Westernwaffen im 21. Jahrhundert

Es gibt 834 Antworten in diesem Thema, welches 198.103 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (17. Dezember 2023 um 15:22) ist von Hephaistos06.

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    Liebe Westernfreunde und Sammler,
    ich habe es getan! Ein Sakrileg, und viele werden jetzt den Kopf schütteln: Ich habe meinen Hege SAA Revolver im neuwertigen Sammlerzustand künstlich altern lassen. Und ich bin zufrieden damit. Warum hab ich das gemacht? Weil er mich mit seinem Shiny-Shiny-Geglänze gelangweilt hat. Ich möchte euch im Folgenden ein paar Gedanken zu so einem Frevel schreiben, Pro- und Contras nennen, und erläutern, wie man es anstellt.


    Wenn man einen Uberti in der Hand hält, ist man positiv angetan von seiner Eleganz, seinem Finish und seinem Schlossgang. Dennoch beschleicht einem nicht das Gefühl, dass dies der Colt sein soll, mit dem der Wilde Westen erobert worden ist. Das eingeprägte Patentdatum aus den 1870ern und das neue Erscheinungsbild stehen also im Widerspruch. Die Waffe sieht trotz aller Schönheit nicht authentisch aus. Ganz anders die alten Prügel im Museum oder auf Auktionen – die sehen nach langen ungemütlichen Fahrten auf dem Trail aus, haben ihre Brünierung durch viele Regennächte und Säuberungen nach schweißtreibenden Indianergefechten verloren. DAS ist das Finish, wofür die Sammler eine Menge Kohle auf den Tisch legen. Diese Revolver sehen nach Geschichte aus, und da auch ich in meiner Sammlung vornehmlich abgewetzte Militär-Originale in Altdeko habe, wollte ich, dass sich der SAA da einreiht (und hey, der Colt heißt „Single Action ARMY“!!! Das ist ein Militärrevolver, der also auch dementsprechend aussehen muss! – Zitat vom Bob Ross der Kurzwaffen, Hickhok45 )


    Nun gibt es viele, die soetwas nicht verstehen. Es gibt ein paar Standardargumente, z.B.: Die Westernfreaks kleiden sich wie in den 1870er Jahren und bauen ihre Häusersiedlungen danach. Aber sie wollen einen Colt tragen, der aussieht, als ob er aus dem Jahr 2021 kommt – abgewetzt und verbraucht. Im Jahr 1873 sahen die Colts eben auch neu aus. Also gehört an eine ordentliche Westernkluft ein nigelnagelneuer Colt. Andere meinen, dass eine authentische Alterung nur durch einen authentischen Gebrauch entsteht, und sagen einem, man solle raus auf den Schießstand gehen, und ein paar tausend Schuss durchjagen. ABER: Ich habe erstens dafür keine Zeit und zweitens habe ich zu viele Revolver, um mich dem einen so stark zu widmen (außerdem ist mir das Ballern viel zu laut…).

    Es gibt daher ein paar Spezialisten, die solche Waffen für die Westernfreaks künstlich altern lassen, und je älter die Waffe danach aussieht, desto höhere Preise werden erzielt. Auch objektiv scheinen gebrauchte Waffen attraktiver, als neue. Manchmal fragen mich Freunde, ob ich für sie meine Sammlung aus dem Koffer krame, und komischerweise finden alle immer die total abgerockten Eisenschweine aus den Weltkriegen am besten, und nie den Shiny-Bling-Bling-Colt SAA – obwohl ich für den bei weitem das meiste Geld ausgegeben habe.

    Schaut man sich auf eGun um, bemerkt man allerdings, dass gealterte SAAs stets 100€ weniger erzielen, als neuwertige. Das ist mir aber egal gewesen, denn bei den Preissteigerungen der letzten Jahre brauche ich mir um einen Werteverfall meines noch zerlegbaren Peacemakers keine Sorgen zu machen. Die Preisspanne erkläre ich mir zudem damit, dass die Colts immer nur stümperhaft geaged worden sind, indem man sie mit 0000er-Stahlwolle solange poliert hat, bis die Brünierung runter geht. Man sieht schon aus hundert Metern, dass das Ding nicht authentisch gealtert ist.

    Beispiel-Link:
    http://tincanbandit.blogspot.com/2015/01/antiquing-guns-finish.html


    Warum sehen aber alte Colts so aus, wie sie aussehen?

