Böker - Cazador II

  • Böker - Cazador II

    Fast 5 Jahre lang musste sich das Cazador II im ständigen Einsatz beweisen. In dieser Zeit habe ich es auf Herz und Nieren getestet. Hält das Messer was der Name Böker verspricht?

    Das Baumwerk Böker aus Solingen - wer kennt es nicht. Das deutsche Traditionsunternehmen besteht seit dem 17. Jh und unterlag in seiner langen Geschichte einem stetigen Wandel. Von Anfang an stand der Name nicht nur in Europa für Qualität und Handarbeit. Die ganze Entstehungsgeschichte können interessierte auf der Homepage von Böker nachlesen. Speziell in Argentinien ist Böker sehr beliebt weswegen dort 1983 die Tochterfirma Arbolito gegründet wurde. Böker-Arbolito entwirft und fertigt seitdem eigenständig Messer. Das Cazador II ist eines der Jagd- und Outdoormesser die dort entstanden sind. Doch kann das junge argentinische Werk mit der jahrhundertelangen Erfahrung der deutschen Messermacher mithalten?


    Der erste Eindruck...

    ...lässt eine vorläufige Einschätzung zu: Die Argentinier können. Das Messer wird in einem schlichten silbernen Karton geliefert. Neben dem Messer selbst ist noch eine Köcherscheide enthalten.

    Es liegt durch den großen Griff gut in der Hand, die polierte Oberfläche ist aber leider etwas rutschig.
    Die lange, schlanke Klinge wirkt äusserst stabil, der Hohlschliff ist deutlich ausgeführt. Das lässt schon vermuten dass das Cazador II sich in härterem Material sperren wird. Das Klingenfinish hätte feiner sein können, ist aber zumindest sauber ausgeführt.

    Mit 23,5cm ist es bereits eines der größeren Messer, wirkt aber trotzdem nicht wuchtig. Das Gewicht ist mit 182g allerdings etwas hoch, da hätte man durch Löcher in der Angel sicher noch ein paar Gramm herausholen können.


    Verarbeitung

    Das Messer ist durchweg gut und wertig verarbeitet. Die Griffschalen sind spaltfrei an die Flachangel angepasst, die Nieten mit dem Griff plangeschliffen. Der ganze Griff aus schwarzem Leinenmicarta ist zusammen mit dem Klingenrücken sauber poliert und wirkt wie aus einem Stück.

    Die Klinge ist quer geschliffen. Während das Finish am Ricasso etwas grob wirkt sind der Hohlschliff der Schneide und der Flachschliff der falschen Schneide fein und gleichmäßig. Die Schneide ist genau mittig wie man es von Böker erwarten würde. Der Hohlschliff endet am Ricasso eckig - auf der rechten Seite 1mm weiter hinten - was ein weiterer Hinweis für einen Schleifautomaten ist.

    Die Verarbeitung ist für ein Gebrauchsmesser durchweg ordentlich, mir ist nichts negatives aufgefallen. Lediglich die Linien am Griff sind nicht immer so parallel oder gerade wie sie sein sollten.


    440C in Form gebracht

    Die schlanke Form der Klinge gab es so meines Wissens vor dem Cazador II noch nicht. Sie stellt eine Mischung zwischen Spearpoint und Drop Point dar. Es gibt zwar eine falsche Schneide am Rücken, die Spitze ist aber nicht bis zur Mitte heruntergezogen.

    3,5mm sind für die Klinge eines Gebrauchsmessers ordentlich, zumal die Klinge ihre volle Stärke bis fast zur Spitze behält. Der Hohlschliff der Schneide ist sehr dünn ausgeführt wodurch der Schneidenwinkel trotz der Klingenstärke unter 10° bleibt! Das führt zu einer sehr schneidfreudigen Klinge die trotzdem eine hohe Stabilität aufweist.
    Der Werksschliff war wie von Böker gewohnt sehr scharf, es ging nach anfänglichen Schwierigkeiten aber auch noch schärfer. Die Standzeit würde ich als gutes Mittelmaß bezeichnen. Man darf aber nicht vergessen dass der Schneidenwinkel sehr klein ist und die Klinge nur aus 440C besteht.
    Kleine Schnitzereien in Holz sind gut möglich, man kann sogar Holzscheite Spalten indem man das Messer aufsetzt und durch Schläge mit einem anderen Scheit auf den Klingenrücken ins Holz treibt. (Die Übliche Methode Holz ohne Machete oder Axt zu teilen) Hebeln sollte man natürlich wie mit jedem Messer nicht. Die Falsche Schneide am Rücken eignet sich gut zur Pfeilsuche beim Bogenschießen.
    Fisch und Fleisch lassen sich leicht vorbereiten, auch weiches Gemüse und Obst sind keine Herausforderung. Durch den Hohlschliff macht härteres Schnittgut natürlich Probleme. Zwiebeln in feine Würfel oder Scheiben schneiden ist eigentlich nicht möglich, Karotten sollte man vor dem Schneiden halbieren um nicht in den oberen Bereich des Hohlschliffs zu kommen. Gurken und Äpfel bereiten dem Cazador II aber keine Probleme. In Käse setzt sich die Klinge dagegen gerne mal fest.

