Kershaw - Amphibian

  • Kershaw - Amphibian

    Mit dem Amphibian hat Kershaw vor einiger Zeit ein kleines Tauchermesser ins Sortiment aufgenommen. Ich möchte kurz die positiven und negativen Aspekte des Klassikers beleuchten.

    Kershaw, früher Hersteller von Rasierklingen, gehört seit 1973 zum amerikanischen Unternehmen KAI, genau genommen Kai Cutlery Co. Ltd. Später kamen noch Shun als Produzent von hochwertigen Kochmessern und Zero Tolerance als Anbieter guter Einsatzmesser hinzu. Von Anfang an lag das Augenmerk auf modernen und funktionalen Messern. Besonders das D.W.O., das Chive und in letzter Zeit das Amphibian haben es zu großer Berühmtheit gebracht. Daran waren Filme nicht immer ganz unschuldig. Das Amphibian beispielsweise hat einen Auftritt in Mission: Impossible II.

    Es soll auch bei SEK-Einheiten zum Einsatz kommen.


    Der erste Eindruck

    Der erste Eindruck war gut. Ein schönes glänzendes Messer, mit knapp 90g nicht zu schwer. Die 19,7cm Gesamtlänge liegen im Normalbereich. Das Messer lässt sich leicht ziehen, hält aber trotzdem fest in der Lederscheide. Zuerst lag es etwas ungewohnt in der Hand, mein Daumen suchte erfolglos nach seinem Platz. Die Spitzen von Zeigefinger und kleinem Finger wussten auch nicht recht wohin, da sie auf den Löchern zu liegen kommen. Nach kurzer Zeit gewöhnt man sich aber an den angenehm weichen Griff.
    Über die Schärfe des Werksschliffs kann ich keine Angaben machen da das Messer schon benutzt wurde bevor ich es bekommen habe.
    Nachtrag: Das Messer war von Anfang an nicht schärfer, was etwas enttäuschend ist.


    Verarbeitung

    Der leichte Hohlschliff der Klinge ist leider noch sehr roh, man kann die Spuren des Schleifautomaten deutlich erkennen. Ich vermute dass die Schneiden nach dem ersten Schliff zwischen den beiden Steinen direkt poliert wurden. Dadurch bleiben die Rillen erhalten. Besonders am Auslauf des Schliffes sind tiefe Kratzer zu sehen.

    Hier kann man noch die gut gemachte eingeprägte Beschriftung sehen.
    Auch der Längsschliff auf dem Griff ist nicht besonders sauber ausgeführt und wirkt noch gröber als die Schneiden. Die Aussenseiten der Parierstange wurden wie das Ende des Griffes nur unsauber auf dem Bandschleifer gerundet.

    Die Hohlkehlen dagegen sind sauber ausgeschliffen und poliert. Nur schade dass die Mitte nicht ganz getroffen wurde. Beide Hohlkehlen laufen zum Ricasso hin nach links.

    Das alles stört keinesfalls die Funktion, sollte bei einem Mittelklassemesser aber sauberer gearbeitet sein.


    Die Klinge und ihre Schneideigenschaften

    Die 95mm lange Dolchklinge aus 420J2 ist beidseitig leicht hohlgeschliffen und weist auf einer Seite in der hinteren Hälfte einen Wellenschliff auf.

    Doch zuerst möchte ich kurz auf den Stahl eingehen. 420er ist der am meisten benutzte Messerstahl weltweit, besonders bei No-Name-Produkten und Low-Budget-Modellen. Das liegt daran dass er billig in der Beschaffung und einfach zu bearbeiten ist. Leider werden alle 420er-Sorten mit 54-55HRC nicht besonders hart und erreichen so weder eine hohe Schärfe noch eine lange Standzeit. Dafür fällt das Nachschleifen leichter. Neben der Eigenschaft sich nach dem Härten bei Belastung eher zu verbiegen als zu brechen ist 420er Stahl auch sehr korrosionsbeständig. Und das ist auch der Grund warum er für das Amphibian gewählt wurde. Ein für Taucher konzipiertes Messer sollte auch bei länger dauerndem Kontakt mit Salzwasser nicht rosten.

