Norica Massimo - Testbericht

  • Ein sanfter Riese im Kleid eines Jagdgewehres

    Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat das schönste Gewehr im Land... Heute erlaube ich mir zu behaupten: ICH und viele Ästheten werden mir Recht geben! Sündhaft teuer, aber bezaubernd beim ersten Anblick. Es sieht aus wie eine Schrotflinte und hat einen meisterlich mit fischhaut verzierten hellen Holzschaft. Die Nachbildung eines halbautomatischen Jagdgewehres hört auf den Namen NORICA MASSIMO und wird bei diversen Händlern beschrieben mit dem Satz "Das extravaganteste Luftgewehr der letzten Jahre" - dem ist zumindest optisch nichts hinzuzufügen. Aber Schönheit ist bei einem Luftgewehr nicht die Quintessenz und bei dem Preis muss es verdammt gut schießen können; schließlich gibt es für dasselbe Geld ein brandneues Weihrauch HW77k, mit ein Grund weshalb es so selten anzutreffen ist. Beim altbewährten Weihrauch hat man was man hat, während Norica nach wie vor ein wenig das Exotendasein fristet und obendrein ist es ein "Made for Umarex". Trotz aller Schönheit genug Gründe die fast 400,- Euro anders auszugeben? Zu Unrecht, was zumindest dieses Modell betrifft - aber dazu später. Ich habe das Massimo schon länger beobachtet, da ich aber nicht der große Fan von Knickern und Einzelladern bin, sollte es ursprünglich als Spaßgewehr wieder ein Co2 sein. Ich wollte unbedingt die Gamo Extreme Co2 (Pumpgun) haben. Die Enttäuschung war riesig, als das Plastikgewehr, welches sage und schreibe 259,- Euro gekostet hat, nach ca. 80 Schuss sprichwörtlich auseinandergefallen ist. Gamo, oder besser gesagt die Einzelteile zurückgegeben, aus frust einen Schein draufgelegt und auf die Massimo gezeigt - an dieser Stelle: Danke Gamo, ohne Dich hätte ich meine Bella nie gekauft!



    Bleiben wir vorerst bei der Optik. Die rassige Spanierin hat verdammt lange Beine, insgesamt ist das Massimo fast 1,20 m lang (!) und stellt an meiner Waffenwand die gesamte Mithängerschaft ohne Gnade in den Schatten. Der gezogene Stahllauf ist Kunststoffummantelt, was die Jagdgewehroptik verstärkt. Der präzise gefertigt und universell gedämpfte Holzschaft besteht optisch aus zwei Teilen, beide sehr sauber mit einer Fischhauteinlage versehen. Tatsächlich ist dieser beidseitig mit einer eloxierten Aluplatte beschmückt. Der Fiberoptikkorn mit Korntunnelschutz verrichtet seinen Dienst kompromisslos exakt. Die 12cm lange eingefräste 11mm Prismenschiene (mit Stopper) wurde von mir vorübergehend für die Schusstests mit dem berühmten Walther 3-9x40 Glas bestückt, auch wenn es dem Gewehr unwürdig ist. Hier wird meine 850 Airmagnum die nächsten Tage das Leupold-Glas abgeben müssen. Das Gesamtkunstwerk ist tadellos verarbeitet und das Wörtchen Tadellos ist hier bitter ernst gemeint:

    Ein sanfter Möchtegernprellschlag

    Meine beiden Dianas habe ich aus Unzufriedenheit weit unter Neupreis verkauft. Alles was der Präzision nicht dienlich ist, sollte mir nicht mehr ins Haus kommen, also "Preller müssen draußen bleiben", einzig mein "Minipreller" Feinwerkbau 300s blieb von vom Ausmisten verschont (und wird immer einen besonderen Platz haben). Mit voller Erwartung habe ich die Norica gepackt und bin Richtung Veranda geeilt. Der Kugelfang am anderen Ende des Gartens steht in exakt 22m. Plötzlich ein Schock: Beim knicken blieb die Feder nicht hängen! Mit Entsetzen versuchte ich es ein zweites Mal... mit Schweißausbrüchen dann ein drittes Mal und siehe da, ich hatte den Lauf nicht richtig runtergedrückt. Es muss ein helles "klick" mit minimalen Mehraufwand machen, dann erst ist es gespannt. H&N Sport als Testdiabolo rein und die ewig lange Schönheit über das Geländer gehalten (Gott, bist Du schön). An dieser Stelle sei gesagt: Die Massimo fühlt sich mit ihren knapp 3 1/2 kg unglaublich gut an und sie sitzt wie eine Armverlängerung in der Abschussposition. Tief ein- und wieder ausatmen... KLACK! WOW! Ja, ein Prellschlag ist da, der ist aber genau so sanft wie sich das Abzugsgeräusch anhört: Warm! Ich habe noch nie ein vergleichbares Prellluftgewehr in der Hand gehalten und mit Nachdruck sei nochmal angemerkt, dass hier keines Wegs übertrieben wird. Sie sieht nicht nur schön aus, sie fühlt und hält sich genau so schön, man könnte fast schon geschmeidig sagen. Kimme und Korn harmonieren sehr genau miteinander, die automatische Sicherung funktioniert reibungslos aber jetzt will ichs wissen: Das besagte Walther ZF wurde rausgekramt und montiert um die Präzision zu testen. Schon beim Einschießen wurde beeindruckend klar, dass der "sanfte" Prellschlag die Präzision in keinster Weise beeinträchtigt - auch für ungeübte Prellerschützen wie mich. Im Vergleich dazu waren meine Preller Diana 350 Magnum und F240 ungezogene Lausbuben, aber die sind verkauft und es soll sich jemand anderes damit rumärgern.



    Der einstellbare Abzug hat einen kurzen Vorweg und einen genau spürbaren Druckpunkt, ich habe vorerst die Werkseinstellung belassen, wird sich die Tage aber evtl. nochmal ändern. Halbherzig erreichte ich eine Schussgruppe mit einem Streukreis von ca. 25mm; es hat geregnet und ein spürbarer Wind machte mir mittlerweile einen dicken Strich durch die Rechnung. Der Chrony zeigte eine Geschwindigkeit von 173 m/s mit 0,53g schweren Diabolos; Erlaubte Grenze ausgereizt. Morgen, bei hoffentlich besserem Wetter werde ich den genauen Streukreis (aufgelegt) ermitteln und die Risultate/Fotos an dieser Stelle nachtragen. Für die ersten Eindrücke haben sich alle Erwartungen zur vollsten Zufriedenheit des Schützen erfüllt. Ein Gewehr der absoluten Spitzenklasse, untypische 3 Jahre Garantie und ein extrem glücklicher Schütze serienmäßig!




    Negativ

    Das lupenrein perfekte Luftgewehr im Prellersegment ist auch mit der Norica Massimo nicht erfunden worden. Abgesehen von der Plastiklaufummantelung (was im Übrigen die Waffe in keinster Weise abwertet) ist weit und breit kein Plastik zu sehen... oder etwar doch? Nun hat man keine Kosten bei der Produktion gescheut und siehe da: Der Abzug ist (ich wage es mich bei einer 400 Euro teuren Waffe kaum zu sagen) aus Plastik!!! Ebenso der Abzugsschutz. Liebe Spanier, ihr erschafft eine Göttin von Luftgewehr, bestückt sie mit üppigen Materialien und spart dann ausgerechnet am Bauchnabel, das kann nicht Euer ernst sein! Ich denke wirklich darüber nach, den nachbarschaftlichen Schlosserbetrieb aufzusuchen, mir den selben Abzug aus Alu oder Messing herstellen zu lassen und anschließend die Rechnung nach Spanien zu schicken. Eine Massimo Optik mit Minimo Abzug hinterläßt einen leicht faden Beigeschmack, vor allem weil er so schön und fein einstellbar ist. Weiterhin ist mir der jungfräuliche Lauf aufgefallen; die gewöhnlichen H&N Sport passen nur leicht gequetscht in die Öffnung, so dass das Bleigeschoss einseitig an der Kante beschädigt werden kann und auf 20m als Epilog ein Ausreißer zur Folge haben kann. Hier müssen 4,48 oder 4,49 Dias herhalten, was meine Standardmunition für dieses Gewehr unbrauchbar macht, außer natürlich beim Plinken. Gut, das mit dem Lauf ist nicht selten, aber für das Abzugsmaterial gibts zumindest Äußerlich ein fettes Minus, er sieht nämlich auch nach Plastik aus! Geschmackssache ist auch die dicke weiße Schrift "Norica Massimo" auf schwarzem Hintergrund, das unterscheidet übrigens in erster Linie optisch das Massimo vom Originaljagdgewehr, zumindest auf den ersten Blick.


