Pistole 9mm: Walther P99

  • Nachdem Walther in Ulm in den 70er Jahren als letzte Dienstwaffe die aus der Walther P 38 herausentwickelte P 5 als Polizeipistole in einigen Bundesländern etablieren konnte, versuchte man in Ulm in den 80ern als nächste Generation einer Polizeipistole eine Vollmetallpistole mit doppelreihigen Magazin zu entwickeln. Das Ergebnis hieß Walther P 88.
    Leider war dieses Modell fertiggeworden, als gerade alle in Frage kommenden Dienststellen ihre Wahl für eine neue Dienstwaffe getroffen hatten und kein aktueller Bedarf für eine neue Dienstwaffe bestand. Die Folge daraus war, daß die P 88 auf dem Markt floppte und das traditionsreiche Haus Walther unter anderen deswegen finanziell vor dem Ende stand.

    So begann ein ein Wettstreit etablierter Hersteller, wie zum Beispiel Steyr, um die Übernahme von Walther, welcher 1993 erstaunlicherweise von einem Unternehmen gewonnen wurde, das niemand auf der Liste hatte: Umarex in Arnsberg, ein Hersteller und Importeur von in erster Linie freien Waffen wie Schreckschußwaffen, Co2- und Druckluftwaffen und deren Zubehör.
    Umarex übernahm 90 % von Walther, während die restlichen 10 % bei der Familie Walther verblieben.

    In Arnsberg nutzte man umgehend die freie Verfügbarkeit des Markennamen "Walther" und bald hießen alle möglichen, und teils auch unmöglichen, freien Waffen "Walther".
    Aber man hatte auch eine gute Übersicht für den neu betretenen Behördenmarkt und entwickelte umgehend und in sehr kurzer Zeit eine neue Dienstpistole nach den neuesten Richtlinien, bei der man in der Materialwahl modernen Pistolen wie zum Beispiel den Modellen von Glock folgte.

    Schon im März 1995 konnte das Ergebnis vorgestellt werden:
    Die neue Walther P 99, eine moderne innovative Dienstwaffe mit doppelreihigen Magazin, Kunststoffgriffstück und ohne manuelle Sicherung, dafür aber mit einem "Sicherheitsabzug", der gleichbleibend jeden Schuß mit einem Abzugsgewicht von 4000 g auslöst. Die angebotenen Kaliber sind 9x19 mm Para für den deutschen, und .40 S&W für den amerikanischen Markt. Inzwischen haben einige Bundesländer die P 99 als Polizeidienstwaffe angeschafft.

    Das Vorbild Walther P 99, 1. Generation:

    1996 startete die Serienproduktion der P 99 und im gleichen Jahr war auch die Schreckschußversion für den Markt freier Waffen fertig und in Produktion.
    Vom Timing her war dies ein Glanzstück, leider war die Umsetzung als Schreckschußpistole eher primitiv als innovativ. So fanden sich in der ersten Baureihe der Schreckschuß P 99 mit der PTB 637 Dinge wie ein Schlagbolzen aus Zinkdruckguß, statt des Schlagbolzenschlosses des Vorbildes ein interner Schlaghahn, usw..
    Mit der PTB 762 wurde die P 99 in einigen Bereichen überarbeitet, was der Haltbarkeit förderlich war.

    Die hier vorgestellte Walther P 99 ist eine der verbesserten P 99 mit PTB 762.

    Seitenansicht links:

    Technische Daten:

    Vorbild: Walther P 99, 1. Generation, Kaliber 9x19 mm, 16-schüssig
    PTB: 762
    Beschuß: AC = 2002 in Köln
    Kaliber: 9 mm PAK
    Kapazität: 15 Schuß ( alte PTB 637: 16 Schuß )
    Länge: 180 mm
    Breite: 32 mm ( mit Schlittenfanghebel )
    Höhe: 137 mm ( mit Magazinschuh )
    Gewicht: 656 g

    Alle Werte sind selbst ermittelt.