    Die mögliche Schärfe der Klinge ist okay, dafür dass es 420er Stahl ist sogar gut. Ich denke dass die Möglichkeiten der Wärmebehandlung voll ausgeschöpft wurden um eine etwas höhere Härte zu erreichen.
    Die schneideigenschaften sind aber überraschend gut. Obwohl die 3,8mm starke Klinge leicht hohlgeschliffen ist sperrt sie sich auch in hartem Schnittgut nicht. und das bei einem Schneidenwinkel der knapp unter 20° liegt.

    Der Wellenschliff ist einseitig an der hinteren Hälfte der Schneide angebracht und tut seine Pflicht. In Kunstfaser- und Naturseilen verhakten sich die Spitzen gerne, durchtrennen kann man sie trotzdem. Um sich damit also unter Wasser aus einem Netz o.ä. zu befreien ist er ungeeignet. Auch für Holz ist er aufgrund seiner Geometrie nicht gedacht.


    Griff und Ergonomie

    Der 9,3mm starke Griff des Amphibian besteht aus der skelettierten, 4,2mm starken Flachangel die mit einem Elastomereinsatz ausgestattet wurde. Er liegt durch den harten Gummi gut in der Hand, Zeigefinger und kleiner Finger fallen jedoch unangenehm durch die Löcher. Das gibt sich jedoch mit der Zeit. Am gut 9cm langen Griff findet die ganze Hand Platz und sicheren Halt.

    Im Bereich hinter der Parierstange ist beidseitig eine Riffelung vorhanden.

    Ein angenehmer Griff, allerdings möchte ich ihn unter Wasser evt. mit Handschuhen nicht benutzen müssen.


    Die Scheide

    Das Kydextragesystem welches ursprünglich für dieses Messer entworfen wurde soll schlecht verarbeitet sein und Klappern. Ich kann darüber leider nichts sagen da ich für den Test nur die gut verarbeitete Lederscheide zur Verfügung habe. Doch auch diese hat kleine Fehler. So ist zum einen die Aussenkontur nicht ganz glatt geschliffen. ZUm anderen ist am Rand keine Zwischenlage eingenäht weswegen beim schrägen ziehen die Gefahr besteht die Naht aufzuschneiden.

    Dadurch wird das Messer aber sicherer festgehalten und fällt auch über Kopf nicht heraus. Sonst gibt es keine Kritikpunkte mehr. Das Leder ist angenehm Glatt, die Naht ist stabil und die Scheide ist keinesfalls zu groß.

    Der große und massive Gürtelclip ist zwischen die hinteren beiden Lagen der Lederscheide eingenäht und kann an Gürteln mit bis zu 40mm Breite eingehängt werden. Das geht zwar etwas streng, hält dafür aber ebenfalls über Kopf. Die rund 20€ sind ein fairer Preis.


    Fazit

    Kershaw hat mit dem Amphibian gute Arbeit geleistet. Schade nur dass die Klinge alleine aufgrund der Salzwassertauglichkeit aus dem Billigstahl 420J2 gefertigt wurde. Denn Taucher sollten ohnehin lieber zum Sea Hunter mit Seilschneider und einem voluminösen Griff greifen (Modell 1008 oder Modell 1008BL-P mit Meißelspitze). Wer aber einen netten kleinen Stiefeldolch sucht, (nicht in Deutschland wohnt) und keine 200€ für ein Applegate - Fairbairn ausgeben möchte könnte mit dem Amphibian sehr glücklich werden.


    Das Messer wurde mir freundlicheweise von J.o.G.i.'s Armament Company zur Verfügung gestellt.