CRKT - Dragon

  • Columbia River Knife & Tool - Crawford/Kasper Design - Dragon

    CRKT hat mit dem Dragon ein recht außergewöhnliches Messer im Programm das sich trotz seiner Herkunft aus dem Selbstverteidigungsbereich auch im täglichen Gebrauch gut schlagen soll. Aber tut es das auch wirklich?

    Der ursprüngliche Entwurf für dieses Messer ist an den Perseco Folder angelehnt und stammte von dem in Amerika recht bekannten Kampfsportexperten Robert Kasper welcher hier alle seine Erfahrungen einfließen ließ. Er wandte sich an die kleine Custom-Schmiede Crawford Knives welche kurz darauf die ersten Modelle präsentierte. CRKT hat das Dragon jetzt fest in das Programm aufgenommen und lässt es mit leichten Modifikationen in Serie fertigen. Dass Serienmesser nie an ihr Vorbild herankommen ist klar, aber was kann das Dragon leisten, und wird es seinem Namen gerecht?


    Der erste Eindruck

    Der erste Eindruck den das Messer auf mich gemacht hat war durchweg gut. Das Dragon kommt mit einer 3,5mm starken Klinge aus 9Cr18 daher. Hinter dieser Stahlbezeichnung versteckt CRKT den bekannten und bewährten 440C. Welchen Grund sie dafür haben erschließt sich mir allerdings nicht.
    Wenn man die Schachtel zum ersten mal öffnet fällt einem sofort auf wie groß das Messer eigentlich ist. Eine Klingenlänge von 11,9cm und ein 11,6cm langer Griff ergeben eine beeindruckende Gesamtlänge von 23,5cm. Trotzdem wirkt es keinesfalls wuchtig oder überproportioniert. Beim ersten mal in die Hand nehmen wirkt es schwerer und stabiler als es die schlanke Linie vermuten lässt. Mir fiel aber auch gleich auf dass es nicht in meine Hand passen wollte. Das matte Finish der Klinge ist gleichmäßig und sieht gut aus, das ganze Messer wirkt sehr ausgewogen.


    Verarbeitung

    Die Verarbeitung des Dragon ist nahezu makellos. Nahezu, denn wenn man die Griffschalen abschraubt sieht man dass das Messer auch nur dort bearbeitet wurde wo es auch später zu sehen ist. Unter den Griffschalen hat der Stahl nur einen groben Schliff und keinerlei Finish. Auch die Rückseite der G10-Schalen wirkt ungewohnt roh.
    Der Hohlschliff ist zwar mittig, am Ricasso geht er aber auf der rechten Seite 1,5mm weiter nach hinten als auf der linken. Das ist jedoch ein Fehler den ich bei vielen Serienmessern bemerkt habe und der auch keinerlei negative Auswirkungen auf irgend eine Eigenschaft des Messers hat. Man sieht es auch nur wenn man die Schneide von unten ansieht.
    Sonst ist mir an meinem Exemplar nichts negatives aufgefallen.
    Die Beschriftung wurde nicht wie sonst üblich eingelasert oder gedruckt. Man hat sie erzeugt indem man die Schrift vor dem Glasperlstrahlen abgedeckt hat. Somit sind diese Bereiche blank poliert geblieben während der Rest matt wurde.


