Pistole 8mm: ME Mod. 800 P

  • Die ME Mod. 800 P wurde von der Waffenfabrik Herbert Schmidt GmbH ( HS ) für die Cuno Melcher KG ab Ende 1982 hergestellt. Die 800 P basiert auf der älteren HS 5A mit PTB 100, mit der sie sich die Grundform des Griffstückes und die Stahleinlage des Verschlusses teilt. Das Magazin wurde von der älteren ME 8 Combat übernommen und ist mit dem identisch.
    Gleichzeitig mit der ME Mod. 800 P fertigte HS für die eigene Modellpalette das Schwestermodell HS GAP 88, welches sich durch eine andere Art Sicherung von der 800 P unterscheidet.
    Das Besondere an der ME Mod. 800 P ist ihre Art der Sicherung, wie es sie bei den Schreckschußpistolen nur bei diesem Modell gibt. Noch in den 80er Jahren wurde die Produktion dieses Modells wieder eingestellt, was die Waffe heute relativ selten macht.

    Linke Seitenansicht:

    Rechte Seitenansicht:

    Technische Daten

    Vorbild:....keines
    PTB:........333
    Beschuß:.Mellrichstadt 1983
    Kaliber:.....8 mm k
    Kapazität:.8 Schuß
    Gewicht:...534 g
    Länge:......160 mm
    Breite:......27 mm ( ohne Sicherungsflügel: 24 mm )
    Höhe:.......108 mm ( ohne Magazinfuß: 100 mm )

    Alle Werte sind selbst ermittelt und können von Werten in der Literatur und der Gebrauchsanweisung abweichend sein.

    Mündungsansicht mit 6,5 mm Durchmesser:

    Beschußstempel:

    Ausführungen
    Die ME Mod. 800 P wurde nur brüniert in zwei Varianten hergestellt. Einmal die hier vorliegende Standardvariante mit der einteiligen Kunststoffgriffschale und dem Magazinfuß aus Kunststoff, sowie in einer Luxusvariante mit einteiliger Holzgriffschale und einem Holzmagazinfuß, wobei Griffschale und Magazinfuß Verschneidungen in Rankenform haben.
    Standard- und Luxusausstattung ist beim Schwestermodell HS GAP 88 identisch, wobei die HS häufiger als Luxusvariante vorzufinden ist wie die ME.

    Hier die Luxusvariante ( aus "Verteidigen mit freien Schußwaffen Schreckschuß + Gas, von Joachim Münstedt, 2. Auflage 1984 ), unten die HS GAP 88:

    Verarbeitung

    Dieses Kapitel ist typisch HS ein Erfreuliches, da in Hinblick auf Langlebigkeit viel Stahl seine Verwendung in dem Modell gefunden hat ( was auch auf die Herkunft von HS deutlich hinweist! ME ist bei Stahl sehr viel sparsamer.).
    So hat die 800 P einen massiven Stahllauf, in dem die Sperren ( ! ) von außen durch Schlitze und Bohrung eingesetzt und verschweisst wurden. Das Patronenlager ist Teil des Stahllaufes und nur von außen mit Zinkdruckguß überzogen. Der Patronenstoßboden ist als Teil des Verschlusses wie fast der gesamte Verschluß aus Stahl und im Zink-Schlitten eingegossen.
    Selbstverständlich sind Schlagbolzen, Ausstoßer, Auszieher, Abzugsgestänge, Federn, Schrauben, sowie die Zerlegehilfe ebenfalls massiv Stahl.
    Das Magazin besteht bis auf den Fuß ebenfalls komplett aus Stahl. Der unter dem Griffstück liegende Magazinhalter ist wie der Abzug aus Zinkdruckguß.

    ME Mod. 800 P zerlegt:

    Patronenstoßboden in pur Stahl:

    Der Stahllauf mit den Sperren ( vorne eine senkrecht oben und unten eingeschweisste Stahlplatte und vor dem Patronenlager ein senkrecht eingesetzter Stahlstift :(

    Sicht in den Lauf:

    Die Brünierung, oder richtiger Beize, ist von erstklassiger abriebfester Qualität. Das Griffstück ist glänzend gebeizt und der Schlitten matt. Dabei sind die Flanken des Schlitten vor dem Beizen überfräst worden, um den Eindruck eines gefrästen Stahlschlitten zu erzeugen.