    Woher kommt das „Colt Antique Vintage Finish“? Die Colts wurden regelmäßig mit Wasser und einem Tuch geputzt, um die Schmauchspuren etc. zu entfernen. Gerade bei den Schwarzpulverrahmen entstand viel Dreck. Oft dehnten sich beim Schießen die Patronen so sehr aus, dass sie nicht mehr mit dem Ejector auszuwerfen waren. Man musste also die Kammern einölen, um die verrußten Patronen rauszuholen. Die Hände wurden also schon im Gebrauch schnell schwarz und ölig, was sich auf die Färbung des Griffes auswirkte. Die feine Körnung des Putzlappens trug dann bei der Reinigung nach und nach die Brünierung ab. Bei diesen Colts ist an den unzugänglichen Ecken (zB in den Trommelflutungen) die Originalbrünierung oft noch erhalten. Dann gibt es solche Colts, die nur noch den nackten Stahl aufweisen. Es ist zweifelhaft, ob diese wirklich 150 Jahre lang eisenhart im Gebrauch waren, dass sie diese Optik annehmen. Es ist eher anzunehmen, dass sie irgendwann mal ungereinigt auf den Dachboden abgelegt worden sind, und da fröhlich vor sich hinrosteten. Die Enkel fanden irgendwann mal Opas vergessenen Revolver, man ließ ihn reinigen, und heraus kam eine Plemme, die keine Brünierung mehr hat, stattdessen viele grau polierte Rostsommersprossen. Kann man mögen, muss man aber nicht.

    Was man noch bedenken sollte, wenn man seinen SAA auf Army-Style trimmen möchte (inkl. Militär-Abnahmestempel), ist, dass die Kavallerie nur 7,5 Zöller als Ordonanzwaffe führte. Diese Modelle nannte man „Cavalry-Model“. Zwischen 1895 und 1903 wurden 17.000 dieser Waffen allerdings eingezogen und von der Colt-Fabrik und der Springfield Armory auf 5,5 Zoll gekürzt, indem man neue Läufe eingebaut hatte. Diese Modelle nannte man in späteren Sammlerkreisen „Artillery-Model“. Diese dienten mir auch als Vorbild bei der Internetrecherche – zumal mein Uberti auch nur 5,5 Zoll hat….


    Wie lässt man den Revolver nun altern?

    ---- AN ALLE PULIERTUCHMUSCHIS: Ab hier bitte nicht mehr weiterlesen ------


    1.Heavy-Used-Look (Blanker, ergrauter Stahl)

    Es muss jeder selbst für sich entscheiden, welchen Look er bevorzugt. Findet man den nackten Stahllook geil, legt man alle Revolverteile 12 Stunden in Essig ein, säubert sie dann unter fließend Wasser. Danach tupft man mit Plum-Brown von Birchwood-Casey die Oberfläche ein, bis sich ein kupferfarbener Rost bildet, dann legt man ihn wieder in Essig ein, und wiederholt die Prozedur, bis der gesamte Stahl von dem Rostmittel grisselig angeätzt ist und ergraut. Der Glanz des einst absolut glatten Stahls ist dann verloren und kaum mehr wieder herzustellen, es sei denn mit einer Polierscheibe…

    Also, KEINE Polierwolle bitte bitte bitte! Essig, ein altes Unterhemd zum abwischen und Plum-Brown reicht, und man erzeugt nicht diese hässlichen Kratzer in der Oberfläche, die eben auch 0000 Feinwolle erwirkt. Die Wirkung von Plum-Brown erläutere ich unten nochmal.

    2. Used-Look

    Ich bevorzuge eher einen milderen Used-Look, womit die Waffe für Otto-Normalverbraucher und auch Sammler noch interessant bleiben sollte. Die alten Altdeko-Revolver in meiner Sammlung haben stets noch Brünierung, die sich mit blanken Stellen abwechselt. Dieser Look kam durch Holstergebrauch und Säuberungen der Waffe zustande. An den blanken Stellen hat sich über die Jahrzehnte eine milde, dunkelbrauche Rostschicht gebildet – diesen Look wollte ich auch für den SAA. Und auch der Griff sollte härter benutzt und alt aussehen. Optische Beispiele holt man sich am besten auf folgender Seite wo antike Army-Revolver verhökert werden. An ihnen sieht man, wo die meisten Abnutzungsstellen sind, und wo sich Rost gebildet hat.