    Rechte Seite:

    Die Walther P 99 wird mit brünierten ( gebeizt ) und matt vernickelten Schlitten sowie mit schwarzen und beigefarbenen Griffstück angeboten. Darüber hinaus gab / gibt es diverse Sondermodelle mit titanisierten, aluminisierten und vergoldeten Schlitten, sowie Griffstücke in Fleckentarn- und Carbonoptik.
    Weiterhin gibt es limitierte Auflagen mit geschlitzten Schlitten und verschiedenen Beschriftungen.
    Die hier vorgestellte P 99 ist das Standartmodell mit matt vernickelten Schlitten. Sie hat bisher 30 Schuß mit UMA 9 mm PAK hinter sich.

    PTB, Seriennummer, Kaliberangabe ( Beschußzeichen sind im Griffstück unter PTB eingeprägt :(

    Verarbeitung
    Auf den ersten Blick sieht die P 99 ordentlich verarbeitet aus,weist aber kleinere Unterschiede zum scharfen Vorbild, wie zum Beispiel Form des Schlittenfanghebels, auf. Auch der wechselbare Griffrücken, mit dem sich das Griffstück auf die Handgröße des Schützen anpassen läßt, ist im Unterschied zum scharfen P 99 - Neopren-Griffrücken aus einfachen Kunststoff.
    Die großen Unterschiede sieht man, wenn man den Schlitten abnimmt. Im Innern sieht man sofort den größten Unterschied zum Vorbild, den internen Hahn aus blanken Zinkdruckguß. Der Hahn fällt konstruktionsbedingt recht kurz und massig aus und liefert eine nur schwache Schlagkraft.

    Der Hahn:

    Der Patronenstoßboden ist wie das Meiste an dieser Waffe aus puren Zinkdruckguß. Andere Teile sind aus Kunststoff, was auch weitestgehend völlig in Ordnung geht - Griffstück, Kimme, Korn, Entspanndrücker, Abzug und Schlittenende sind aus dem Material.
    Aus Stahl sind neben dem Schlagbolzen natürlich die Federn, Steckbolzen und der Schlittenfanghebel.

    Was nicht so schön ist, sind Verarbeitungsmängel der Vernickelung im Inneren und sichtbare Nähte von den Grußformen an Kunststoffteilen wie Griffstück und Abzug. An den unteren Schlittenkanten sind deutlich sichtbar ungenügend entfernte Gußnasen, was bei einer Schreckschußwaffe dieser Preisklasse eigentlich garnicht vorkommen sollte.

    Der Patronenstoßboden mit ersten Macken um das Schlagbolzenloch ( Verkupferung unter Nickel schaut durch :(

    Im Griffstück eingelassen ist der Zinkblock mit Lauf, Patronenlager und Halterung für Abzug, Magazinhalter und Federführung. Nur durch das Abzugsgestänge verbunden sitzt im hinten Ende des Griffstückes die Einheit mit Hahn, Ausstoßer und Unterbrecher.
    Der Lauf besteht aus einem inneren "Strohhalm"-Lauf mit einem äußeren Zinkmantel. Durch Einquetschung des inneren Laufes im ersten Drittel und der Sternsperre ist der Lauf relativ dicht und läßt sich auch mit Pfeifenreinigern nicht durchgehend reinigen.

    Laufdurchlässigkeit:

    Die Mündung sieht wegen der deutlich sichtbaren Laufsperre und dem, für eine 9 mm Pistole, mickrigen Durchmesser von nur 7 mm bescheiden aus. Die Sperre endet 5 mm tief im Lauf in einer mittigen Spitze.

    Die Mündung:

    Eine ebenfalls durchaus fragwürdige Konstuktion ist der gefederte Auszieher, welcher in Zinkdruckguß, mit einer kleinen eingegossenen Stahlkralle an der Spitze, gefertigt ist.