    Technische Daten im Überblick

    • Kaliber: 4,5mm (.177)
    • System: Federdruck-Kipplauf
    • Schusskapazität: 1 Schuss
    • Länge: 1195mm
    • Lauf: gezogener Stahllauf, kunststoffummantelt
    • Lauflänge: 454mm
    • Gewicht: 3,4kg
    • Visierung: Fiberoptikvisier in Höhe und Seite verstellbar
    • Korn: Fiberoptikkorn mit Korntunnelschutz
    • Prismenschiene zur Zielfernrohraufnahme: 11mm breit, 120mm lang
    • Schaft: universeller gedämpfter Buchenholzschaft links/rechts mit eloxierter Alu-Platte
    • Sicherung: automatisch
    • Geschwindigkeit/Energie in der kastrierten Version: 175m/s - 7,5 Joule
    • Preis: 399,- Euro (Gibt es bei zwei Onlineshops aber schon für 340,- Euro)

    Fazit

    Abgesehen von einer kleinen kosmetischen Einbuße ist das Norica Massimo eines der interessantesten, wertigsten und schönsten Freizeit-Luftgewehren auf dem Markt. Es ist solide und ideenreich konstruiert, der Schaft wie auch die Brünierung ist makellos. Grade oder Kanten sucht man vergeblich, das Innenleben verspricht Langlebigkeit (ausgibig in den bekannten US-Foren getestet) und strahlt einige Innovationen in Sachen Prellschlagdämmung aus. Visierung und Abzug sind exakt und vielfältig einstellbar. Die 11mm Schiene hat einen speziellen Stopper eingebaut, der wahrscheinlich unnötig ist, aber den Anspruch einer solchen Waffe erfüllt. Anspruch ist das passende Wort: Der Grad zwischen Freizeitwaffe und Präzisionsgewehr ist schmal, die Grenzen fließend. Die optische Erscheinung ist in diesem Segment beispiellos und von einer einzigartigen Ästhetik geprägt. Das Schießen mit dieser Waffe verleiht ein sicheres Gefühl der Leichtigkeit, das ist nicht nur auf den angenehmen weichen Prellschlag zurückzuführen, sondern auf die Gesamtcharakteristik. Ein jeder, der dieses Luftgewehr einen kurzen Moment in der Hand hält, gibt es ungern wieder her, was mein Nachbar heute Mittag eindrucksvoll unter Beweis stellte. Daher ist es vollkommen unverständlich, dass die Norica Massimo so selten anzutreffen ist. Für alle Weihrauch oder gar Diana verliebte stößt dieses Gewehr neue Türen auf, ich spreche da aus Erfahrung. Somit empfehle ich das Norica Massimo, unter Bewertung aller Eigenschaften die ein Luftgewehr auszeichnen, mit bestem Gewissen weiter. Auch wenn der Preis relativ üppig ausfällt, so ist er unterm Strich gerechtfertigt. Dieses Norica der neueren Generation ist in keinster Weise mit der anderen, spanischen Konkurrenz zu vergleichen, das ist eine völlig andere Qualität. In Punkto Verarbeitung wurden alle Hausaufgaben hervorragend gemacht und abschließend sei dazu gesagt: Das Gewehr mit dem "Made for Umarex" (aber made in Spain) ist eine absolute Referenz für das im zwielichtstehende Unternehmen!


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    Nachtrag (16.09.2011)

    So, endlich herrscht schönes Wetter und nahezu Windstille. Geschossen wurde auf 22m. 6 Schuss mit RWS Meisterkugeln 4,5mm aufgelegt. Von insgesamt 4 Zielscheiben ist das meine Beste:

    Hätte ich es bei 5 Schuss gelassen, wäre der Schuss am äußersten rechten Rand der Schussgruppe nicht gewesen und ich hätte mit einem Streukreis von 7mm prahlen können, aber wenn das Wörtchen "WENN" nicht wär... Nichts desto Trotz, 13mm auf diese Entfernung können sich absolut sehen lassen und wie der Herr schon zu schulmeistern wusste: Wer frei von Ausreißern ist, werfe den ersten Stein!