    https://www.ancestryguns.com/shop/lettered-…can-war-period/

    Als Referenz unter den freien Waffen kann man gerne auch den Uberti „Doc Holliday“ nehmen, den die Italo-Schmiede als Modellwaffe für Franklin Mint angefertigt hat. Ich gehe davon aus, dass die für ihr antikes Finish eine ähnliche Methode angewendet haben, wie ich sie euch unten beschreiben werde. Klasse am „Doc Holliday“ Revolver sind zudem die alten Stempel: Auf dem Rahmen ist ein „U.S.“ eingehämmert, wie bei den SAA-Ordonanzrevolvern, zudem ist am Abzugsbügel ein „45 CAL“ in 1,5mm großer Schrift eingeprägt. Dazu wurden die Teilenummern mit alten Serifenschlagzahlen eingestanzt:
    https://www.riverjunction.com/z-Sold-Doc-Hol…ing_p_3233.html

    Uberti hat diese klassischen Stempel also in der Fabrik rumliegen. Jammerschade, dass sie die Teilenummern der PTBler mit modernen Schlagzahlen eingeprägt haben. Sie können auch anders: Ubertis aktuelles Artillery-Model hat auch alle alten Stempel: Das „U.S.“, mehrere „R.A.C.“-Stempel (Initialen des Militärinspektors Ronaldo A. Carr) und die „C“s, die dafür stehen, dass dieser Militärrevolver für den zivilen Markt ausgemustert worden ist. In diesem Video sieht man die Stempel schön:
    https://www.youtube.com/watch?v=opQ7k0kaxXQ

    Diese Punzen wollte ich auch haben, also musste ich es selbst anstellen. Wenn man nun selber ein „U.S.“ nachträglich bei der Schreckschusswaffe auf den PTB-relevanten Rahmen schlagen will, um den Artillery-Model näher zu kommen, muss man folgendes beachten:

    Es gibt drei Formen des Werkelns an Waffen:
    1.Herstellen
    2.Bearbeiten
    3.Instandsetzen

    Für die ersten beiden braucht man unbedingt eine Büchsenmacherlizenz. Die Rechtsprechung versteht unter dem „Bearbeiten von Waffen“ aber nur die mechanische Bearbeitung, beispielsweise, um die Schussfolge zu ändern. Optische Verschönerungen, Änderungen am Schaft oder Visier zählen nicht darunter. Solange die Zulassungszeichen frei erkennbar sind, sind Gravuren und Schlagstempel daher okay, wenn auch leicht in einer rechtlichen Grauzone, da dafür einfach die entsprechenden Paragraphen fehlen. Diese Auskunft wurde mir telefonisch von der PTB-Zulassungsstelle Braunschweig erteilt und ist nachzuprüfen unter dem „Waffengesetz, Anlage 1 (zu §1 Abs.4): 8.2.3.“. Aber aufgepasst: Der gehärtete Rahmen ist so megasauhart, dass man den Stempel tausendmal reinhämmern muss. Mein US-Stempel war schon etwas stumpf und abgenutzt, weshalb ich das S kaum mehr sauber reinschlagen konnte. Aber so sieht es auch okay aus. Bei den früheren Artillery-Models war das US auch oft krumm und schief eingehämmert.

    Jetzt erstmal ein weiterer Beispiellink zu dem angestrebten Finish:
    https://lsbauctions.com/6707/colt-1873…d-1880-antique/


    Und so geht`s: Die blaue Brünierung muss runter, dann wird eine Rostschicht aufgetragen, dann eine neue Brünierung. Alles einölen. Fertig.