    Die einteilige Griffschale ist massiv gegossen worden und besteht aus 5 - 11 mm dicken Kunststoff ohne Aussparungen oder Hohlstellen. Befestigt wird die Griffschale durch eine lange Schraube, welche in einer Bohrung durch das Griffstück geht und in einem in der Griffschale eingegossenen Gegenlager verschraubt wird. Der Gesamteindruck der Griffschale erinnert sehr stark an die Bakelitgriffschalen von Waffen des frühen 20 Jahrhundert.

    Griffschalenunterseite:

    Technik
    Die ME Mod. 800 P ist eigentlich eine typische Schlagbolzenschloßwaffe mit Single-Action-Abzug wie ihr Schwestermodell HS GAP 88 und ihre technische Basis HS 5A. Eigentlich deshalb, weil die 800 P als einzige Schreckschußpistole über eine Schlagbolzensicherung verfügt. Dabei wird der gespannte Schlagbolzen, wenn man die beidseitigen Sicherungshebel am Schlitten herunterschwenkt, durch eine Rast der stählernen Sicherungswalze blockiert. Damit das nicht durch Verschleiß unsicher werden kann, liegt die Sicherungswalze im stählernen Bereich des Verschlusses.
    Die Sicherungsflügel selber sind aus Zinkdruckguß.

    Die Sicherungsrast bei eingelegter Sicherung:

    Gegen das Überdrehen der Sicherungshebel gibt es einen stählernen Anschlagbolzen:

    Die eigentliche Abzugssicherung, welche bei der HS GAP 88 und der HS 5A mit einem Sicherungshebel vor der Griffschale betätigt wird, ist bei der 800 P ebenfalls vorhanden und funktionstüchtig. Allerdings wurde der Hebel gegen einen Schlitzschraubenkopf ersetzt, weshalb diese recht unsichere Art der Sicherung nur mit einem Schraubendreher, beziehungsweise mit einem damals üblichen 1-Pfennig-Stück, betätigt werden kann - sozusagen eine frühe Form der Kindersicherung, wie wir sie heute bei der Walther P 22 vorfinden.

    Die "Kindersicherung" ( Pfeil ) und die Schlittenbeschriftung:

    Die gegenüberliegende Seite mit Halte-/Rastfeder:

    Das Zerlegen ist wie bei vielen Schlagbolzenschloßwaffen recht einfach:
    Waffe entsichern - Magazin raus - sich vergewissern, daß auch das Patronenlager leer ist - Waffe entspannen - Schlitten etwa 1/3 Repetierweg zurückziehen, dann auf der Schittenoberseite vor der Kimme den Hebel der Zerlegehilfe drücken und gedrückt halten - den Schlitten wieder in die Ausgangspositions bringen - den Schlitten hinten nach oben heben und nach vorne vom Lauf schieben.

    Dabei aber vorsichtig mit dem Schlitten und dem darin unter Spannung stehenden Haltebolzen ( Schlagbolzengegenlager ) umgehen. Denn löst die Zerlegehilfe, fliegt der Haltebolzen samt Schlagbolzenfeder und häufig auch mit dem Schlagbolzen weit weg und es darf gründlich und sehr zeitraubend gesucht werden! Daher bietet es sich an, beim Abheben des Schlitten einen Finger vor dem Haltebolzenloch zu haben.

    Eingelegte Zerlegehilfe von außen:

    Eingelegte Zerlegehilfe von innen:

    Der stählerne Auszieher ist identisch mit dem der ebenfalls von HS hergestellten Geco 1910 und ist, wie bei der ersten PTB-Zulassung der Geco 1910, mit einer Schraube montiert. Falls dieses massive Bauteil tatsächlich mal Schaden nehmen sollte, kann man ohne Probleme dieses Bauteil austauschen.