    Die Auszieherspitze:

    Mängel in der Vernickelung der Schlitteninnenseite / Befestigung des eingesteckten Kunststoffkorns mit kleinen Spreizkeil aus Stahl:

    Gut zu sehen sind die halbrunden Reste der Gußnasen. Hier wurde offensichtlich bei der Nachbearbeitung des Spritzgusses gespart.

    Technik
    Die scharfe P 99 hat einen verriegelten Browning-Verschluß und ein Schlagbolzenschloß mit immer gleichbleibenden Abzugswiderstand. Die Schreckschuß P 99 hat wie alle Schreckschüsser einen unverriegelten Masseverschluß, und ein DA-/ SA-System mit internen Hahn.
    Dadurch hat der erste Schuß bei entspannten Hahn in Double Action einen Abzugswiderstand von 4180 g, während die folgenden Schüsse in Single Action erfolgen und einen Abzugswiderstand von 3780 g haben ( Angaben aus Visier Special Nr. 8 ).

    Ein weiterer Unterschied zum scharfen Vorbild ist die Unmöglichkeit, von außen zu erkennen, ob der Hahn ge- oder entspannt ist. Das Vorbild hat am Schlittenende dafür eine Öffnung, wo man bei gespannten Schlagbolzen das rot gefärbte Schlagbolzenende sehen und ertasten kann.
    Bei der Schreckschuß P 99 kann man es nur erfühlen, in dem man vorsichtig den Abzug betätigt.
    Hat der Abzug gleich zu Beginn einen deutlichen Widerstand, ist der Hahn entspannt, bei Leichtgängigkeit des Abzuges ist der Hahn gespannt - das ist für eine Waffe ohne manuelle Sicherung eine sehr unsichere Konstruktion, die nur noch durch den Entspanndrücker getoppt wird.
    Der Entspanndrücker drückt bei Betätigung mit einer kleinen Nase auf das Abzugsgestänge, wodurch der gespannte Hahn ausgelöst wird. Der Hahn schägt nun Richtung Schlagbolzen und wird kurz vor den Schlagbolzen von der wirklich schmalen Kante des gedrückten Entspanndrückers gestoppt. Hat man aber den Entspanndrücker nur kurz gedrückt und nicht gedrückt festgehalten, entpuppt sich der Entspanndrücker als 2. Abzug!
    Das kann durch die ungewollte Schußabgabe gesundheitsschädlich bis hin zu unter Umständen lebensgefährlich sein!

    Schlagbolzenende und Entspanndrücker ( vorne Stopkante und hinten rechts Auslösenase :(

    Der stählerne Schlagbolzen hat zum Schutze des Hahnes eine breite Aufschlagfläche. Wegen der schwachen Schlagkraft der internen Hahnes konnte der Schlagbolzen nicht fliegend ausgeführt werden, was beim einem Sturz der fertiggeladenen Waffe unter Umständen dazu führen kann, das der entspannte Hahn dem Schlagbolzen einen ausreichenden Impuls gibt, um die Patrone im Patronenlager zu zünden.

    Zum Zerlegen wird bei der scharfen P 99 der Zerlegeschieber nach unten rausgezogen. Bei der Schreckschuß P 99 ist der Zerlegeschieber rechtsseitig nur ein Fake. Nach Entnahme des Magazins muß man die linke Hälfte des Zerlegeschiebers nach links rausziehen, dabei muß der Schlitten unter Spannung mit der Aussparung genau vor den Zerlegehebel festgehalten werden.

    Zerlegehebel im Griffstück:

    Nach Entfernen des Zerlegehebel wird der Schlitten bis zum Anschlag nach hinten gezogen, hinten angehoben und nach vorne vom Lauf geschoben.
    Nun die Federführungsstange aus Zink mit Schließfeder und Gegenlager aus dem Griffstück nehmen. Weiter sollte man die P 99 auch nicht zerlegen. Zum gründlichen Reinigen nach dem Schiessen und Fetten / Ölen ist es auch ausreichend.