    Der Lauf und Trommel

    1.Colt auseinander bauen (geht natürlich nur bei den alten PTBs)
    2.Eine Smoothieflasche mit großer Öffnung mit Essig befüllen. Lauf bis zum Rahmenanschlag für ein paar ganz wenige Minuten reinstecken. Schnell rausholen und mit Tuch Brünierung abpolieren. An den Stellen, die unzugänglich sind, lässt man die Brünierung dran. Dann alles unter dem Wasserhahn abwaschen und trocken föhnen (der Essig muss komplett runter).
    3.Das gleiche gilt für die Trommel und den polierten Hahn: Eine ganz kurze Zeit in Essig legen, rausholen, abwischen, unter Wasser den Essig rausspülen. Jetzt sind alle Revolverteile stahlgrau (Steel-Metal-Gey).
    4.Dann mit Plum-Brown von Birchwood-Casey in kaltem Zustand die Teile mit Watte einstreichen. Dann nehmen die Oberflächen ein kupferfarbenes Finish an (siehe Foto). Stets Handschuhe tragen, wenn ihr keine Cowboys seid! (die Stahlteile hatten bei mir eine Temperatur von ca 5 Grad, da ich draußen gearbeitet habe. Die Brünierung habe ich dann bei Zimmertemperatur auf die kalten Stahlteile aufgetragen.)
    5.Solange das Plum-Brown noch feucht ist, kann Super Blue von Birchwood-Casey aufgestrichen werden – dort verfärbt sich die Oberfläche blau, der Rest bleibt rotbraun, dunkelt aber dann ganz schnell nach.
    6.Auf der neu aufgetragenen Brünierung sind nun hässliche Streifspuren. Sobald man aber alle Teile einölt, kann man diese Spuren mit Watte kreuz und quer wegpolieren. Nun geht das blaue Finish nahtlos ins Braune über (Siehe Fotos).
    7.Dann alles für 45min einölen und das Öl einziehen lassen. Das Plum Brown wird abermals dunkler und sieht nun richtig antik aus.
    8.Die Schrauben (vor allem die Hahnschraube) habe ich mit einem groben, unpassenden Schraubenzieher malträtiert. Die scharfe Späne habe ich mit 380 Sandpapier weggeschliffen und die Schrauben wieder neu poliert und brüniert. Nun sind sie leicht angefranst.


    Der Griff

    9.Zeitgenössische SAAs der Army hatten nur geölte Griffe. Der Holzgriff wird daher in einem Bad aus Aceton entlackt. Dauert ca. 20 Minuten. Mit dem Lack löst sich auch die Beize des Griffs ab. Das Walnussholz, was Uberti nutzt, ist eigentlich sehr hell und fast schon weiß.
    10.Danach mit 100-Sandpapier (nicht gröber!) den Griff auf der rechten Seite dünner schmirgeln. Die alten Revolvergriffe sind an dieser Seite dünner, da dort die schwitzigen Hände ansetzten.
    11.Ganz wichtig: Die rechte Unterkante stumpf/rund schmirgeln. Das verbessert zudem ungemein das Handling. Hier sind alle alten Revolvergriffe am stärksten abgenutzt (Merke: Eine alte Waffe hat nirgendwo mehr scharfe Kanten, vor allem nicht mehr am Holz…)
    12.Je nach Belieben auch die langen Kanten zum Griffrücken zurückschleifen, damit der Griff so aussieht, als ob sein Holz etwas geschrumpft sei.
    13.(Mit Messingbürste vorsichtig abschrubbeln/aufrauhen.)
    14.Mahagonibeize aufpinseln.
    15.Hände an einer Ofentür mit Ruß einreiben und den Griff dunkel betatschen (der Ruß imitiert Schmauch vom Schießpulver).
    16.Alles mit braunem Lederöl einreiben, das zieht besonders tief ins Holz. Mit 0000-Stahlwolle einpolieren. Durch die Stahlwolle richten sich die feinen Holzfasern auf, und das Öl zieht besser ein.
    17.Anschließend mit Antikwachs behandeln.
    18.Danach Kerben reinhauen (den Griff mehrmals auf eine Tischkante schlagen, gerne an der Hauswand langreiben. Alles, was so passiert, wenn ein Revolver im Holster baumelt oder mal runterplumst. Ich habe zudem die Kanten des Holzgriffes an einem alten Eichenbrett stumpf gerubbelt)
    19.Wer alte Schlagzahlen (5mm oder 4mm) mit Serifen zur Hand hat, kann diese noch in den oberen Griffbereich stanzen. Das sieht nach einem militärischen Inspektionsstempel aus. (alte Schlagzahlen mit Serifen werden von den Oldtimerbastlern auf eBay stark nachgefragt, und erzielen Preise bis 360 Euro – für Zahlen von 0 bis 9! Das muss es also einem Wert sein)
    20.Ich habe zudem noch ein „RAC“ ins Holz gestanzt. Ronaldo A. Carr war einer der letzten Armeeinspektoren, der die Artillery-Colts in den 1890er Jahren abgenommen hat. Das ist wichtig zu wissen, denn die Ubertis haben den kleinen Trommelachsen-Knopf, den Colt erst in den 1890ern eingeführt hatte. Davor hatten die sog. Schwarzpulverrahmen nur eine kleine von vorn eingeführte Madenschraube, die die Trommelachse fest hielt. Um es historisch korrekt zu machen, darf da also kein anderer Stempel auf den Griff, beispielsweise von OWA (Armeeinspektor Orville W. Ainsworth), der die ersten Cavalry-Colts in den 1870ern abgenommen hatte, oder anderen Inspektoren. In die Stempelprägungen satt Ruß einreiben, und dann den Ruß wegwischen, dass in der geprägten Rille die schwarze Farbe nur noch zu sehen ist und sich die Stempel optisch vom Holzuntergrund abheben.
    21.Dann mit gröbstens 100-Sandpapier die einzelnen Kerben leicht rauspolieren. Das ergibt eine wunderschöne Unregelmäßigkeit in der Holzfärbung.
    22.Mit Antikwachs nachbehandeln.
    23.Alles wiederholen, bis man sich mit der Färbung, den Kerben und Kratzern zufrieden gibt.


