Pistole 8mm: ERMA EGP 75S

  • Trockentest der Schreckschusspistole ERMA EGP 75S

    Sie liegt schon einige Zeit in meinem Koffer, um sie herum sind Schreckschuss-Pistolen und -Revolver gekommen und gegangen, aber diese bleibt: die EGP 75S von ERMA. Das hängt zum einen damit zusammen, dass ich das klassische PPK-Design wunderschön finde, und zum anderen, dass immer noch der erste Eindruck nachwirkt, den ich hatte, als ich die gebraucht bei eGun ersteigerte Pistole zum ersten Mal in die Hand nahm. Das war mein erster Kontakt mit einer ERMA-Pistole gewesen. Viele Legenden hatte ich schon gelesen, zum Teil sogar geglaubt, und wollte selbst mal gucken, was an diesen Lobeshymnen dran ist. Und was soll ich sagen - selbst ein Blinder würde an der erstklassigen Beschaffenheit der Beize, der klapper- und wackelfreien Verarbeitung und dem soliden Gewicht erkennen, dass dieses Stück kein überteuertes Billigprodukt ist, sondern ein echtes Stück deutscher Wertarbeit.

    Die EGP 75S ist ein Nachbau der Walther PPK.

    Die Vorlage, hier im Bild, wirkt etwas größer und schlanker.

    ERMA hat auf mehrere Details der PPK verzichtet.

    Hier hängt beispielsweise der Verschluss am leeren Magazin fest ...

    Die EGP 75S ist 15,5 cm lang, 11,5 cm hoch (von der Kimme bis zum Magazinfuß) und am Griff knapp 2,5 cm breit. Mir liegt die Waffe hervorragend in der recht großen Hand, was auch auf den Magazinfuß zurückzuführen ist; ohne den fände mein kleiner Finger keinen Halt. Die Pistole hat ein angenehm schweres Gewicht von rund 600 Gramm bei leerem Magazin. Das entspricht ziemlich genau dem Gewicht der Vorlage, der Walther PPK. Die EGP 75S besitzt ein siebenschüssiges Magazin für 8-mm-Platzpatronen. Geschossen habe ich sie bisher nicht und werde daher in diesem Test auch nichts zum Thema Schießen oder Selbstverteidigung schreiben. Ich möchte aber auf den hervorragenden Lexikonartikel von flens69 verweisen, in dem so ziemlich alles über ERMA-Schreckschusswaffen steht, was man wissen muss.

    An dieser Stelle sitzt beim Original der Magazinknopf.

    Beschussjahr 1993 (KD).

    Die Oberfläche der tief schwarzbraunen Plastikgriffschalen ist rutschfest.

    Die ERMA EGP 75S ist eine überarbeitete Version der ursprünglichen EGP 75, welche vor dem ersten Schuss manuell gespannt werden musste. Das S hinter der 75 steht hierbei für den Spannabzug; man kann mit der Pistole also sowohl im Single-Action- als auch im Double-Action-Betrieb schießen. Beides geht butterweich von der Hand. Das Abzugsgewicht im Double-Action-Modus beträgt nach meiner Schätzung um die 2 kg, was im Vergleich zu anderen Schreckschusswaffen sehr wenig ist. Dabei lässt sich der Abzug ohne jedes Kratzen und ohne jedes Federgeklimper durchziehen und hat am Ende sogar einen deutlichen Druckpunkt. Mit vorgespanntem Hahn fühlt sich der Abzugswiderstand nach etwa einem halben Kilogramm an (geschätzt mit Hilfe von Wasserflaschen in einer Plastiktüte am Zeigefinger).

    Die Mündungsansicht ist eine Augenweide.

    Die Laufsperre ist selbst bei Blitzlicht fast nicht zu sehen.

    Die deaktivierte und aktivierte Schlagbolzensicherung.

    Sicherungshebel und Hahn.

    Ein wichtiger Grund für den Kauf der EGP 75S (meine hat die PTB-Nummer 401) war für mich die kaum sichtbare Laufsperre. Die besteht aus einem hochkant im Stahllauf befestigten, etwa 1,5 mm breitem Steg und endet großzügige 6,5 mm hinter der Mündung. Die Mündung hat ein M8x1-Gewinde und wird nach hinten hin nicht enger, wie das bei so vielen anderen Schreckschusspistolen leider üblich ist. Von den vielleicht zehn verschiedenen Pistolen, die ich bisher besessen habe oder gerade besitze, hat keine eine so "echte" Mündungsansicht wie die ERMA EGP 75S. - Die einzige Sicherung der EGP 75S ist die Schlagbolzensicherung, bei der nach bewährter Technik durch das Nach-unten-Schwenken des Sicherungshebels beiderseits des Schlagbolzens Nasen erscheinen, welche den Hahn vom Schlagbolzen fernhalten. Der Sicherungshebel ist angenehm leichtgängig und besitzt trotzdem genügend Widerstand beim Umschalten, weil er federgelagert ist.

    Der Abzugsbügel ist gleichzeitig der Zerlegehebel.

