Kanetsune - Hi

  • Kanetsune - Hi

    Handgeschmiedete japanische Messer, und das für einen Preis der unter 40€ liegt? Kanetsune beliefert jetzt auch das low-Budget-Segment mit einer Serie von rustikalen kleinen Messern. Das Hi habe ich mir einmal genauer angeschaut.
    Nachtrag: Der Preis ist ist inzwischen auf 50€ und damit auf Mittelklasseniveau angestiegen.

    Die Firma Kanetsune aus Seki fertigt seit 1948 Messer, Schwerter und Scheren großteils in Handarbeit. Seki ist seit 800 Jahren die Hochburg der japanischen Schmiedekultur, vergleichbar mit Solingen in Deutschland - und liegt im Zentrum der Hauptinsel. Man kann also guten Gewissens von einem Traditionsunternehmen sprechen, zumal sich die Firma dem Erhalt des alten Wissens, der Qualität und der Funktionalität ihrer Produkte gewidmet hat.
    Deshalb war ich sehr überrascht als eine ganze Serie von Messern für unter 40€ auf dem deutschen Markt erschienen ist. Neben dem Hi (zu deutsch Feuer) gibt es noch das Kaze (Wind), das Hayashi (Wald) und das Yama (Berg). Alle 4 Messer weisen stark unterschiedliche Klingenformen auf. Man sieht ihnen ihre Verwandschaft aber auf den ersten Blick an. Für die die etwas mehr Geld ausgeben wollen gibt es die Takumi-Serie die mit Mehrlagenstahlklingen und Schneidlagen aus blauem Papierstahl aufwarten kann. Der Stil der Messer ist aber gleich.
    Für das Hi habe ich mich aufgrund der nicht alltäglichen, klauenförmigen Klingenform entschieden. Kanetsune gibt an dass diese Messerserie für die kleineren Aufgaben gedacht ist. Doch wie schlägt sich das kleine Messer im täglichen Gebrauch?


    Der erste Eindruck

    Das Hi kommt in einer schön gemachen kleinen Schachtel. Das Messer selbst ist in Anti-Rost-Papier, so genanntes VCI-Papier gewickelt das die Klingen bei der langen Überfahrt aus Japan vor Korrosion schützt. Zusätzlich ist der geschliffene und damit besonders anfällige Schneidenbereich mit einem Klarlack versiegelt. Dieser würde sich zwar bei der Benutzung von selbst lösen, aus Hygienegründen und weil ich das Messer auch an Lebensmitteln testen wollte habe ich die Lackschicht aber vorsichtig abgeschliffen. Weiterhin ist im Lieferumfang auch eine gut verarbeitete Ledertasche enthalten die ich aber nicht recht einordnen kann.


    Das ganze Messer ist aus einem Stück Stahl geschmiedet, in der Artikelbeschreibung wird Shirogami von Hitachi (weißer Papierstahl) genannt. Auf den ersten Blick sieht es so aus als hätte die Klinge eine selektive Härtung und damit einen Hamon, wie es auch in der Produktbeschreibung des Shops steht. Das Messer ist allgemein recht roh verarbeitet was bei dem rustikalen Aussehen aber nicht weiter stört.
    Das Hi wirkt sehr klein und schlank, und das ist es wohl auch. Trotzdem liegt es mir gut in der Hand. Auch weil man es garnicht so fest greifen muss um feinere Arbeiten damit auszuführen. Die Klingen- und Griffstärke liegt mit 2,5 bis 3mm im Normalbereich. Die Klingenlänge von 8cm ergibt zusammen mit dem 10cm langen Griff gute 18cm Gesamtlänge. Das Messer wirkt mit seinen 50g sehr leicht.


    Verarbeitung und Herstellung

    Dafür dass es wohl zum Großteil von Hand bearbeitet wurde ist das Hi - wenn man den Preis bedenkt - gut gemacht. Allerdings ist es nicht komplett geschmiedet. Die Aussenkontur wurde vermutlich aus einem Flachstahl an einem Bandschleifer oder einer Schleifmaschine mit rotierendem Stein geschliffen, davon zeugen noch die tiefen quer verlaufenden Rillen. Das Messer ist nicht perfekt gerade, das fällt jedoch aufgrund der gebogenen Klinge und der rohen Schmiedeoberfläche nicht weiter auf. Was auch nicht sofort ins Auge sticht: Die Klinge besteht eigentlich aus drei Schichten und hat daher auch keine echte Härtelinie. Hier kann man die Schichten erkennen:

    Als Schneidlage kommt Shirogami zum Einsatz der nach dem Härten sehr spröde wird. Daher ist auf beiden Seiten eine weiche, nicht härtbare Schicht aufgeschmiedet. Und jetzt erklärt sich auch das wilde Schmiedemuster auf den ungeschliffenen Bereichen der Klinge.
    Die Dreilagenstahlmesser werden wohl einfach zusammen mit der Takumi-Serie produziert, denn das Muster stammt von der Damastprägung. Nur benutzt man hier keine Stahlpakete aus mehreren Schichten wie bei den Damastmessern sondern einfaches Eisen oder nicht härtbaren Stahl. So entsteht auch der wellenförmige Übergang zur Schneidlage. Über den Kohlenstoffanteil der äusseren Lagen kann ich leider keine Angaben machen.

    Der leicht ballige Schliff der Schneide ist bei meinem Exemplar aber professionell und von Hand ausgeführt, auch wenn letztendlich keine Spiegelpolitur daraus geworden ist.