    Messing altern lassen; Messing patinieren (Im Internet gibt es viele Anleitungen, wie man Messing mit Essig optisch altern lässt; Diesen Vorgang beschreibe ich im Folgenden)

    24.Mein Ersatzgriff ist aus Messing. Bzw. es ist gar kein Messing, denn Messing wäre zu weich. Es ist also irgendeine messingartige Legierung, welche Uberti nutzt. Und die glänzt werkseitig ziemlich hell. Da muss Patina ran. Die kommt nicht ran, solange der Klarlack von dem Griffbügel nicht runter ist: Daher entweder ab ins Acetonbad damit, oder mit 380-Sandpapier allen Lack runterschmirgeln, bis der goldene Messingstaub sich auf dem Papier abfärbt. Ich habe ihn abgeschmirgelt, damit die Patina besser in die feinen satinierten Kratzer angreifen kann.
    25.Die Bügel müssen dann von Essigdämpfen umgeben werden (NICHT in ein Essigbad legen!). Dazu füllt ihr in eine Tupperdose 1cm Essig, und gebt noch einen Esslöffel Salz darein. Dann bastelt ihr euch eine Erhöhung (ich habe einen breiten Honigdeckel genommen) und legt die Bügel darauf.
    26.Die Bügel dürfen keinen Essigtropfen abbekommen. Sie müssen trocken liegen. Dann macht ihr den Deckel der Dose zu und lasst die Bügel über Nacht in den Dämpfen patinieren.
    27.Am nächsten Morgen werdet ihr erschrocken sein, dass über den ganzen Griffe giftgrüner Grünspan liegt. Diesen kann man schnell mit Wasser abspülen. Darunter ist das Messing schön stumpf geworden.
    28.Diese Methode wiederholt ihr drei bis vier Nächte, bis das Messing eine dunkle, grünliche Patina hat.
    29.ABER: Diese Methode ist zwar zielführend, die Patina ist aber dennoch nicht allzu resistent und wird bei jedem Befummeln des Revolvers wieder glänzender. Das Messing bekommt wieder seine Goldfärbung, die wir ja eigentlich vermeiden wollen
    30.BESSER: Sofort auf eBay „Tifoo-Patinierung für Messing und Bronze“ kaufen. Das ist Selendioxid. Das mischt man 1:5 mit Wasser und hängt die Messingteile mit einem Draht ins angemischte Bad. Dann sieht das Messing ganz schnell richtig alt aus, und die Patina hält vernünftig. Die Farbgebung ist nun braun. (vergesst also die Essiganleitung. Im Nachhinein war ich auch schlauer, und hab mir das Tifoo-Zeug geholt).


    Als ich alles zusammengebaut habe, hab ich das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommen. Die ganze Prozedur macht eine Saulaune und bis jetzt kam noch kein Moment der Reue auf. Lediglich die Trommel hab ich etwas versaut. Ihr Finish war absolut top, doch leider fiel mir die Essigflasche um, und das arme Ding hat scheußliche Flecken bekommen. Da musste ich nochmal alles in Essig einlegen, 2 Stunden mit der Hand die Ätzungen wegpolieren, und dann alles wieder wiederholen.


    Es gibt natürlich auch andere Methoden des Agings. Manche Spezis in den USA legen die Revolverteile wochenlang in eine Mixtur aus Jauche und Kuhmist ein. Andere nehmen Zitronensäure, Senf oder gar Chlor, um die Stahloberfläche anzugreifen. Und auch mit dem Plum-Brown kann man weitere schöne Ergebnisse erreichen: Wenn man die Teile in den Ofen schiebt, und solange erhitzt, bis ein Wassertropfen auf den Teilen tanzen kann, und dann mit dem Plum-Brown einreibt, entsteht eine wunderschöne, sehr dunkle, mattbraune Brünierung. Die sieht aber mMn am SAA nicht gut aus, eher an den 1851 Navys oder den weiteren Bürgerkrieg-Colts von Neumann oder Pietta.