    Hinten kann der Schlitten aus seiner Führung herausgeschwenkt werden.

    Hier sieht man schön die Schiene für die Schlittenführung.

    Cabrio.

    Das Zerlegen der ERMA EGP 75S funktioniert wie bei vielen Pistolen von ERMA auf Walther-PPK-Art, nämlich mit dem Herunterklappen des Abzugsbügels, welcher stramm federgelagert ist. Mit der einen Hand zieht man also den Bügel herunter, mit der anderen den Verschluss nach hinten, bis man ihn aus seiner Führung herausheben kann. Danach lässt man ihn wieder nach vorne gleiten, wobei man darauf achten muss, den Abzugsbügel nicht schon loszulassen, weil man sich sonst schnell den Bereich des Schlittens unter der Mündung versaut. Wie es aussieht, wenn man das immer und immer wieder nachlässig gemacht hat, sieht man im nächsten Bild (das war nicht ich, sondern der oder die Vorbesitzer). - Die Rückholfeder des Schlittens ist nicht so stark, als dass die Zerlegeprozedur anstrengend wäre. Gegen das Zerlegen der Geco Mod. P217, die ich vor kurzem für einen Testbericht zerlegt habe, ist der Vorgang bei der EGP 75S ein Genuss.

    Spuren des als Zerlegehebel fungierenden Abzugsbügels.

    Der Stoßboden ist stahlverstärkt und war wohl mal brüniert.

    Das Laufende mit gut sichtbarer Stahleinlage.

    Die ERMA EGP 75S ist eine sehr gut verarbeitete Schreckschusswaffe. Starken Belastungen ausgesetzte Teile wie der Hahn, der Stoßboden und der Lauf sind aus Stahl. Man sieht das auf den Bilder daran, dass die Beize dort entweder schon weggeplatzt ist oder nie vorhanden war. Verschluss und Griffstück sind aus Zinkdruckguss, machen aber einen sehr soliden Eindruck. Da ist alles schön dick und mutet teilweise fast "sowjetisch" an. Vor allem das Griffstück ist ziemlich grob gearbeitet und zeigt deutliche Bearbeitungsspuren in verschiedenen Richtungen. Das hat einen gewissen Charme, ist aber nichts für Ästheten, die überall mit der Lupe unterwegs sind.

    Das polierte Patronenlager mit dezenter Sollbruchstelle.

    Reste der Brünierung des Laufes, vom Vorbesitzer entfernt.

    Das Patronenfenster meiner polierten und einer späten EGP 75S (unten; mit Sollbruchstelle).

    Manchmal findet man bei eGun unglücklich "verschönerte" Waffen. Bei dieser EGP 75S fand ich die leichten optischen Veränderungen allerdings sehr gelungen. Da ich wenig Wert auf ein unberührtes Museumsstück legte, sondern lieber etwas haben wollte, das gut aussieht, war diese Pistole genau die richtige für mich. Der (oder einer der) Vorbesitzer hat sowohl das Patronenlager als auch den Lauf poliert. Das Polieren des Patronenlagers war in diesem Fall gut möglich, weil es sich hierbei um eine Version ohne seitliche Sollbruchstelle handelt. Andere (spätere) Versionen der EGP 75S haben eine im Patronenfenster waagerecht verlaufende und deutlich sichtbare Rille, die ich sehr hässlich finde. Vielen EGP-75S-Besitzern dürfte dies ähnlich gehen, was zur Folge hat, dass man nur ganz selten mal ein Foto der rechten Seite findet.

    Die Plastikgriffschalen stoßen hinten aneinander.

    Das Griffstück in seiner ganzen rustikalen Pracht.

    Beim Spannen schwenkt der untere Teil des Hahns über einen Widerstand und rastet ein.

    An diesem Widerstand zieht die Abzugsstange beim Betätigen des Abzugs.

    Wenn man die fast komplett schwarzen Griffschalen abschraubt, bleibt von der PPK-Eleganz nicht mehr viel übrig. Das Griffstück macht einen rustikalen, aber auch sehr robusten Eindruck. Seine Oberfläche ist nicht gerade das Feinste vom Feinen, aber im zusammengebauten Zustand sieht man davon auch kaum etwas, weil der Verschluss und die Griffschalen viel verdecken. - Die Technik im Griffstück wirkt ähnlich solide und schnörkellos wie das Drumherum. Allerdings konnte ich der Versuchung widerstehen, für diesen Testbericht die Pistole komplett zu zerlegen, nur um noch mehr Fotos machen zu können. Das ist zwar alles recht überschaubar, was man durch die Lücken an Mechanik sehen kann, aber die Federn sehen alle so aus, als wollten sie immer schon mal weiiit springen ...

    Die kräftige Hahnfeder, die beim Spannen zusammengedrückt wird.

    Die Feder belastet zugleich den Magazinauslöser.

