Pistole 8mm: Erma KGP690

  • Wie hier versprochen, möchte ich nach längerer Pause doch noch einmal einen Bericht für Euch schreiben. Nach Euren Wünschen gefragt, wolltet Ihr am liebsten etwas über die Erma KGP690 lesen und so habe ich mich diesbezüglich an die Arbeit gemacht. Das Ergebnis könnt Ihr hier lesen bzw. sehen. Doch erstmal einen visuellen „Appetizer“:


    Die Vorgänger & Parallelmodelle der KGP690

    Seit der Neugründung von Erma in den 1950ern in Dachau hat sich die Firma unter anderem mit der Fertigung von technisch einfachen Kurzwaffen in schwachen Kalibern beschäftigt, welche optisch an bekannte Vorbilder anknüpften. In diesem Zusammenhang entstanden ab dem Ende der 1950er Jahre verschiedene Prototypen im Kaliber .22LfB, die in ihrem Aussehen der Pistole 08 entsprachen. Ab 1964 erfolgte dann die Serienfertigung einer derartigen Pistole, der Erma LA22. Parallel zu deren Fertigung wurden Austauschteile für die originale Pistole 08 gefertigt und auch komplett überarbeitete 08er angeboten.

    Bereits 1967 ist die LA22 dann überarbeitet worden. Diese neue Version heißt EP22 und wurde bis 1971 gefertigt. Von der Waffe gab es auch eine lange Version mit Vorderschaft – die ET22, die aber nur bis 1969 gebaut wurde. All diese Modelle entsprechen in ihrer Größe der originalen Pistole 08, während sämtliche im Folgenden besprochenen Pistolen eine verkleinerte Version darstellen.

    Die bisher genannten Waffen waren technisch noch relativ weit von der KGP690 entfernt. Dies änderte sich 1968, als ein näherer Verwandter, die KGP68, auf den Markt kam. Dieses Modell wurde ausschließlich in den Kalibern 7,65mm Browning und 9mm Kurz angeboten und bereits 1970 überarbeitet und KGP68A genannt. Letztere ist dann bis 1990 gefertigt worden.

    Kurz nach der Einführung der KGP68 kam auch eine Kaliber.22LfB-Variante auf den Markt. Diese KGP69 genannte Waffe ist der direkte Vorfahre der KGP690 und wurde wie die KGP68A-Schwestermodelle bis 1990 gebaut. Ferner gab es noch ein paar Prototypen, eine Kleinserie im Kaliber 9mm Luger (die KGP70) und eine speziell für den französischen Markt entwickelte, langläufige Einzellader-KGP69, die Ende der 1980er Jahre herausgebracht wurde. Diese KGP69E benannte Version hat mit der KGP69 und KGP690 sehr viel gemeinsam. Hier noch ein Gruppenfoto einiger Modelle (alle abgebildeten Waffen wurden von Erma gebaut):


    Und hier ein Bild sämtlicher Patronen bzw. Kartuschen, für die Erma über die Jahre solche Kniegelenkpistolen baute:


    Der direkte Vergleich von KGP69 (.22LfB) und KGP690 (8mmK) im Bild unten zeigt deren Ähnlichkeit. Und in der Tat sind einige Teile baugleich und damit austauschbar, wie das bei vielen Erma Waffen der Fall ist.


    Die KGP690

    Nachdem wir das Umfeld der KGP690 grob skizziert haben und damit wissen, was Erma alles vor und neben der 690er an Kniegelenkwaffen gebaut hat, widme ich mich nun unserem Hauptthema. Es war im Jahre 1978 als Erma die Konstruktionszeichnungen fertigstellte und die ersten Prototypen baute.