    Draufsicht auf den Schlitten mit Halteschraube des Auszieher ( Pfeil :(

    Schiessen
    Da die ME Mod. 800 P aus der guten alten Zeit mit ihren maximal 600 bar Gasdruck starken Patronen stammt, ist sie natürlich auch auf diesen starken Gasdruck ausgelegt. Daher funktioniert das Schiessen mit heutiger Munition nur recht unzuverlässig. Die Zuverlässigkeit kann man mit einer Staudruckschraube im Laufgewinde erhöhen. Ich habe mit meinem Exemplar bisher nicht geschossen, da Angesichts des guten Zustandes dieser Seltenheit der jetzige Zustand erhalten werden soll. Wer seine ME Mod. 800 P trotzdem mal mit heutiger Munition ausprobieren möchte, der benötigt eine Staudruckschraube mit 7 mm Gewindeaussendurchmesser, Feingewinde mit 0,8 Steigung. Das innere Loch sollte etwa 3 mm betragen.

    Größenvergleich mit bekannten Modellen:
    Die ME Mod. 800 P hat etwa die Schlittenlänge von einer Walther PP und die Griffhöhe einer Walther PPK. Damit hat sie die nicht perfekte Handlage einer PPK bei gleichzeitiger etwas sperriger Länge einer PP - sie vereint sozusagen die Nachteile beider Formate.

    Vergleich mit dem PP-Klon ME 9-PP und dem PPK-Klon RG 800:

    Abstammung und Verwandtschaft
    Wie schon erwähnt, stammt die ME Mod. 800 P von der älteren und erheblich kleineren HS 5A mit PTB 100 ab. Dies lässt sich an der Form des Griffstückes mit Abzugsbügel und an der identischen Stahleinlage im Verschluß nachvollziehen. Lauf und Schlittenmündung sind weitgehend identisch mit der ebenfalls von HS gebauten Geco 1910. Das Magazin ist identisch mit dem der ME 8 Combat / Pocket, welche in erster PTB 176 ebenfalls von HS für ME gefertigt wurden. Erst für die späteren PTB-Zulassungen der HS 5A ( identisch mit ME 8 Detective ) mit PTB 100/2 und der ME 8 Combat mit PTB 176/2 zeichnet ME verantwortlich, was sich in fehlenden Stahl und erheblich reduzierter Haltbarkeit der Modelle äussert.
    Bei den beiden folgenden Fotos sollte das Augenmerk auch auf der Form der Abzugsgestänge liegen. Die praktisch identischen Grundformen der Griffstücke, sowie der Bauart der Magazine sollten gut erkennbar sein.

    ME Mod. 800 P mit links ME 8 Combat PTB 176/2 und Rechts HS 5A PTB 100:

    Fazit
    Der Sammler und Liebhaber solch älterer Modelle kommt beim Erwerb eines solchen Stückes voll auf seine Kosten, da häufig eine längere Suche nach so einem Exemplar glücklich endet.
    Für den Nutzer stehen erheblich bessere Modelle modernerer Entwicklung zur Verfügung, so daß ein so seltener Oldie nicht unbedingt genutzt werden sollte. Wer trotzdem eine ME Mod. 800 P oder ihr Schwestermodell HS GAP 88 sein eigen nennt und es auch schiessen möchte, der hat bei Verwendung von alter 600 bar Munition oder einer Staudruckschraube sicher seinen lange währenden Spaß, da die Materialwahl und Verarbeitung ein langes und verschleißarmes Leben verheißen.
    Zum Führen ist die ME Mod. 800 P auch mit alter 600 bar Gasmunition nicht unbedingt geeignet, da zwar mit der Schlagbolzensicherung ein sicheres Führen möglich ist, aber die Schlagbolzenfeder dabei ständig unter Spannung zusammengedrückt ist und dies mittelfristig mit Erlahmen quittieren wird.

    So ein Schätzchen gehört in die Schatztruhe oder moderner: in die Vitrine, wo der geneigte Sammler sich an ihr erfreuen kann.

    Vogelspinne