    Stichwort kräftige Feder: hinten am Griffstück kann man eine in Aktion sehen. Spannt man den Hahn, schiebt sich eine Stange nach unten in die Feder und übt dabei Druck auf sie aus. Interessant ist, dass dieselbe Feder gleichzeitig den Magazinhalter stützt. Drückt man den Magazinhalter nach hinten, schwenkt seine Aufhängung ein Stück herum und drückt dabei von unten gegen die Feder, welche oben Druck auf den Hahn ausübt. - Der Magazinhalter wäre bei Schreckschusswaffen anderer Hersteller höchstwahrscheinlich aus Plastik, weil er keinen größeren Belastungen standhalten muss. Bei der EGP 75S ist er immerhin aus Zinkdruckguss.

    Der Magazinfuß aus Plastik mit dem dahinter liegenden Magazinhalter.

    Man kann das Magazin entweder so lösen ...

    ... oder so. Diese Variante funktioniert sogar einhändig.

    Der leere Magazinschacht mit Magazinhebel.

    Was bei anderen Schreckschusswaffen und bei der scharfen Vorlage mit lockerer Eleganz funktioniert, nämlich das Lösen des leeren Magazins ohne große Verrenkungen, klappt bei der ERMA EGP 75S leider gar nicht. Um das Magazin auszuwerfen, bedarf es grundsätzlich eines Umgreifens. Die normale Bewegung läuft so ab: Die rechte Hand hält die Waffe am Griff, die Mündung zeigt nach links, der Daumen der linken Hand drückt auf den Magazinhebel, während der linke Zeigefinger am Magazinfuß zieht. Der Magazinknopf wird nach hinten gedrückt, das Magazin herausgezogen. Klingt doof? Ist es auch. Größter Nachteil in diesem Zusammenhang: Nach dem letzten Schuss bleibt der Verschluss mit dem Stoßboden am Magazin hängen. Das Magazin ist dann noch schwerer zu lösen als im gesicherten Zustand. Dazu mehr im nächsten Abschnitt.

    Das siebenschüssige Magazin.

    Hier bleibt der Stoßboden nach dem letzten Schuss an der Zuführung hängen.

    So sieht das in der Großaufnahme aus.

    Von außen wirkt es, als wäre ein Schlittenfanghebel eingerastet.

    Auch beim Zusammenbau stört ein eingelegtes Magazin.

    Abhilfe!

    Das Magazin der EGP 75S macht einen simplen, aber sehr stabilen Eindruck. Der Fuß ist fest im Blech verstiftet und daher nicht ohne Weiteres abnehmbar. Deutlich sichtbar sind bei gebrauchten Magazinen die Macken, welche der Stoßboden nach dem letzten Schuss hinterlässt. Die Zuführung des Magazins übernimmt die Aufgabe des nicht existierenden Schlittenfanghebels, was aber den massiven Nachteil hat, dass das Magazin nur schwer herausgeht und außerdem beim Herausziehen der Schlitten nach vorne knallt. In einer Notwehrsitutation wäre das genauso bescheuert wie ein Klick-klick-klick bei unbemerkt leergeschossenem Magazin. Wozu also diese "Lösung"? Dazu kommt noch, dass das Magazin auch beim Zusammenbau der Waffe stört, wenn man vergessen hat, es ganz herauszunehmen oder wenigstens ein Stück weit herauszuziehen. Da ist es allemal besser, einfach die hintere Kante der Zuführung des Magazins wegzufeilen. Der Verschluss bleibt dann nach dem letzten Schuss nicht offen (was aber eh nur bei Waffen mit Schlittenfanghebel wichtig ist) und das Magazin kann leichter entnommen werden.

    Trotz der kleinen Schwächen: die EGP 75S macht einen sehr guten Eindruck.

    Meine erste Empfehlung für alle, die eine handliche Pistole suchen.

    Die ERMA EGP 75S ist eine tolle kleine Pistole. Zwar ist sie nur lose an die scharfe Vorlage, die Walther PPK, angelehnt und lässt mehrere komfortable Funktionen der PPK vermissen, aber das wird durch ihre hervorragende Haptik wieder ausgeglichen. Keine Pistole nehme ich so gerne einfach nur in die Hand wie die EGP 75S und streiche über die spiegelblanke Beize. Bei meiner anderen ERMA, der Geco Mod. P217, denke ich, boah, ist die eckig und wunderbar hässlich! Bei der EGP 75S denke ich eher, ui, was für ein glattes, perfekt ausbalanciertes, schweres kleines Kerlchen! Und wenn dann mein Blick auf die Laufmündung fällt und mich kein Dreispitz wie bei der Walther P22 und keine aufdringliche Stahlzunge wie bei der Röhm RG 88 anspringt, sondern einfach gar nichts zu sehen ist, will ich eigentlich gar keine andere Schreckschusspistole mehr haben. Wenn ich nur eine einzige behalten dürfte, dann wäre es die ERMA EGP 75S. Falls du jetzt ebenfalls Interesse bekommen hast, schau mal bei eGun. Dort gibt es ständig Auktionen der EGP 75S zu vernünftigen Preisen. Für meine habe ich 130 Euro gezahlt, aber es geht auch billiger.

    5 Mal editiert, zuletzt von Tilvaltar (13. Februar 2009 um 06:46)