Modellkanone Old Ironside

  • Die kleine Geschichte einer kleinen Kanone

    Schön länger wollte ich eine kleine Kanone haben. Zuerst einfach als Schmuckstück für den Schreibtisch, aber dann reifte die Idee so ein Teil auch mal zu schießen. Also mal das bekannte Auktionshaus monatelang beobachtet. Nichts Gescheites dabei. Entweder gefiel es nicht, oder nur Dekokram.

    So fand ich bei einem Vorderladershop mehrere Kanonen des spanischen Hersteller Ardesa. Mir gefiel auf Anhieb der Nachbau einer Schiffskanone am besten. Gleich mal angerufen und nach einem Bausatz gefragt. Gibt es auch, aber zum einen nur 16 € billiger und dummerweise erst in frühestens 8 Wochen lieferbar. Eine fertige Kanone ist aber sofort lieferbar.
    Also eine „Old Ironside“ für 176 € plus 8 € Versand bestellt.

    Gesetzliches:
    Es gibt 3 bzw. 4 Arten dieser Kanonen zu unterscheiden:

    > Reine Dekokanonen ohne Beschuss. Sie sind keine Waffen im Sinne des WaffG.
    > Kanonen mit Böllerbeschuss. Diese dienen nur zum Böllern und nicht zum scharfen schießen. Der Beschuss ist alle 5 Jahre zu wiederholen.
    > Kanonen mit scharfem Beschuss. Diese können als Vorderlader mit Lunten oder Funkenzündung ausgeführt sein. Oder sie werden mit einer Perkussionszündung nachgerüstet.

    Das Böllern ist mit Kanonen ohne oder mit scharfem Beschuss nicht zulässig. Zudem ist zum Böllern mit dafür zugelassenen Geräten der Pulverschein mit Erlaubnis zum Böllern notwendig.

    Das scharfe Schießen mit (beschossenen) Kanonen ist auf dafür zugelassenen Schießständen möglich. Auch dafür benötigt man den Pulverschein mit Vorderladereintrag.

    Der Pulverschein.
    Er heißt offiziell Erlaubnis nach § 27 des Sprengstoffgesetzes. Ist das Schießen mit Vorderladern vermerkt, wird auch der Erwerb des zum Vorderladerschießen nötigen Schwarzpulvers erlaubt. Diese Erlaubnis kann jeder beantragen, der einen Lehrgang ähnlich einer Waffensachkundeschulung besucht hat und Mitglied eines Vereines mit Möglichkeit zum Vorderladerschießen ist. Mit diesem Pulverschein wird eine gewisse Bezugsmenge von Treibladungsmittel NC und/oder SP erlaubt. Mir wurden 10 Kg NC oder SP im 5 Jahreszeitraum zugebilligt.

    Geschichte:
    Modellkanone Old Ironside
    Modellvorlage sind die Kanonen der HMS Victory. Schiffbaujahr um 1760. http://www.hms-victory.com

    Daten der Modellkanone:
    Kaliber .69 (17,5 mm)
    Gewicht 4,3 Kg
    Länge über alles 35,5 cm
    (ohne Seil)
    Rohrlänge 31,5 cm

    Staatlicher spanischer Beschuss (Kennzeichnung auf Rohr) Testbeschuss mit 20 g (309 grain) SP bei 45 g Bleigeschoss Maximalladung 12 g (185 grain) SP bei 40 g Bleigeschoss
    2 mm Zündlochbohrung

    Diese beiden Kanonen sind vom spanischen Hersteller Ardesa.

    Die Holzarbeit des Herstellers Ardesa hat nicht so überzeugt. Fast alle Holzteile waren aus einem Brett geschnitten, so dass fast alles 15 mm Holzdicke hatte. Offenbar hat der Hersteller die fertig montierte Lafette einschließlich des Halteseiles in ein Beizbad getaucht. Dann hat er sich noch nicht mal die Mühe gemacht, das rau gewordene Holz nachzubehandeln. Also schön für den Schreibtisch ist anders. Zur Ehrenrettung muss aber gesagt werden, dass das eigentliche Geschützrohr ganz ordentlich gefertigt ist, so wie die Brünierung einwandfrei ist.
    So zerlegte ich die Lafette in ihre Einzelzeile, schliff alles fein über um dann mit Schaftöl die Nacharbeitung abzuschließen. Das war schon erheblich besser und schön glatt.

