Kiku Matsuda - Cardinal Knife

  • Kiku Matsuda - Cardinal Knife

    Das Cardinal Knife ist das kleinste Messer aus dem Sortiment von Kiku Knifes. Doch das kleine Neckknife hat große Qualitäten!

    Kiku Matsuda - in Japan schon lange bekannt - erobert mit seinen aussergewöhnlichen Schneidwerkzeugen jetzt auch allmählich Deutschland. Er hat inzwischen über 40 Jahre Erfahrung in allen Bereichen der Herstellung von Messern und das merkt man. Jedes Messer wird in Handarbeit hergestellt und bis zur Vollendung veredelt. Die Preise der Messer rangieren daher erwartungsgemäß zwischen 200€ und 1000€, die Wartezeit beträgt im Schnitt 5 Wochen bei Direktbestellung. Das ist für ein handgemachtes Messer keine lange Zeit. Ein deutscher Internethändler hat allerdings einen Großteil der Produktpalette auf Lager. Das Einsteigermodell Cardinal habe ich mir auf der Internationalen Messermacherausstellung (IMA) 2008 bei Herrn Matsuda am Stand von Wolfknives persönlich abgeholt. Er hat für mich auch noch auf der Kydexscheide unterschrieben. Ich trage das Cardinal Knife seit dem fast täglich bei mir. Doch wie macht sich ein Messer für 200€ im täglichen Gebrauch?


    Der erste Eindruck

    An meinen ersten Moment mit dem neuen Messer kann ich mich noch gut erinnern. Ich nahm es am Messestand in die Hand und es fühlte sich sofort vertraut an. Durch das geringe Gewicht von gerade einmal 64g, das warme rote G10 und die perfekte Form des Griffes wirkte das Messer nicht wie ein fremder Gegenstand sondern viel mehr wie ein Teil der Hand. Das Messer ist sehr klein und die unheimlich dünne und fein ausgeschliffene Klinge wirkt zu Beginn zerbrechlich, stellt sich aber recht bald als richtiger Schneidteufel heraus. Und zerbrechlich ist sie ganz und gar nicht. Natürlich sticht das auffällige Klingenfinish vor allem anderen ins Auge, zumal mir so etwas bisher gänzlich unbekannt war. Wie es hergestellt wird wollte er mir aber nicht verraten.
    Für das Messer stand der Kardinalvogel Pate. Kiku Matsuda übernahm dessen leuchtend rote Gefiederfarbe bei den Griffschalen.


    Sauber gemacht

    Das interessante und so bisher ungesehene Klingenfinish erinnert mit seiner sehr glatten und weichen Oberfläche etwas an Seide. Man könnte vermuten dass unter einem so aufwendingen und wilden Finish eine unsaubere Verarbeitung versteckt wird, dem ist aber mitnichten so. Denn eigentlich gibt es zur Verarbeitung nur eines zu sagen: Sie ist Makellos. Schlicht und einfach perfekt.

    Kiku Matsuda schleift die Form der Messer sowie den Anschliff der Klingen von Hand auf der flachen Seite einer Steinscheibe am Schleifbock. Anschließend wurde die Klinge mit einem Längsschliff - etwa Körnung 600 - versehen. Der Klingenrücken wurde beidseitig sanft angeschrägt.
    Wie vorhin schon erwähnt weiß ich nicht wie das entgültige Finish erzeugt wurde. Ich vermute aber dass der Stahl nach dem schleifen und dem ersten Finish mit Spritzern von Schutzlack überzogen und dann geätzt wurde. Anschließend wird die gesamte Klinge noch einmal poliert was die erhabenen, und damit nicht angeätzten Stellen hell hervorhebt.
    Das Messer trägt keine Schmiedemarke - vermutlich weil es nicht geschmiedet wurde - sondern eine wunderschöne Handgravur am Ricasso das sich unauffällig in das Muster der Oberfläche einfügt. Daher leider schwer zu fotografieren:

    Die untersten 2mm der Schneide wurde dann zum schärfen nur noch einmal sauber poliert. Es ist keine extra Fase zu erkennen obwohl das Licht sich leicht anders spiegelt und man meint mit dem Finger einen leicht gerundeten Winkel zu spüren.
    Die Griffschalen wurden jeweils einzeln und sauber angepasst und nicht am Bandschleifer zusammen mit der Angel geschliffen da das Klingenfinish den kompletten Stahl überzieht und beim überschleifen verloren gegangen wäre. Die Löcher für die Fangriemenöse und die Schraubnieten sind sauber ohne ausfransen gebohrt.


    Verflucht scharf

    Die durchgehende, 70mm lange Flachangelklinge aus D2 (DIN 1.2379) hat zwischen den Griffschalen eine maximale Stärke von 1,5mm, beim Ricasso bereits 1,2mm und läuft zur Spitze hin auf 0 aus.

    Sie ist am Ricasso 24mm hoch, der Schliff misst von der Schneide aus durchgehend 19mm. Damit ergibt sich ein konstanter Schneidenwinkel von gerade einmal 3,6°! Und das macht sich bemerkbar. Der Schliff des Cardinal ist aussergewöhnlich sauber und scharf. Durch die Präzision ist er leider nicht sehr bissig, was dazu führt dass man an einer Tomatenschale schonmal abrutschen kann.
    D2 hat eine sehr hohe Härte und auch eine lange Standzeit welche ich wieder mit den bewährten Tests geprüft habe. Beim Seilschneiden habe ich irgendwann aufgegeben, die anderen Aufgaben erfüllte das Cardinal ebenfalls überraschend gut. Durch den sehr guten Grundschliff muss man das Messer nur 5-10 mal auf beiden Seiten abziehen um es wieder Rasiermesserscharf zu bekommen.

    Zum Pakete und Verpackungen öffnen, Schnüre und Kabel durchtrennen und für kleine Aufgaben in der Küche verwende ich das Cardinal Knife gerne. Kartons zerlegt man aber lieber mit einem anderen Messer.
    Bei der Küchenarbeit stellt sich das kleine Messer gut an. Durch die sehr dünne Klinge und das seidig-glatte Finish gleitet es nahezu durch jedes zu schneidende Objekt. Obst ist schnell geschält und zerteilt. Auch mit härteren Lebensmitteln hat das Messer kein Problem, es scheint als könne die Klinge sich garnicht sperren. Doch bei alledem sollte man nicht vergessen dass das Cardinal Knife für die Küche einfach zu klein ist und es andere Messer gibt die für diese Aufgaben besser geeignet sind. Gerade Fleisch bereitet Probleme.
    Obwohl ich mir sicher bin dass das Messer auch gröbere Behandlung unbeschadet überstehen würde wollte ich verständlicherweise nichts riskieren. Daher gibt es von mir keine nähere Aussage zur Stabilität. Obwohl die Klinge aus D2 besteht ist sie mit 1,2mm zu dünn um damit zu schnitzen oder Nüsse zu knacken. Ein Neckknife ist ohnehin eher für die feineren Arbeiten geeignet. Dünne Äste oder Rosen kann man damit trotzdem schneiden, je trockener das Holz ist desto schwerer wird es. Dünne Kupferdrähte bis Lautsprecherkabelstärke lassen sich ebenfalls mühelos durchtrennen.


    Angenehm in der Hand

    Die fein strukturierten Griffschalen aus rotem G10 wurden mit zwei Schraubnieten und Klebstoff fest an der durchgehenden Flachangel befestigt. Die je 3mm starken Griffschalen ergeben mit der Angel zusammen einen knapp 8mm dicken Griff der gut in der Hand liegt.

    Die weichen Konturen machen ihn zusammen mit der griffigen aber nicht kratzigen Oberfläche der Schalen zu einem wahren Handschmeichler, es gibt wirklich nichts zu bemängeln.