    Die Klinge und ihre Schneideigenschaften

    Die Schneide der hohlgeschliffenen Wharncliffe-Klinge ist nicht perfekt gerade sondern macht zur Spitze hin einen leichten Bogen nach oben. Das ist jedoch kein Negativpunkt, so wird eine allzu schnelle Abnutzung der Spitze verhindert und die natürliche Schneidbewegung unterstützt. Der Schliff ab Werk war scharf, aber nicht "Razor-Sharp" wie angegeben. Das Messer hatte keine Chance mir die Haare vom Arm zu rasieren, eher hat es die Haut abgeschabt. Der beliebte Papiertest war aber kein großes Problem.
    Die Standzeit der Klinge habe ich mehrfach an Kunstfaserseilen, zusammengerolltem Küchenpapier, Karton und 100er-Papierstapeln getestet und sie war so wie es von 440C zu erwarten war. Nur beim Karton gab das Messer recht schnell auf. Das Nachschärfen auf dem Wasserstein gestaltet sich aufgrund der geraden Schneide sehr einfach und das Messer wird recht schnell sogar rasierscharf. Verwendet habe ich einen 200er Naturstein (nur beim ersten Schliff) sowie einen synthetischen 1000er und einen 3000er Stein.
    Für Holz ist das Dragon nur bedingt geeignet. Ich würde empfehlen nur mit dem hinteren Schneidenbereich zu Schnitzen oder dünne Äste abzutrennen. Die Spitze scheint mir dafür doch zu fein, die Gefahr eines Bruchs ist gegeben.
    Solange man es nicht zum zerkleinern großer Kartons benutzt ist das Messer auch sonst als Universalmesser einsetzbar. Pakete öffnen, Schnüre durchtrennen, auch leichte Gartenarbeit lässt sich gut erledigen. Gerade der Einsatz als Cutter-Ersatz macht wegen der fein ausgeschliffenen Spitze viel Spaß.
    Auch in der Küche macht das Dragon eigentlich eine gute Figur. Wenn man direkt auf der Arbeitsplatte schneiden will kommt man immer wieder mit den Fingern auf die Platte. Sobald man aber ein 10mm-Schneidbrett benutzt klappt es dank dem leicht nach oben abgewinkelten Griff sehr gut. Nun, es macht eigentlich eine gute Figur, aber schon bei den Tomaten fangen die Probleme an. Den Strunk mit 4 Stichen herauszuschneiden funktioniert dank der Wharncliffe-Spitze besser als mit jedem normalen Kochmesser. Wenn man die Tomate dann aber in Scheiben schneiden will fängt das Messer leider etwas an zu quetschen, und das liegt nicht an der Schärfe der Schneide. Das selbe Problem besteht bei Gurken.
    Auch mit härteren Lebensmitteln wie Äpfeln, Zwiebeln und Karotten sperrt sich der Hohlschliff gerne und oft was durch die 3,5mm Klingenstärke noch unterstützt wird. Fleisch ließ sich wieder problemlos verarbeiten, genauso wie Paprikas, Bohnen, Schinken/Wurst und viele viele andere weiche Lebensmittel. Speziell bei Käse hatte das Dragon wohl die Krallen ausgefahren, Leerdammer und Maasdammer ließen sich leichter zertrennen als mit einem echten Käsemesser. Hier dürfte das glatte Klingenfinish eine Rolle gespielt haben.
    Eine Überraschung hielt CRKT dann noch für mich bereit: Brot, egal ob mit harter oder weicher Kruste hatte dem Dragon nichts entgegen zusetzen. Die Klinge schnitt sich in der Testzeit durch 20 verschiedene Brote, und das Ergebnis war jedes mal das Gleiche: Wie durch Butter. Nur um die Spitze hatte ich immer Angst, wie es scheint aber unbegründet.
    Missbraucht wurde das Messer natürlich auch, zum Beispiel zum Nüssen öffnen (Haselnüsse, Walnüsse). Die Haselnüsse wurden nur mit dem Glasbrecher-Knauf geknackt, das wollte nie richtig funktionieren. Die Walnüsse immer auf die selbe Methode: Klinge auf der Rückseite einstechen und drehen. Dabei ging einmal ein kleines, etwa 3mm langes Stück der Spitze verloren. Inzwischen ist der Drachenzahn aber wieder spitz.


    Griff und Ergonomie

    Die 4mm starken Griffschalen aus schwarzem G10 sind jeweils mit drei Torx-Schrauben verschraubt. Eine Besonderheit ist hier dass die Schrauben nicht direkt in den Full-Tang Griff geschraubt werden sondern in Hülsen die durch den Griff gesteckt werden und sich in den Schalen zentrieren. Sollte also einmal ein Gewinde kaputtgehen muss man nur die entsprechende Hülse tauschen und nicht gleich den Griff aufbohren. Im G10 sind im Abstand von 3mm über die ganze Länge 2mm breite und 1mm tiefe Rillen eingefräst. Die Rillen sind um 45° nach vorne gekippt und erhöhen die Griffigkeit gegenüber normalem G10 enorm. Allerdings kratzen und stechen sie bei längerer Benutzung ungemein.
    Allgemein ist das Dragon nicht unbedingt zärtlich zur Hand. Die Rillen an der Daumenrampe sind mit 2mm sehr tief und auch sehr spitz was der Griffigkeit zu gute kommt. Schon in den ersten Sekunden sind die Zacken aber unangenehm am Daumen, länger als eine halbe Minute möchte man so nicht arbeiten. Dann wandert der Daumen - oder bei anderer Benutzung der Zeigefinger - schnell nach vorne über die Daumenrampe auf den glatten Klingenrücken. Die Ecken und Kanten der Polymerschalen sind im Gegensatz zum Metall allesamt nicht entschärft oder gerundet und fressen sich mit der Zeit in die Hand.

