dieser wurde also auch angefertigt.
    Messing lässt sich gut bearbeiten...

    Kimme, Korn und ihre Sockel sind noch original, der Kornsockel hatte allerdings zwei halbherzig und hässlich eingefeilte Nuten, offensichtlich gedacht für einen Kornschutz.
    Die Nuten wurden nachgefräst, jedenfalls so gut es ging.

    Die Schrauben waren größtenteils fertig, sie wurden daher größtenteils durch neue ersetzt (lediglich die Schrauben an Kimme und Korn wurden weiterverwendet).
    Torx- und Inbusschrauben aus VA sind an einem altmodischen Gewehr vielleicht etwas anachronistisch, ja.
    Aber sie wurden auf Linsenkopf umgearbeitet und hochglanzpoliert.
    Und hätte man damals so schöne sechszackige Sterne in Schrauben gekannt, dann hätte man sie verwendet!
    Die Kontermutter der Spannhebelschraube ist übrigens aus dem Kopf einer identischen Schraube entstanden.

    Zum Schluss wurden alle Teile auf hochglanz poliert, jedenfalls soweit es der Zustand zuließ.
    Einige Beschädigungen und Bearbeitungsspuren an System, Lauf und Spannhebel waren zu tief.

    Kimme und Korn wurden satiniert und brüniert.

    Der Schaft wurde mit Clou Wasserbeize auf Nussbaum dunkel getrimmt, hat das allerdings nicht wirklich gleichmäßig angenommen.
    Als Finish ist Schellack Streichlack von Lumberjack drauf.


    Was noch gemacht werden sollte / werden wird:
    Die Spannhebel-Achsenschraube und die Madenschraube des Sicherungsflügels sind die einzigen Inbusschrauben, wenn ich passende in Torx finde, dann werden die noch geändert.
    Der Schaft bekommt noch mindestens einmal Schellack, speziell fürs Griffkäppchen.
    Vielleicht ein neuer Kornsockel, evtl. aus Messing.
    Möglicherweise eine andere Schaftkappe (habe ich erwähnt, dass Messing sehr schön ist?).
    Und nochmal mit NevrDull über alle Metallteile, die Polierscheibe hinterlässt ganz feine Kratzer.


    So, nun aber Augenfutter!
    Die Bilder sind mal eben so quick´n´dirty entstanden.
    Das Laken war eigentlich schon auf dem Weg in die Werkstatt um dort als Lumpen zu dienen, aber es war der einzige neutrale Untergrund.
    Leider staubt alte Baumwolle etwas...
    Von vorher gibt es bedauerlicherweise keine Bilder, war aber auch kein schöner Anblick!


    Seitenansicht:

    Draufsicht:

    Schafteinsatz:

    System schräg von hinten:

    Spannhebelachse, Sicherung:

    Korn, Spannhebel, Sicherung:

    Sicherung:

    Abzugsbügel, Griffabschluss:

    Abzugsbügel:

    Kammerstengel, Kimme, Kugelreservoir (geschlossen):

    Kimme, Kugelreservoir (offen):

    Kugelreservoir (offen):

    Bedienhebel Kugelreservoir:

    Mündung:

    Korn:


    So, das wars!
    Hat euch hoffentlich gefallen.


    Stefan

    ps:
    Bis auf die Politur wurde natürlich kein wesentliches Teil bearbeitet.