    Dann begann im Chat eine wunderbare Geschichte:
    Voller Stolz sendete ich ein Foto dieser Kanone in den Chat. Bekannter und geschätzter User „Räbchen“ fand die Holzarbeit gar nicht toll und bot an, das zu ändern. Feines abgelagertes Eichenholz im Stamm sollte geopfert werden. Eike, so der Realname von Räbchen, kennt sich hervorragend mit Holzarbeiten aus und versteht das Handwerk. Er ist ja im Forum durch zahlreiche Waffennachbauten komplett aus Holz bekannt. Nur eine einzelne kleine Lafette war ihm des Aufwandes nicht wert. So bestellte ich eine zweite Kanone, die ich dann gleich zu ihm schicken ließ. In der Wartezeit habe ich einen Segelmacher aufgesucht und neue Seile gekauft. Zur Zierde wickelte ich Mitte und Enden mit Zwirn ab um dort auch noch einen alten Stil rein zu bringen. Mit dem Betrachten der Fotos der HMS-Victory – Link unten – viel uns plötzlich auf, dass die Abmessungen der Räder im Modell nicht stimmen. Eike machte sich sogar die Mühe und vermaß die Kanone auf dem Foto, rechnete und machte neue, anders bemaßte Räder im modellgerechten Maßstab. Diese passen viel besser zum Modell. Ebenso getreu des Originals haben wir beschlossen die Enden des Halteseiles nicht wie in der Ardesa-Lafette in einem Bohrloch verschwinden zu lassen, sondern keine Bohrung anzubringen. Schließlich wäre ein Loch schnell gebohrt, ist aber geschichtlich falsch. Zudem werden die Seile zur Befestigung noch Dienste leisten müssen, da der Rückschlag im scharfen Schuss kräftig sein wird. Alle Beschlagteile wurden wiederverwendet und Eike hat die Unterseite der Lafette noch mit geschmiedeten Nägeln versehen.

    Nach rund zwei Wochen, Eike sprach von rund 20 Stunden reiner Arbeitszeit, war es vollbracht. Wunderbare Holzarbeit, fein geschliffen und mit Hartöl endbehandelt. Als ich das Paket von ihm öffnete, habe ich einen Luftsprung gemacht. Eike – auch hier noch mal vielen Dank für diese schöne Arbeit.

    Wer mag, kann auch den Original-Nachbau der Kanone hier sehen und vergleichen. Hier der Link – bitte ganz nach unten scrolen: http://www.hms-victory.com/index.php?opti…id=59&Itemid=90

    Für die Spezialisten:
    Für diese Kanone habe ich Bleikugeln von H&N im Kaliber .675 = 17,15 mm und 0,12 Schusspflaster eingekauft. Diese Kugeln wiegen 461 Grain = 29,87 Gramm. Ich habe das Schwarzpulver Schweizer Nr. 2 zur Verfügung. Die Pulvermengen werden zwischen 60 – 100 Grain (3,9 – 6,5 g) betragen.
    Zum Vergleich: Das Standardgeschoss einer 9x19 Patrone liegt bei 124 Grains = 8,0 Gramm. Ein 45’er Vorderlader wird üblicherweise zwischen 16 – 20 Grain SP geschossen.

    Ich hoffe eine Geschossgeschwindigkeit von rund 250 m/s zu erreichen, was dann genau 934 Joule entsprechen würde. Somit dürfte diese Kanone auch noch auf den üblichen Kurzwaffenschießständen mit Vorderladerzulassung zu schießen sein.


    Kanone01 Original von Ardesa. Die kleine Kugel ist Kal. .45, die größere .675

    Kanone02 Frisch geölte Teile im Heizungsrau zum trocknen. Der Filzstift dient zum Größenvergleich


    Kanone 04 Beschriftung des Geschützrohres


    Kanone08 Eikes Arbeit nimmt Form an


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