    Die Kosten für das alles belaufen sich auf ca. 90 Euro: 30 Euro für das Plum-Brown und Super Blue, 12 Euro für das Lederöl und Antikwachs, 5 Euro für Aceton, 10 Euro für 0000-Stahlwolle und etwas Schleifpapier, 25 Euro für die Tifoo-Messing-Patinierung und dann noch der Essig aus dem Supermarkt. Schlagzahlen findet man mit Glück auch für kleines Geld auf eBay, zB wenn die Sätze nicht vollständig sind, und Buchstaben oder Zahlen fehlen. Wenn man keine Zahlen mit Serifen findet, kann man auch ein Set Zahlen (3 oder 4mm) ohne Serifen kaufen (die gehen immer für 20 bis 30€ weg). Die Serifenstriche fügt man dann fein mit einem Uhrmacherschraubenzieher der eingeschlagenen Punze hinzu. Für die Militärstempel habe ich allerdings tiefer in die Tasche gegriffen….


    Ich hoffe, dass ich den Usern und manch stummen Mitlesern hiermit ein paar Anregungen liefern konnte und den ein oder anderen Revolver davor bewahren kann, mit Stahlwolle misshandelt und verschandelt zu werden.


    Hier nun ein Vorher/Nachher-Vergleich. Ich hab für den Uberti einen Messinggriff und einen Stahlgriff. In diesem Used-Antique-Finish finde ich den braunen Stahlrahmen schon wieder attraktiver als den Messinggriff. Der Stahlrahmen sieht mehr nach Militärrevolver aus, während der Messingrahmen so ein Outlaw-Flair hat, und eher nach Eisenbahnräuber aussieht. Mal sehen, welchen ich dauerhaft dranlasse… Schreibt sonst eure Meinung mal dazu

    Wenn man beim Umbau gerade ist, kann man sich auch überlegen, die Technik gleich mit zu überarbeiten. Uberti baut vergleichsweise starke Federn ein, damit der Hammer die Reibungen überwinden kann, die durch die maschinelle Bearbeitung des Rahmens entstanden sind. Oft sieht man gerade am Hahn unschöne Kratzer, die vom Schleifen an der Hahnkammer herrühren. Spezis aus dem Cowboy-Action-Shooting-Bereich schleifen diese Kammern sauber zurück, bis der Hahn wirklich frei in ihnen liegt. Dann verbauen sie ein „Wolff-Spring Set“ für Ubertis mit leichteren Federn. Der Schlossgang wird somit weicher und der Abzug löst sich leichter. Viele berichten auch, dass der Einbau der neuen Federn auch ohne weiteres Polieren und Schleifen den Schlossgang um Welten verbessert. Andere Mitglieder in diversen US-Foren berichten aber, dass der Hahn mit der leichteren Feder die Reibungen nicht überwinden könne, und er deshalb nicht mehr zuverlässig zünden würde. Für uns Sammler an SSW, die wir die Teile sowieso nicht schießen, mag das vielleicht alles überflüssig sein. Wenn das Befummeln dann aber mehr Spaß macht, ist das Auswechseln der Feder eine Überlegung wert. So ein Set kostet ca. 30 Euro.


    Vielleicht kennt ihr weitere Methoden einen SAA altern zu lassen, z.B. mit anderen Brüniermitteln? Welche Erfahrungen habt ihr schon mit dem Aging gemacht, oder was für verhunzte Colts habt ihr schon in den Händen gehalten? Oder ist das alles ein No-Go? Ich bin wie gesagt froh, dass ich den Schritt gewagt habe. Vor ein paar Jahren war ich stets im Polierwahn und wollte alles neu aussehen lassen. Ich weiß nicht, ob das vom älter werden kommt, aber jetzt find ich Patina schick (wie der Typ, der seine alten Jaguar-Autos mit Absicht verrosten lässt im Oldtimer-Friedhof im Neandertal: https://www.spiegel.de/auto/fahrkultu…h-a-994571.html). Zudem brauche ich jetzt kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, wenn ich das empfindliche Hegeblau angrabsche, der Uberti sieht wirklich nach einem echten Widowmaker aus und reiht sich prima in meine Ordonanzrevolversammlung ein. Zudem habe ich seit Jahren nicht mehr über so viele Tage Spaß am Basteln gehabt – und nur der Freude wegen sammle ich ja.