    Am Ende des Griffs befindet sich noch eine 6mm-Fangriemenöse die ich aber nicht nutze da man an einem Neckknife meiner Meinung nach keinen Fangriemen braucht.

    Der kleine Griff des Cardinal bietet selbst für große Hände genug Platz. Das liegt zum einen an der Zeigefingermulde im Ricasso, hauptsächlich jedoch daran dass die Griffunterseite aus einer einzigen langen, flachen Rundung besteht. So entsteht eine knapp 8cm lange Auflagefläche für die hinteren drei Finger. Zeigefinger und Daumen finden unter und über dem Ricasso Platz.


    Gut aufbewahrt

    Die Umhängescheide aus Kydex ist wie das Messer selbst makellos und funktional. Das 1,5mm starke Material wurde am Rücken einfach gefaltet und unten vernietet. Die drei Hohlnieten die das ganze zusammenhalten sind sauber 2mm vom Rand entfernt gesetzt und auf der Rückseite jeweils mit einer kleinen Beilagscheibe unterstützt. Die Scheide macht das Messer gerade einmal 11mm länger, sie selbst weist Maximalmaße von 115x45x12mm auf! Die sehr feine und griffige Struktur auf der Oberfläche rutscht nicht einmal bei Nässe. Kydex ist allgemein recht resistent gegen Kratzer, ich konnte bisher auch noch keine Beschädigungen entdecken.

    Das Messer passt hinein wie angegossen, beim einschieben ist ein leises "Klack" zu hören wenn die Klinge komplett einrastet. Die Öffnung der Scheide liegt jetzt direkt am Griff an, das Messer wird absolut sicher festgehalten. Beim ziehen finden drei Finger am Griff platz, mit dem Daumen kann man das Messer mit einem sanften Druck aus der Kydexscheide lösen. Schönes Extra: Wenn man die Scheide hinter der Schneide zusammendrückt lässt sich das Messer garnicht mehr entnehmen. Ich mache das zum Beispiel wenn ich unter Menschen bin, man weiß ja nie. Ob das tatsächlich so gedacht ist oder nur durch Zufall bei mir funktioniert kann ich nicht sagen, ich könnte mir aber gut vorstellen dass das vom Macher so angedacht war.

    Durch die vorderen zwei Nieten wurde ein olivgrünes Paracord geführt das als vestellbares Umhängeband dient. Trotz der beiden Knoten die hinten am Hals aufliegen ist es nicht unangenehm zu tragen. Über den Tag vergisst man leicht dass man das Messer überhaupt bei sich hat. Um den Hals getragen ist es schnell verfügbar. Das kleine Neckknife lässt sich durch die flache Bauart auch gut versteckt unter dem T-Shirt tragen, denn es ist leider nicht immer angebracht ein Messer offen bei sich zu haben. Gerade bei Neckknifes wird man ja gerne mal schräg angesehen.
    Alles in allem ist das wohl die am saubersten verarbeitete und am besten durchdachte Messerscheide die ich bisher gesehen habe.


    Fazit

    Das Cardinal Knife ist das perfekte Neckie wenn man sich mit den roten G10-Schalen anfreunden kann. Durch die einwandfreie Verarbeitung und gut durchdachte Geometrie gehört es eindeutig zur Oberklasse im Messerbereich und steht Full-Custom-Messern und Einzelstücken von anderen Messermachern in nichts nach. Das schlägt sich aber auch im Preis von 200€ nieder. Für das Geld erhält man aber ein Rundum-Sorglos-Paket.
    Wegen der feststehenden Klinge unter 12cm darf man es auch ohne einen allgemein anerkannten Zweck führen was es für deutsche Messerfreunde noch interessanter machen könnte.
    Gerade durch das geringe Gewicht und die kompakte Größe ist das Cardinal Knife inzwischen zu meinem Liebling geworden. Wer so viel Geld für ein kleines Messer ausgeben möchte sollte hier zuschlagen.