Pistole .35: Röhm Modell 735

  • Die Röhm Modell 735 (PTB 482) ist, neben der baugleichen 725, die optisch eindrucksvollste Selbstladepistole der Qualitäts-SSW-Schmiede aus Sontheim. Das besondere an ihr ist, dass sie eine von nur vier PTB-zugelassenen Waffen im Kaliber .35 Knall ist und die einzige, die neben hoher Qualität und Zuverlässigkeit die Annehmlichkeit einer Entspannsicherung und eines Schlittenfangs bietet.

    Die Waffe wirkt auf den ersten Blick, bedingt duch den klobigen Griff und den großen Abzugsbügel, wie die sprichwörtliche Taschenflak, aber das täuscht: Schlitten und Griffstück sind kürzer als etwa bei einer 1911er.

    Der Grund für das große Griffstück (Umfang ca. 16cm) mit dem ungewöhnlichen Magazinhalter und die große Auswurföffnung im Schlitten ist, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, dass die 735 auf einer (in Deutschland natürlich erlaubnispflichtigen) Waffe im Kaliber 9mm Flobert aufbaut. Mann kann hier gut erkennen, wie tief der ursprüngliche Magazinschacht war.

    Ein wirkliches Vorbild hat die 725 nicht, das Design zeigt aber deutliche Anleihen bei diversen Browning-Pistolen, kombiniert mit der Schloss-/Sicherungstechnik der Walther PP.

    In meinem Bericht möchte ich vor allem auf praktische Details eingehen, da die technischen Daten auch in anderen Testberichten zu finden sind.


    Schießen

    Da meine 735 nicht mehr ganz neu war, als ich sie bekam und ich das Glück hatte einige alte .35 Muniton von RWS (in roten 25er Pappschachteln) relativ günstig zu bekommen, hatte ich ich keine Hemmungen, sie in den letzten Jahren an Silvester zu schießen. Nach mittlerweile 300 Schuss und keiner einzigen Störung würde ich behaupten, dass sie eine der zuverlässigsten Selbstlade-Schreckschusspistolen überhaupt ist.
    Die alte RWS-Muniton scheint aber noch einen deutlich größeren Schwarzpulveranteil zu haben als aktuelle Pistolenmunition, die Waffe verdreckte ungewöhnlich stark, was leider auch ein paar dauerhafte Verfärbungen im Nickel hinterließ. Allerdings führte auch die dicke Dreckschicht erstaunlicherweise zu keinen Funktionsstörungen.
    Der Abzugsweg in SA ist sehr kurz und leichtgängig, wie man es selten bei einer SSW vorfindet (hier ist der Abzug am Druckpunkt).

    Das ermöglich sehr schnelle Schussfolgen und verführt schon mal dazu, dass der Lauf siedend heiß geschossen wird. Aber auch dann rattert sie noch wie ein Uhrwerk.
    Der „scharfen“ Vergangenheit verdankt die 735 auch den, für die .35-Patronen eigentlich unnötig langen, Repetierweg und damit einen einigermaßen fühlbaren Rückstoß.
    An kalten Silvesterabenden ist auch das Schießen mit Handschuhen dank des großzügigen Abzugsbügels kein Problem. Allerdings ist der Schlittenfanghebel etwas unergonomisch, wegen des großen Griffes kann man ihn als Rechtshänder nicht ohne weiteres mit dem Daumen auslösen.

    Die aktuellen Preise für die .35er Munition sind leider sehr hoch, etwa 15 Euro für 25 Schuss und damit auf dem Niveau der .45er Revolverpatronen. Für das häufige Schießen ist die 735 daher nicht zu empfehlen, zumal sie mittlerweile einen recht hohen Sammlerwert hat und es ein identisches Nachfolgemodell in 9mm PAK gibt.


    Führen

    Auch wenn die 735 sich als äußerst zuverlässig erwiesen hat und sicherheitstechnisch tadellos ist, kann man die Waffe aufgrund ihrer Größe nicht zum alltäglichen Führen empfehlen. Erschwerdend kommt hinzu, dass es nur CS-Patronen für dieses Kaliber gab/gibt und keine Pfeffermunition.