    In der langen Zeit in der ich das Messer benutzt habe ist es öfters auf den Boden gefallen, auch auf Fliesen und Steinplatten. Das einzige was bisher passiert ist war dass ein kleines Stück der Spitze verloren ging, etwas weiter hinten hat sich eine kleine Kerbe eingeschlagen.
    Eine stabile und trotzdem scharfe Schneide ist eine Voraussetzung für ein Universalmesser, und diese Voraussetzung wird beim Cazador II erfüllt.


    Viel Platz

    Die maximal 9,2mm breiten Griffschalen aus schwarzem Leinenmicarta sind mit zwei Nieten an der Flachangel befestigt und dann zusammen mit dieser in Form geschliffen. Leinenmicarta wird hergestellt indem man die Stoffschichten aufeinanderlegt und in ein Kunstharz eingießt. Werden die Schichten in einem leichten Bogen gelegt kann man eine noch holzähnlichere Optik erzeugen. Das Verfahren kann auch mit anderen Stoffen, Papier oder Karton durchgeführt werden.

    Die Seitenflächen der Griffschalen sind nicht wie sonst üblich plan oder nur leicht bauchig sondern kompliziert in Form geschliffen. Alle Flächen sind angenehm gerundet, die Kanten sorgen trotz der leicht rutschig polierten Oberfläche für etwas Griffigkeit. Sollte das Messer jedoch nass (oder bei der Jagd blutig) werden hätte ich Bedenken mit der Hand über den kleinen Fingerschutz hinweg auf die Klinge zu rutschen.

    Mit 10,5cm Länge und einer Breite von 22mm ist der Griff groß und voluminös und füllt die Hand gut aus.
    Der Griff weist auf der Unterseite zwei große Fingermulden auf die die Hand beim normalen Greifen (Hammergriff) zwischen Mittel- und Ringfinger trennen. Man kann den Griff aber auch noch auf eine zweite Art greifen indem man mit der Hand weiter nach vorne rutscht.

    Die großzügige Zeigefingermulde vor dem Fingerschutz lässt sich angenehm benutzen. Mittel- und Ringfinger kommen dann in der vorderen Griffmulde zu liegen während der Kleine Finger die hintere Mulde für sich alleine hat. Somit ist man mit der Hand direkt an der Klinge und kann viel präziser Arbeiten. Speziell bei kleinen Schnitzereien kann das von Vorteil sein.

    Am Klingenrücken ist keine extra Daumenrampe angebracht. Das hat den Vorteil dass man die Position des Daumens komplett frei wählen kann, erhöht aber nicht gerade die Griffsicherheit.
    Am Griffende befindet sich noch ein eher kleines Loch für einen Fangriemen, ich habe aber nie einen gebraucht.


    Dünnes Leder

    Das Cazador II wird mit einer einfachen Lederköcherscheide ausgeliefert. Das braun durchgefärbte Leder misst knapp 2mm und ist damit etwas dünn. An der makellos ausgeführten Naht ist selbstverständlich eine dritte Lederschicht eingenäht die die Scheide vor dem Durchstoßen oder -schneiden schützt. Zu beginn etwas steif wird die Scheide mit dem Gebrauch immer geschmeidiger, das Messer lässt sich immer leichter einschieben. Inzwischen fällt es von selbst hinein. Da das Cazador II aber fast komplett darin verschwindet besteht keine Gefahr es zu verlieren.

    Die mit zwei Nieten sauber angenietete Schlaufe ist aus dem selben Material gefertigt wie die Scheide. Leider kann diese damit nur auf eine Art am Gürtel befestigt werden was bei Lederscheiden aber nicht unüblich ist. In der langen Zeit ist mir noch nichts ausgerissen. Für 40mm-Gürtel ist die Scheide aber nur bedingt bis garnicht geeignet, dort müsste man die Schlaufe schon mit Gewalt darüberziehen was der Vernietung auf dauer nicht gut tut.

    Linkshänder haben anfangs ein leichtes Problem, sie müssen das Messer verkehrt herum ziehen. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase klappt das aber automatisch.

    Nach fast 5 Jahren ist nur eine leichte Beschädigung aufgetreten: Das Messer ist wohl beim Einstecken mit der Spitze einige male am Stichschutz vorbei in die Naht gefahren und hat diese an zwei Stellen durchschnitten. Die Naht löst sich aber nicht weiter auf und das Messer wird immer noch sicher festgehalten.
    Die einfache Punzierung besteht eigentlich nur aus dem Firmenlogo, ist sauber gemacht und nicht besonders auffällig.


    Fazit

    Das Cazador II ist ein gutes stabiles Messer, für den täglichen Gebrauch vielleicht etwas groß und schwer. Für Outdooraktivitäten kann ich es aber nur empfehlen. Besonders beim Bogenschießen hat es sich durch die falsche Schneide oft bewährt.
    Die Verarbeitung ist in Ordnung und die Materialien sind gut gewählt.
    Das Messer ist inzwischen wohl ausverkauft, sein kleiner Bruder, das Cazador I, ist aber bei Böker noch für 75€ zu haben.