  • Zeugt von Geschmack. Saubere Arbeit.

    Nun, daß Du Geschmack hast, wusste ich ja... ;)

    Christopher Hitchens, Sam Harris, Lawrence Krauss

    and Richard Dawkins are those, who rock the Boat!

  • Hab ich mal mit 2 Revolver gemacht. Man kann es nicht hier sehen,
    aber hinten am Griff sind sogar kleine Rostnarben.

    Den Remington hatte ich mir von meinem Konfirmationsgeld gekauft. War gut angelegt. Bis jetzt hab ich ihn noch :)

  • @Hephaistos06

    Wewnn man sich schon solche Mühe macht etwas authentischer aussehen zu lassen, stören mich bei deinem Exemplar drei Dinge:

    - kein Schwarzpulverrahmen. Als der Rest des Westens noch erobert werden musste, gab es deinen Rahmen noch nicht
    - Army SAA waren 7,5 Zöller
    - und hatten keine Messinggriffrahmen. Die kamen erst mit den Spaghettiwestern

    Sonst gute Arbeit!

    Ich habe keine Probleme mit Lactose und Gluten. Als Ausgleich leiste ich mir ein paar Intoleranzen im zwischenmenschlichen Bereich.

  • @Hephaistos06

    Wewnn man sich schon solche Mühe macht etwas authentischer aussehen zu lassen, stören mich bei deinem Exemplar drei Dinge:

    - kein Schwarzpulverrahmen. Als der Rest des Westens noch erobert werden musste, gab es deinen Rahmen noch nicht
    - Army SAA waren 7,5 Zöller
    - und hatten keine Messinggriffrahmen. Die kamen erst mit den Spaghettiwestern

    Sonst gute Arbeit!

    Ich weiss der Text ist etwas lang. Aber auf das alles habe ich oben schon hingewiesen, da ich mir auch diese Gedanken zwecks Authentizität gemacht habe. Army SAAs in 5" Ausführung gab es eben doch. ;)

    Aber Danke für die Rückmeldung :)

    Meine Interesse war auch nicht primär, den Colt hier zu präsentieren und sein Aussehen zur Diskussionsgrundlage zu stellen, sondern den Usern Anregungen zu geben, wie man es ohne Schmirgelpapier hinbekommt und welche Resultate die Mittelchen bringen.

    Daher auch die Bilder mit dem Messingrahmen.Falls sich einer fragt, wie der SAA mit einem gealterten Messingrahmen aussieht. Ich lasse natürlich den Stahlrahmen dran, aber das hab ich auch schon geschrieben :)

    Meine größte Angst: Dass ich irgendwann sterbe und meine Frau meine Revolver zu den Preisen verkauft, die ich ihr mal gesagt habe.

  • :thumbsup: Eine geniale Alterung und eine der besten Beschreibungen "aus dem Nähkästchen"!

    Den Revolver 1.000 x hostern, kann jede Maschine. Abrieb erkennt jeder.
    Was den authentischen Gesamteindruck ausmacht, sind all die winzigen Gebrauchsspuren, deren Ursprung wir vielleicht nicht einmal erahnen. (Genau davon leben auch Meisterfälscher.)

    Im Modellbau ist das ähnlich. Manche sauen ihre Modelle wahllos ein oder betonen nur die Kanten.
    Um Realität nachzustellen, braucht es dagegen Vorbildfotos, Kenntnis aller Nutzungs- und Wartungsvorgänge, typischer Schäden und des Verschleiß (sonst übersieht man auch die Details der historischen Vorbilder) und natürlich viel Hirnschmalz.

    An Revolver habe ich mich noch nicht heran getraut. Mit der super Anleitung fallen allerdings einige Hemmschwellen. :thumbup:

    Hat die US-Armee tatsächlich nur 7,5" Cavalry Ausführungen angeschafft oder später auch die kürzere Version? War "Artillery" für den 5,5" dann nur eine interne Bezeichnung von Colt?
    Wikipedia meint, ein Drittel sei an Behörden und Milizen gegangen, aber Wiki hat in dem Bereich keine 100% Trefferquote. ;)

  • ...was auch völlig Rille ist.

    Denn damals hat man als freischaffender Cowboy das genommen, was einem taugte und wo man rankam.