    Die allererste KGP690 war noch mit KGP690G beschriftet und trug die Seriennummer 000001. Für den Bau dieses Prototyps wurde auf ein Griffstück der KGP69 zurückgegriffen. Gut zu sehen ist dabei, dass Erma die KGP69-Seriennummer weggefräst hat, danach die neue Seriennummer eingestanzt wurde und die beiden fehlenden Zeichen in der Beschriftung (0G) von Hand eingeschlagen wurden. Danach ist das Griffstück neu geschwärzt worden. Ansonsten gibt es im Gegensatz zu vielen anderen Erma-Prototypen kaum Unterschiede zu den Serienwaffen. Hier ein Detailbild der Prototypen-Beschriftung:


    Obwohl die KGP690 erst sehr spät im Jahre 1978 in die Läden kam (trotz einer Zulassung durch die PTB am 4.7.78), sind doch noch etwa 850 Waffen im ersten Jahr entstanden. Im Folgejahr wurden dann mindestens 4500 davon gefertigt. Danach gingen die Nachfrage und damit die Fertigungszahlen langsam aber stetig zurück, bis am Ende im Jahr 1991 nur noch etwa 250 KGP690 gebaut wurden. Insgesamt entstanden über die gesamte Bauzeit etwa 15.000 Pistolen dieses Modells. Diese waren jeweils mit einer fortlaufenden Seriennummer versehen, wobei 1989 einmal eine ganze Charge an KGP690 mit Seriennummern der KGP69 gefertigt wurden, da jemand den falschen Rollenstempel zur Beschriftung in die Maschine eingelegt hatte. Diese Waffen erkennt man an einer 6-stelligen Seriennummer, welche mit 314xxx beginnt. Die normalen KGP690-Seriennummern liegen zwischen 00000x-014xxx.


    Versionen


    Die gegenüber der originalen Pistole 08 kleineren KGP690 (siehe Bild oben, dass eine originale Pistole 08 im Vergleich zur KGP690 zeigt) gab es ab Werk ausschließlich in schwarz und mit nur einer Lauflänge. Lediglich zwei unterschiedliche Griffschalen standen zur Auswahl. Neben flachen Nussbaum-Griffschalen mit Fischhaut gab es auch braune Kunststoff-Griffschalen, die etwas rundlicher waren und linksseitig eine Daumenauflage hatten. Hier ein Bild der unterschiedlichen Griffschalen:


    Ferner gab es zwei unterschiedliche PTB-Zulassungen: 1978-85 wurde die PTB 209 und 1985-93 die PTB 402 gebaut. Bei letzterer muss aber gesagt werden, dass zwar die Zulassung bis Ende März 1993 bestand, mir aber keine KGP690 bekannt ist, die einen staatlichen Beschuss nach 1991 trägt. Zur Vollständigkeit hier das obligatorische Bild der unterschiedlichen PTB-Beschriftungen:


    Die beiden PTB-Versionen unterscheiden sich ausschließlich am Lauf. Während bei der frühen PTB-Zulassung noch ein kompletter Laufmantel um das Kartuschenlager vorhanden ist, weist die späte Zulassung zwei große und tiefe Ausfräsungen an der Unterseite auf. Alle anderen Teile sind unverändert und selbst die Laufsperre ist bei beiden Versionen gleichgeblieben.


    Technik

    Bevor wir in die Technik abtauchen, vorab einige Grunddaten:
    - Größe: 188x127x32,5mm (Länge x Höhe x Breite)
    - Gewicht: 775gr (leer mit Magazin)
    - Sicherung: nur manuelle Abzugssicherung mit linksseitigem Bedienhebel
    - Kaliber: 8mmK
    - Kapazität: 6+1 Schuss
    - Abzugsgewicht: ca. 1600gr

    Technisch gesehen ist die KGP690 ein unverriegelter Feder-Masseverschluß, wie auch alle anderen Kniegelenkwaffen von Erma. Es gibt also im Gegensatz zum Vorbild keine Verriegelung und Steuerkurve oder andere interessante technische Details. Trotzdem ist die KGP690 technisch nicht uninteressant.