    Ersatzteile

    Ersatzteilbeschaffung ist bei der 735 ein überschaubares Problem, es passen sämtliche Schlossteile der 725 erster und zweiter Version. Bei der zweiten 725-Version wurden Magazin, (vorderer) Magzinhalter und Abzugsbügel geändert, diese lassen sich bei der 735 nicht verwenden. Vom Schlittenfanghebel existieren mehrere Versionen aus Kunststoff und Zinkguss, mann kann aber alle Varianten mit einer Feile problemlos an die 735 anpassen.

    Ein bekanntes Problem ist, dass sich die Griffschalen meist nicht ohne weiteres von Kunststoff auf Holz (oder umgekehrt) tauschen lassen. An beiden Seiten des Griffstücks gibt es zwar drei Befestigungzapfen, oft sind aber nicht in alle Gewinde eingeschnitten. Ich habe meine 735 damals zu Röhm geschickt, um Gewinde für die Holzgriffschalen einscheiden zu lassen, aber selbst danach musste ich noch die Zapfen mit eine Feile etwas abschleifen, weil sonst die Schalen nicht am Griffstück auflagen.

    Der Aufwand lohnt sich aber, da die Holzschalen für eine hochwertige Optik sorgen und die Kunststoffschalen leider zur Rissbildung an den Schraubenlöchern neigen.

    Auf ein paar kleine Schönheitsfehler der 735 möchte ich noch eingehen:

    Bei ab Werk montierten Holzgriffschalen ist am oberen Schraubenloch der linken Schale eine kleine Unterlegscheibe angebracht, die verhindert, dass die Griffschale den Schlittenfanghebel blockiert.

    Ebenso kann es passieren, dass die rechte Griffschale die Abzugsstange bremst und der Abzug nach dem Schuss in der hinteren Position hänegen bleibt. Bei den Kunststoffgriffschalen gibt es diese Probleme normalerweise nicht, da diese andere Toleranzen haben. Man sollte in diesen Bereichen auf jeden Fall mit Öl/Fett nachhelfen und die Griffschalenschrauben nicht mit aller Gewalt festziehen, um die einwandfreie Funktion zu gewährleisten.

    Der Hahn wird beim Repetieren durch die Hinterkante der Sicherungswalze schnell Macken bekommen, das sollte man bedenken, wenn man Wert auf eine neuwertige Optik legt. Die Funktion wird aber auf Dauer nicht beeinträchtigt, da der Hahn eine eingelassene Stahlplatte hat.

    Der Lauf hat bei meiner 735 zwei von außen sichtbare Imbus-Madenschrauben, die die Laufsperre zusätzlich fixieren. Man sollte auf jeden Fall beim Kauf darauf achten, dass die Schrauben noch vorhanden sind.
    Es soll vereinzelt auch vorgekommen sein, dass der vordere Teil der Laufsperre abgebrochen ist, man sollte sich also vor dem Kauf immer die Mündung ansehen. Fehlt der vordere Teil der Sperre, ist dies nicht nur rechtlich kritisch, auch die Funktion könnte aufgrund des geringeren Staudrucks eingeschränkt sein, da der Schlitten verhältnismäßig schwer ist.
    Die Schließfeder sitzt in einer Buchse am Patronenlager, da hier das Gussmaterial relativ dünn ist, kann es hier bei einem Sturz schnell zu einem Bruch kommen.

    Bei der 725 der ersten Ausführung soll es, wenn auch sehr selten, zu Schlittenrissen kommen. Da die 735 identisch aufgebaut ist, wird man wohl auch hier bei einer Belastung von mehreren Tausend Schuss damit rechnen müssen.
    Die Vernickelung ist leider nicht das schöne Veloursnickel, dass man an den aktuellen Röhm-Pistolen findet, das wurde erst bei der 725 eingeführt. Es ist eher mit dem raueren Finish der RG89(N) zu vergleichen. Außerdem wurde die 735 werksmäßig leider mit einem Schlittenfanghebel aus Kunststoff ausgeliefert. Mein Modell weist zudem eine Macke am Patronenlager auf, in der Zuführrampe befindet sich sogar ein kleines Loch, vermutlich von einer Luftblase im Guss. Möglich, dass es sich um eine zweite Wahl handelt, denn sowas würde man im regulären Verkauf nicht erwarten.

    Fazit

    Die 735 ist mit Sicherheit eines der Prachtstücke des sontheimer SSW-Baus. Allerdings ist sie wegen ihrer Anschaffungs- und Munitionskosten mittlerweile eine reine Sammlerangelegenheit, alle anderen Nutzer können aber auf die Alternative Röhm 725 zurückgreifen.