    Christopher Hitchens, Sam Harris, Lawrence Krauss

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  • Die Artillery Modelle kamen ab 1895. Der Begriff kam später auf und ist kein Colt interner Begriff.

    Junge, trau dich an deine Revolver ran - sofern sie aus Stahl sind. Schon wenn du die zwei Minuten in Essig steckst und rausholst, sehen sie tausendmal schicker als vorher aus. Wenn dir das Brünierergebnis nicht gefällt, kannst du wieder alles in Essig tun und von vorne anfangen. Da kann nix schief gehen.

    Hat jemand mal seine Kanonen kalt brüniert und dann sofort mit einer Lötlampe befeuert, um das Brüniermittel einzubrennen? Gibt auch diese Methode, hab aber noch kein Bild dazu gesehen. Soll dann alt aussehen wie 300 Jahre...

    Meine größte Angst: Dass ich irgendwann sterbe und meine Frau meine Revolver zu den Preisen verkauft, die ich ihr mal gesagt habe.

  • Habe festgestellt, daß Kaffee auch in der Lage ist, Stahl dunkel zu färben.

    Christopher Hitchens, Sam Harris, Lawrence Krauss

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  • haha, du lässt zulange deine ollen Kaffeelöffel in der Tasse :D

    Meine größte Angst: Dass ich irgendwann sterbe und meine Frau meine Revolver zu den Preisen verkauft, die ich ihr mal gesagt habe.

  • Das ist eine Sache von Minuten.

    Unbehandelter, blanker Stahl - ruckzuck schwarz.

    Niemand war überraschter als ich selber.

    Christopher Hitchens, Sam Harris, Lawrence Krauss

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  • Den Revolver 1.000 x hostern, kann jede Maschine. Abrieb erkennt jeder.
    Was den authentischen Gesamteindruck ausmacht, sind all die winzigen Gebrauchsspuren, deren Ursprung wir vielleicht nicht einmal erahnen. (Genau davon leben auch Meisterfälscher.)


    An Revolver habe ich mich noch nicht heran getraut. Mit der super Anleitung fallen allerdings einige Hemmschwellen

    habe mir nochmal Gedanken über deine Worte gemacht und gestern Mitternacht noch den Hammer rausgeholt und den SAA verprügelt, harr harr, das war ein Spaß :rolleyes:

    Meine Anleitung beschreibt nur das Finish, wo sich braun, blau und blanke Stellen abwechseln. Über Dellen und Kerben auf dem Stahl habe Ich mir gar nicht so sehr den Kopf zerbrochen. Gestern habe ich dann aber nochmal die ancestry-guns Seite aufgemacht und mir die Dellen an den alten Revolvern angeschaut. Sie sind am meisten an dem unteren Griffkanten, an der Laufmündung und am Korn.

    Ich empfehle erstmal mit den untersten Griffkanten anzufangen. Da kann man abschätzen welche Kraft es für die Hammerschläge braucht und welche Kerben die spitze und flache Seite des Hammers hervorrufen.

    Manche Stellen am Uberti sind sau scharfkantig. Die habe ich auch noch stumpf gehämmert. Immer behutsam vorgehen. Nix überstürzen. Das Ding sieht mit jedem Schlag besser aus 8)

    Jetzt beende ich aber endgültig das Projekt. Ich gehe davon aus, dass er die nächsten Jahre noch seine Farbe ändern wird. Mit einölen kann man den Prozess sicherlich aufhalten. Werde jede Woche nachsehen wie es ihm geht. Aber eins steht fest: Er wird sicherlich noch älter aussehen ^^

    Meine größte Angst: Dass ich irgendwann sterbe und meine Frau meine Revolver zu den Preisen verkauft, die ich ihr mal gesagt habe.

  • Ich kenne auch einige Dinge und Leute, die echt alt aussehen...

    Na, ich bin gespannt.

    Christopher Hitchens, Sam Harris, Lawrence Krauss

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  • Der Gürtel für den 1851er würde 1983 von meinem Vater gemacht. Not perfect aber ich finde ihn ganz cool. Initialen von meinem dad mit jahres Zahl und als gag der Schriftzug "Spice Castle" was auf deutsch Würzburg heißen soll, Heimatstadt :D
    Der zweite Gürtel, Linkshänder, wurde 1993 gemacht, mit meinen Initialen erkennt man nicht gut auf dem Bild, mein Vater ging zu diesem Zeitpunkt davon aus das ich Linkshänder bin und bleibe, dummerweise bin ich Rechtshänder seit der 1. Schul Klasse :D:D