    So verfügt die Waffe über einen Verschlußfang. D.h. der Verschluß bleibt nach dem letzten Schuss geöffnet. Bei einem optimal funktionierenden Verschlußfanghebel kann man sogar durch ein leichtes „Einschlagen“ eines geladenen Magazins mit dem Handballen diesen Fang auslösen, sodass die Waffe sofort wieder schussbereit ist. Bei einigen Exemplaren funktioniert der Verschlußfang nicht zuverlässig. Hier kann aber, sofern eine Grundreinigung keine Abhilfe bringt, eine Bearbeitung des ausgebauten Fanghebels das Problem einfach beheben.

    Leider verfügt die KGP690 nicht über die technisch interessante Magazinsicherung ihrer Schwestermodelle KGP68A und KGP69. Zumindest die manuelle Abzugssicherung ist aber vorhanden. Trotzdem kann ich vor einem durchgeladenen Führen dieser Waffe nur abraten, da sich der Sicherungshebel durch die Reibung an Holster, Tasche oder Kleidung durchaus in die feuerbereite Stellung bewegen kann. Auch ist keine Fallsicherung vorhanden.

    Die Magazine fassen sechs 8mmK-Kartuschen. Eine Ladehilfe wurde über einige Jahre den Waffen beigelegt, was das Laden der letzten Kartuschen erheblich erleichtert. Leider war diese Ladehilfe nicht immer dabei und fehlt heute meist bei Gebrauchtwaffen. Vom Kürzen des Magazinbodens, um die Magazinkapazität zu erhöhen, kann ich nur abraten, da die Feder dann schnell erlahmt und auch die Funktionssicherheit leidet. Erma hat sich etwas dabei gedacht, das Magazin auf sechs Kartuschen zu begrenzen, obwohl vom Platz her auch locker acht reinpassen würden. Hier noch ein Bild des Magazins nebst Ladehilfe:


    Die Ladehilfe wird mit einem ihrer Löcher auf den Knopf am Zubringer des Magazins gesteckt und dann kann man einfach mit dem Daumen der magazinhaltenen Hand den Zubringer herunter ziehen, während die andere Hand die einzelnen Kartuschen in das Magazin führt.

    Wie jede Erma Schreckschußwaffe (abgesehen von der PTB69 & den Langwaffen) wurde die KGP690 mit einem M8x1,0-Feingewinde an der Laufmündung ausgestattet. Ein passender Zusatzlauf zum Verschießen von pyrotechnischer 15mm-Munition lag jeder Waffe bei. Ferner wurden die meisten Waffen mit einer Staudruckschraube ausgeliefert. Wenn man den Zusatzlauf einschrauben will, sollte man diese vorher entfernen. Da auch Staudruckschrauben ohne Schraubendreher-Schlitz seitens Erma verbaut wurden (für die braucht man ein Spezialwerkzeug, will man die ohne Beschädigungen entfernen), lässt sich das nicht immer ohne weiteres machen. Hier ein Bild dieser beiden Teile:


    Ansonsten ist die KGP690 eine sehr hochwertig gefertigte SSW. Sämtliche Funktionsteile sind aus Stahl und bei guter Pflege sind Schusszahlen bis weit in den 5-stelligen Bereich möglich. Die Funktion ist mit eingeschraubter Staudruckschraube bzw. Zusatzlauf sehr gut. Ohne diese Schraube können insbesondere frühe Waffen durchaus Probleme mit der heutigen Munition haben (müssen aber nicht).


    Auslieferungs-Zustand

    Neben der KGP690 selbst, der Bedienungsanleitung, dem serienmäßig mitgelieferten Zusatzlauf und der teilweise mitgelieferten Ladehilfe & eventuellen zusätzlichen Hinweis-Zetteln waren in jedem der braunen Erma-Kartons mit seiner weißen Styroporeinlage noch eine Bürste und eine Erma-Anstecknadel. Für ein optionales Ersatzmagazin war bereits eine Aussparung in der Einlage vorgesehen. Hier ein Bild von dem Ensemble:


    Zerlegen

    Zum Grundreinigen langt eine Teilzerlegung der Waffe vollkommen aus. Dabei umfasst man den Lauf der völlig entladenen und entspannten KGP690 mit einer Hand so, dass der Abzugbügel im Daumenbereich ist (siehe unten Teilbild 1). Dann kann man durch Druck mit dem Daumen auf den Abzugbügel das Griffstück ein paar Millimeter gegen den Federdruck nach hinten verschieben. In dieser Position lässt sich der Verriegelungsbolzen leicht linksseitig aus dem Griffstück schieben (bei Teilbild 2 bereits entfernt). Jetzt mit der anderen Hand den Pistolengriff greifen und den Lauf nach hinten schieben, bis der hintere Gelenkstift frei ist (Teilbild 3). Dann wird dieser zur Seite herausgeschoben und das Kniegelenk hochgeklappt (Teilbild 4). Jetzt lässt sich der Lauf samt Gabelstück nach vorne vom Griffstück abziehen und man kann die Federn und den Verschluss entnehmen (Teilbild 5).


    Jetzt ist eine Grundreinigung der Einzelteile einfach möglich. Wer will, kann auch noch die Griffschalen abschrauben. Ansonsten würde ich von einer weiteren Zerlegung des Griffstücks absehen. Auch wenn dies nicht so schwierig ist, wenn man über entsprechendes Werkzeug verfügt und genau weiß, wie das Griffstück aufgebaut ist.

    Der Zusammenbau geschieht dann in umgekehrter Reihenfolge. Erst wird der Verschluss samt Schlagbolzen in die Laufgabel geschoben und dann diese von vorne auf das Griffstück geschoben, bis die Gabel hinten übersteht. Danach werden die Federn und Stangen eingelegt (die Verschlußfeder wird mit der Hülse zuerst in das Griffstück gesteckt und nicht umgekehrt) und das Kniegelenk nach hinten geklappt. Jetzt sollte man die „Öse“ der Schlagfederstange in das Kniegelenk „einfädeln“ und darauf achten, dass die Kniegelenkfederstange frei unten im Griffstück liegt. Nachdem der hintere Gelenkstift wieder eingesetzt ist, kann man noch die Federstange ausrichten, sodass deren kugel-förmiges Ende beim Vorschieben des Laufes auch wirklich in die entsprechende Vertiefung im Kniegelenk rutscht. Danach wird der Lauf so weit vorgeschoben, bis man den Verriegelungsbolzen wieder einschieben kann und schon ist die KGP690 wieder komplett.

    Zur Funktionsprüfung sollte man noch einmal die Pistole spannen und leer abschlagen. Wenn dies funktioniert, ist die Waffe richtig zusammengebaut und definitiv entspannt.


    Fazit

    Die KGP690 ist eine sehr hochwertig verarbeitete SSW an der man viel Spaß haben kann. Allerdings sollte man sich vor einem Kauf im Klaren sein, dass die Waffe kleiner als das Vorbild ist. Wenn man damit ohne Zusatzlauf Schießen möchte, sollte die Staudruckschraube beim Kauf nach Möglichkeit mit dabei sein. Beim Berücksichtigen der genannten Punkte wird man den Kauf definitiv nicht bereuen und kann sich über viele Jahre an einer technisch interessanten und sehr hochwertig verarbeiteten Schreckschusspistole erfreuen. Ferner steigen seit Jahren die Preise für Erma Schreckschusswaffen auf dem Gebrauchtmarkt, was das finanzielle Risiko einer derartigen Anschaffung minimal hält.

    Ich hoffe, dieser kleine Bericht ist hilfreich für Euch. Wenn Ihr Ergänzungen, Kommentare oder Anmerkungen habt, einfach eine kurze PN schreiben. Grammatikalische und Rechtschreib-Fehler dürft Ihr behalten, wenn Ihr welche findet ;)

    Abschließend möchte ich Euch nochmal daran erinnern, dass ich dringend auf Eure Mithilfe in Bezug auf die Erma Seriennummern-Erfassung angewiesen bin (siehe hier und das vorläufige Ergebnis hier). Helft also bitte mit, weitere Daten (auch von scharfen Erma’s) zu ermitteln.

    flens69@CO2Air