    Eine japanische Schneide

    Eines vorweg: Von der Schärfe der Klinge hätte ich mir wie bei allen meinen Serienmessern mehr erwartet. Es schneidet zwar und quetscht nicht nur, ich bin jedoch der Meinung dass das besser gegangen wäre. Shirogami ist aber einer der gutmütigsten Stähle was das Schleifen angeht und so kann problemlos ein Schärfegrad erreicht werden der das abrasieren der Armhaare ermöglicht.
    Die Üblichen Tests zur Schärfe und Standzeit sind bedingt durch die konkave Schneide nicht machbar. Man kann aber davon ausgehen dass das Messer nach einem ersten eigenen Schliff dank der Schneidlage aus weißem Papierstahl eine sehr hohe schärfe und keine all zu gute Standzeit aufweisen wird.

    Obst und Gemüse lassen sich mit der gebogenen Klinge gut schälen, für sonstige Küchenarbeit ist es aber aus zwei Gründen nicht geeignet. Zum einen ist die Klinge mit 3mm zu dick und spreizt sich mit dem balligen Schliff sofort ein. Zum anderen kann man mit dieser Klingenform nicht auf einem Schneidbrett arbeiten. Paprikas lassen sich noch einigermaßen zerkleinern, besonders einfach ist es hier den Stiel herauszuschneiden.
    Als Universalmesser im Haus macht der kleine Japaner eine gute Figur: Pakete und Briefe lassen sich mit der nach unten weisenden Spitze perfekt öffnen. Schnüre werden leicht und sicher durchtrennt. Auch die Plastikbänder die manchmal Pakete zusammenhalten können dem Hi nichts entgegensetzen. Die Klinge hakt sich ein und durchtrennt das Band. Die leeren Kartons kann man ebenfalls mühelos zerlegen, hierfür wäre aber ein etwas dickerer Griff vorteilhaft.
    Zum Schnitzen ist die Klinge ganz klar nicht geeignet. Für Gartenarbeit lässt es sich gut verwenden solange die Äste nicht zu dick werden. Dafür ist der Druck den man mit dem kleinen Griff aufbringen kann zu gering.
    Die Spitze habe ich mit Walnüssen und dünnem Stahlblech malträtiert was sie schadlos überstanden hat. Stumpf wird sie mit der Zeit aber schon.
    Die Klinge sollte immer leicht geölt sein da sowohl die Schneidlage als auch die beiden Seitenlagen nicht korrosionsbeständig sind.
    Der Schliff geht am Ricasso auf der rechten Seite ganze 2mm weiter als auf der linken.


    Ein kleiner Griff mit überraschenden Eigenschaften

    Obwohl der Griff des Hi nur aus einem Stück Stahl besteht liegt er angenehm in der Hand. Durch die rauhe Schmiedeoberfläche rutscht er auch nicht. Die Formen sind gut gewählt. Besonders positiv ist mir die lang über die Klinge hinausgezogene Daumenrampe aufgefallen die allerdings nicht geriffelt ist. Das Volumen lässt sich durch eine Leder- oder Paracordwicklung einfach erhöhen. Man kann auch sehr dünnes Seiden- oder Baumwollband benutzen wie es bei japanischen Blankwaffen üblich ist.

    Alle vier Finger finden ihren Platz schnell, die Benutzung funktioniert intuitiv. Doch darf man nicht vergessen dass der Griff gerade einmal 3mm breit und damit sicher kein Handschmeichler ist. Es lassen sich aber keine unangenehmen Kanten oder Ecken finden und auch bei längerer Benutzung stört der Griff nicht.
    Die sanfte Ausbauchung in der Mitte fügt sich unauffällig ein und unterstützt die natürliche Handhabung.

    Am Ende des Griffs ist noch eine kleine Fangriemenöse angebracht die zu den Dimensionen des Messers passt. Sollte man sich für eine Wicklung entscheiden kann man die Enden durch das Loch ziehen, verknoten und aus dem übrigen Material noch einen Fangriemen formen. Hier lassen sich viele Anleitungen im Internet finden.


    Das Ledertäschchen

    Die Ledertasche ist eine Sache für sich. Sie ist allgemein erwartungsgemäß verarbeitet, leider wurde das Leder erst nachträglich gefärbt. Zwischen das 1mm starke Leder der Vorder- und Rückseite wurde am Rand ein 3mm starker durchgehender Lederstreifen gelegt der jetzt die Naht vor der scharfen Klinge schützt. Auf der Vorderseite ist das selbe Logo aufgedruckt das auch schon bei der Schachtel zu finden war.

    Gut gemacht mag sie ja sein, aber praktischen Nutzen ausser zur Aufbewahrung daheim sehe ich keinen, denn das Messer würde fast zwei mal hineinpassen. Somit ist kein sicherer Halt garantiert.


    Fazit

    Beim Hi wurde mehr auf hochwertiges Material als auf saubere Verarbeitung gesetzt was mir sehr gelegen kommt. Die Härtung ist trotzdem gewohnt makellos ausgeführt, zumindest so weit ich das beurteilen kann. Für den Preis würde ich es jederzeit wieder kaufen, auch wenn ich mich eventuell doch für eine alltagstauglichere Klingenform entscheiden würde. Dennoch: Als EDC (kurz für Every-Day-Carry, also Messer für den jeden Tag) kommt es für mich nicht in Frage, dazu fehlt mir eine sichere Aufbewahrungsmöglichkeit und praxistauglich wird es mit der Hakenklinge auch nicht sein.