    Die zerlegte P 99:

    Schiessen
    Die P 99 schiesst zuverlässig fast alle Sorten Munition. Störungen treten nur bei Patronen mit harten Zündhütchen und bei höherer Schußbelastung durch Verschleiß auf.
    Bei mehr als etwa 200 - 300 Schuß Lebensleistung kann es passieren, daß Zuführstörungen durch den dann stark gerieften Patronenstoßboden auftreten. Außerdem fängt ab etwa der Schußbelastung es an, daß der Hahn nicht immer nach dem Schuß gespannt bleibt und der Abzug dadurch von Schuß zu Schuß zwischen SA und DA hin- und herspringt, sowie manchmal die Waffe doppelt, also mit einmal Abdrücken 2 Schüsse in Folge abgegeben werden.

    Diese Verschleißerscheinungen treten allerdings sehr weit gestreut auf. Manche P 99 schaffen auch 1.000 Schuß und mehr, ohne daß verschleißbedingte Störungen auftreten. Solche Exemplare dürften aber eine Ausnahme darstellen, da bei mehreren P 99 beider PTB-Zulassungen in meinen Händen bisher immer ab 200 - 300 Schuß Lebensleistung die ersten verschleißbedingten Störungen auftraten.

    Während die scharfe P 99 aufgrund ihrer innovativen Bauart über einen sehr kurzen Repetierweg verfügt, hat die Schreckschuß P 99 wegen ihres nicht so innovativen System bauartbedingt einen etwa doppelt so langen Repetierweg, was man gut sehen kann, wenn der Schlitten im Schlittenfang steckt.

    Schlitten im Schlittenfang:

    Fazit
    Die Schreckschuß Walther P 99 ist eine relativ kompakte und leichte Pistole mit großer Magazinkapazität, was sie eigentlich prädestiniert, um an Silvester viel Spaß zu haben oder die ordentliche Feuerkraft in einem der vielen Passformholster für die Selbstverteidigung zu führen.
    Das "eigentlich" deshalb, weil die P 99 tatsächlich durch ihre Konstruktion und teils auch Materialwahl eine unsichere, unter Umständen sogar gefährliche Schreckschußpistole ist, die einen erfahrenen und besonnen Nutzer erfordert.
    Konstruktionsfehler wie der Entspanndrücker, der bei unkonzentrierter Benutzung einen Schuß auslöst, die Unmöglichkeit, sicher den Ladezustand festzustellen, sind Dinge, die bei keiner Waffe vorhanden sein dürfen!

    Die kleinen äußerlichen Unterschiede zum scharfen Vorbild kann man vernachlässigen, auch wenn sie bei einem Hersteller, der auch das scharfe Vorbild herstellt, eigentlich unverständlich sind.
    Schlechter sind allerdings Verarbeitungsmängel, die sich beim Zerlegen zeigen, sowie die Verschleißfreudigkeit, die sehr oft zu Störungen und frühzeitigen Generalüberholungen im Werk führen. In der Preisklasse jenseits der 150 Euro darf so etwas nicht mehr vorkommen.

    Wegen der genannten Mängel halte ich die P 99 nur für die Vitrine als hübsches Ausstellungsstück geeignet.
    Wer die P 99 nutzen möchte, der benötigt dafür ein hohes Verantwortungsbewußtsein, ruhiges Blut und die ständige im Kopf abgespeicherte Kenntnis des Ladezustandes, um Unfälle zu vermeiden.

    Ich finde es sehr schade, denn Umarex hätte mit der P 99, wenn sie annähernd wie die scharfe P 99 umgesetzt worden wäre, die Schreckschußwaffe konstruieren können.

    Zum Schluß die Walther P 99 in der Hand ( Handschuhgröße 9,5 :(