Ballistischer Winkelmesser mit integrierter Flugbahnkompensation

  • Hier möchte ich meinen einfachen, ballistischer Winkelmesser mit integrierter Flugbahnkompensation vorstellen.

    Nachdem ich mittlerweile zur "Dunklen Seite" (Luke: “Ist die dunkle Seite stärker?” - Yoda: “Nein. Nein… nein. Schneller, leichter, verführerischer.”) gewechselt bin, verstehe ich die ganzen Präzisions-Fanatiker. Wenn ich bisher mit meinem Federdruckkolbenkompressionssportgerät ein FT-ziel hoch oben im Baum oder tief drunten im Tal treffen wollte, dann habe ich immer an den unteren Rand der Hitzone angehalten und meiner Diana gut zugeredet, denn wenn ich sie nicht immer gleich angefasst habe, dann hatte sie ihren eigenen Willen und teilweise eine andere Meinung wo der Schuss denn nun hingehen sollte. Bei modernen Pressluftgewehren sieht das anders aus. Um es mit den Worten von Simon Moore über das Walther LG300 zu sagen: "The Dominator has no "soul". It just sits there, completely dead and with pure, mechanistic precision puts every pellet where it's supposed to go." Geneigte Schüsse sollte man demnach exakt abmessen und einstellen können.

    Den Spruch "Ob hoch oder runter, immer drunter!" kennen wir alle, aber die beötigten Werte hält man nur nach Gefühl vor und dieses Gefühl bekommt man nur durch viel Übung. Für Präzisionsfanatiker (meist Klicker statt Dotter) muss es aber eine exaktere Lösung geben. Da es nur wenige Schützen gibt, die eine Halterung für ihr iPhone ans Gewehr bauen und militärische Ballistik-Computer doch etwas übertrieben scheinen muss eine andere Möglichkeit her.

    Scharfschützen nutzen häufig den Mil-Dot-Master, eine Art Rechenschieber um die Höhenabweichung zu berechnen und zu kompensieren. Wenn es schnell gehen muss nutzt man eine recht genaue Näherung, indem man den Kosinus des Winkels berechnet, multipliziert diesen mit der gemessenen Entfernung und erhält eine neue Entfernung auf die man den Höhenabfall des Geschosses einstellen muss. Das hört sich recht kompliziert an, doch die horizontal gemessene Entfernung zum Baumstamm, in dessen Geäst das Ziel steht (bzw. an dessen Fuß bei abwärts geneigten Lanes), entspricht genau diesem Kosinus-Produkt. Man kann bei Era-Tac oder Horus auch viel Geld für einen Schusswinkelkompensator ausgeben und etwas Kopfrechnen anwenden. Leider ist diese Näherung, so präzise sie auch sein mag, für die kurzen Entfernungen beim FT viel zu ungenau.

    Auf dem Schießstand ermittelte Einstellung des Höhenverstellturmes:

    Man müsste also ein Diagramm entwerfen, an dem man direkt den Winkel ablesen könnte, die gemessene Entfernung suchen würde und dort die MOA vorfindet, die man am Höhenverstellturm klicken wird. Also habe ich die benötigten Daten in ChairGun eingegeben, verschiedene Winkel durchprobiert und einige der erhaltenen Werte auf dem Schießstand verifiziert. Ein passendes Koordinatensystem wurde konstruiert, die Werte eingetragen und die erhaltenen MOA-Verstellungen in der Form von bunten Höhenlinien gezeichnet. Die Lösung ist ein dreidimensionales hyperbolisches Paraboloid (vielen besser bekannt als die Form von Pringles Kartoffel-Chips) mit dem Scheitelpunkt der Horizontalflugbahn im Sattelpunkt und das ganze auch noch mit Polarkoordinaten (zur Inklinometrie mittels ungedämpftem Pendelkörper), weshalb man mit der euklidischen Geometrie nicht mehr weiter kommt. Erstaunlich ist, dass man durch die antiklastische Krümmung bei bestimmenten Winkeln und Entfernungen nun auch nach unten klicken muss, statt immer nur nach oben.

    Die mit ChairGun erhaltenen Werte wurden in ein Diagramm eingetragen:

    Ich weiß nicht, ob schon jemand auf diese Idee gekommen ist, aber die Umsetzung erscheint mir einfach genug, um sie jederzeit verwenden zu können: Das Diagramm wird waagrecht ans Gewehr geklebt. Das Ziel wird anvisiert und das Pendel schwingt aus. Mit einem Finger drückt man den Faden gegen das Diagramm und kann in Ruhe die Werte ablesen. Im gezeigten Fall beträgt der Winkel 30 Grad nach oben, bei einer gemessenen Entferung von 15 Meter muss man also genau 1 MOA (rote Line mit -1) nach unten drehen. Wenn man bei gleichem Winkel auf 11 Meter schießen will, dann muss man 2 MOA (blaue Linie mit +2) nach oben drehen. Bei 13 und 30 Meter bräuchte man den Höhenverstellturm nicht zu drehen (grüne Line mit 0).

    Das Diagramm zur Veranschaulichung an einem Gewehr mit 30° Neigung befestigt:

    Falls es jemanden interessiert, bei einem 8 m Ziel direkt über dem Schützen müsste dieser demnach 4 MOA nach oben klicken (90°, rote linie mit +4).

    Bei horizontalen Schüssen (0°) stimmen die Werte genau mit denen vom Einschießen (siehe oben) überein. Das sind die Werte, die man normalerweise auf den Verstellturm schreiben würde. Mit dem hier vorgestellten Siegler-Diagramm kann man diese Beschriftung weglassen, denn man stellt direkt die abegelesene MOAs bzw. Bruchteile davon am ZF ein. Das Diagramm ist so genial, dass ich überlege einen Gebrauchsmusterschutz anzumelden.

    Das Diagramm mit der schwarzen Lot-Schnur, an der die Werte abgelesen werden:

    Das gezeigte Diagramm und die genannten Werte stimmen natürlich nur für mein Gewehr mit individueller Visierlinienhöhe, einer einzigen Geschossgeschwindikeit und nur für eine einzige Munitionssorte überein. Alle anderen müssen leider ihre eigenen Werte ermitteln und grafisch auswerten. Das geht aber genauso mit 1/4 Klick pro MOA wie auch mit 1/8. Mil-Dots oder ähnliches sind ebenfalls kein Problem.

    Viel Spaß beim Nachbauen.