    Gut gemeint ist die tiefe Fingerrille für den Zeigefinger mit einem Dorn der die restlichen drei Finger klar abtrennt (der so genannte Subhilt). In der Praxis ist jedoch genau das für mich sehr unangenehm. Für die hinteren Finger ist irgendwie nie genug Platz, während der Zeigefinger in seiner Mulde recht lose sitzt. Das ist aber nicht einmal das größte Problem. Als wesentlich problematischer stellte sich die geringe Querschnittsfläche des Griffes von gerade einmal 18mm x 11,5mm heraus. Der Griff wirkt in meiner Hand etwas verloren und ich weiß nie wirklich wie ich ihn fest greifen soll. Das liegt nicht einmal an der Stärke des Griffes. Aber etwas mehr Höhe (25-30mm) hätte ihm nicht geschadet.
    Die freie Metallfläche hinter den Griffschalen ist groß ausgefallen, hier hätte man noch wertvolle Millimeter für den Griff gewinnen können. Die abgerundete Spitze am Ende des Knaufs dient als Glasbrecher während man an dem großzügig dimensionierten Loch einen Fangriemen anbringen kann.


    Das Kydex-Tragesystem

    Die Oberfläche ist schön fein und gleichmäßig strukturiert, die Nieten sind gut gesetzt und verarbeitet. Auch die Außenkontur der Scheide ist angenehm Gerundet. Aber hier hören die positiven Erkenntnisse auch schon auf. Die Kydexscheide ist mit den riesigen Ausmaßen von 15cm x 6cm einfach viel zu groß, das müsste nicht sein. Das Messer schnappt nicht ein - wie ich das von anderen Kydexscheiden gewohnt bin - sondern klemmt sich nur fest, je nachdem wie tief man es hineinschiebt. Auch die Öffnung ist seltsam trichterförmig ausgebeult und verhindert ein bequemes Ziehen des Messers weil sie bis zum Subhilt geht. Dieses muss immer in zwei einzelnen Bewegungen von sich gehen. Erst muss man das Messer lockern und ein Stück herausziehen, dann kann man den Griff richtig greifen und ganz ziehen. Das ist umständlich und ist für mich so nicht akzeptabel.

    Der an- und abschraubbare "multi-position clip" wird seinem Namen ebenfalls nicht gerecht. Es ist eigentlich nur horizontale und vertikale Tragweise jeweils für Rechts- und Linkshänder möglich, der Clip wird immer an der selben Stelle der Scheide befestigt. Gut ist die Möglichkeit Gürtel bis 40mm zu verwenden. Der Clip ist allerdings unheimlich sperrig und schwer und kratzt da er weit über den Gürtel hinaus steht. Verdecktes Tragen ist nahezu unmöglich, das Messer wackelt am Gürtel hin und her und steht eigentlich in alle Richtungen viel zu weit vom Körper ab.

    Um als Neckie getragen zu werden ist das Dragon dann definitiv zu groß.
    Ich habe es daher immer ohne den Clip nur in der Kydexscheide in die Hosentasche gesteckt. So steht zwar der Griff über, es ist aber schnell verfügbar und trägt nicht so sehr auf wie am Gürtel.
    Ich hätte mir allgemein bei der Scheide etwas mehr erwartet.


    Fazit

    Für etwa 70€ bekommt man ein nicht ganz alltägliches Messer das in vielen Bereichen des Lebens nützlich sein kann. Leider hat der Hersteller sich dazu hinreißen lassen das Messer als Selbstverteidigungsmittel anzupreisen weswegen es schwer werden wird das Dragon - trotz seiner 11,9cm Klinge - täglich zu führen. Da hilft auch ein "Makes a neat utility knife, too." nichts mehr. Wegen der Länge, dem Gewicht von 122g und dem sperrigen Tragesystem würde ich dieses Messer ohnehin nicht jeden Tag dabei haben wollen. Ursprünglich als Folder-Ersatz gedacht wanderte das Messer daher schnell in die Küche und von dort letztendlich ins Regal.
    Beim Kauf des Messers sollte man vielleicht 20-30€ mehr einplanen und sich noch eine vernünftige Kydex- oder Lederscheide zulegen. Dann klappt es auch mit dem Gürtel. Selbst machen kommt natürlich billiger, aber nicht jeder hat die Möglichkeit dazu.