Crosman 1077 W

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    1. Zur Geschichte:

    Damals, im dunklen und weit zurückliegenden Jahr 1994, hatte ich mich entschieden, mir zum ersten Mal
    ein Luftgewehr zu kaufen. Es sollte eigentlich ein Baikal IJ60 werden, aber der Verkäufer in diesem kleinen
    Laden in Amberg riet mir zu einem anderen Gewehr: Dem Crosman 1077. Damals kaufte ich mir noch die
    Kunststoffversion, und ich habe den Kauf - zugegeben nach anfänglichen Vorbehalten - dann doch
    niemals bereut.

    Inzwischen wurde die Produktion dieses Gewehres leider eingestellt, und bei den Händlern lichten sich die
    letzten Restbestände dieser Luftdruckwaffe. Daher habe ich mir - da mein altes, stark bespieltes und
    verbasteltes 1077 schon längst weiterverkauft wurde - eines der letzten Exemplare dieser aussterbenden
    Gattung gesichert, dieses Mal allerdings in der Holzschaft-Version.

    Dieses im wahrsten Sinne des Wortes Fun-Gewehr habe ich mir (nomen est omen) bei funnyguns.de
    (ohne Zielfernrohr) für 149,95€ gekauft, wohl das Letzte das sie hatten, denn danach verschwand es leider
    auch bei diesem Händler aus dem Onlineangebot. Dafür haben sie mir aber freundlicherweise ein „Casino
    Umarex“-Kartenspiel (wohl eine Anspielung auf den neuen James-Bond-Film „Casino Royale“) mit Bildern
    aktueller UMAREX-Modelle und ein Paar Bonbons beigelegt. Eine sehr nette Geste wie ich finde!

    Der Preis der Plastikversion lag bei 95€. Unnötig zu sagen, daß es beide Versionen verschiedenenorts
    auch zu deutlich höheren Preisen gab.


    2. Der erste Eindruck:

    Nun, bei mir ist es ja schon eher der Zweite, da es sozusagen eine Wiederanschaffung war.
    Der erste Eindruck der Holzversion ist jedenfalls erheblich besser als der der Plastikversion. Der
    Plastikschaft war damals überwiegend in mausgrau gehalten, später tauchten auf dem deutschen Markt
    dann aber mehr und mehr die Versionen mit dem ebenfalls erhältlichen schwarzen Kunststoffschaft auf.
    Trotzdem blieb er immer, was er war - ein einfacher, leichter, billiger Plastikschaft. Das hat seiner
    Griffigkeit allerdings keinen Abbruch getan, denn für die unterstützende Hand war ebenso wie für die
    Schußhand links und rechts je eine Riffelung in Form einer Fischhaut angebracht. Dem Holzschaft fehlen
    diese Riffelungen vollständig, dafür wirkt die Waffe mit ihm aber deutlich erwachsener und etwas weniger
    wie ein Kinderspielzeug. Dafür ist er aus Gründen der Stabilität auch ein wenig dicker ausgefallen als der
    Plastikschaft, was der Griffigkeit wiederum nur zugute kommt.

    Plastik ist anderswo allerdings noch genügend verbaut: Der Systemkasten mitsamt Abzugsbügel und
    Abzug besteht vollständig aus Kunststoff, und auch von vorne betrachtet sieht man, daß der sichtbare Lauf
    nur ein dünnes Blechröhrchen ist, in dem der eigentliche, dünne Lauf wiederum mit einem Plastikteilchen
    zentriert wird. Man darf halt nicht vergessen, daß dieses Gewehr aus den Vereinigten Staaten kommt, wo
    Waffen wie diese primär als Kinderspielzeug konzipiert werden. Trotzdem macht die gesamte Waffe einen
    sehr guten optischen Eindruck, da sie sich an den Stil einer traditionellen Jagdwaffe anlehnt. Dies
    unterstützt auch das nach unten aus dem Schaft herauslugende Magazin, das den Fun-Faktor ganz
    eindeutig noch einmal erhöht.

    Als Zubehör gibt Crosman/UMAREX 5 CO2-Kapseln, zwei Trommelmagazine sowie eine Schachtel
    geriffelter UMAREX-Diabolos dazu.

    Ein wenig befremdlich wirkt auch der als Kindersicherung gedachte sogenannte "crossblock“, eine Art
    einfaches Abzugsschloß, in dem drei Plastiklaschen die beiden Schloßteile zusammenhalten. Ein
    ebenfalls aus Kunststoff bestehender Schlüssel soll diese zur Seite drücken und die beiden Teile trennen.
    So weit die Theorie. In der Praxis tüftelt man eine ganze Weile, bis man das Schloß offen hat, da der
    Kunststoff sehr weich ist und man ständig die Befürchtung hegt, das Teil gleich abzubrechen. Eine
    eigentlich gute Idee, aber ein wenig massiver wäre noch schöner gewesen.


    3. Die Technik:

    Die Waffe verwendet CO2-Gas als Treibmittel. Dieses wird mit den bekannten 12 Gramm Kartuschen
    geladen. Die Kartusche wird in einem unter dem Lauf liegenden Rohr untergebracht. Das Endstück des
    Rohres kann abgeschraubt werden, dann läßt man die Kartusche hineinrutschen. Ich hatte seit jeher die
    Befürchtung, hier einmal einen Effekt wie bei einem Mörser zu erhalten: Die Kartusche rutscht mit
    Schwung hinein, wird beim Aufschlag vom Ventil angestochen und pfeift mit Karacho wieder heraus. Das
    Szenario ist aber tatsächlich noch niemals eingetreten, der Dichtring vor dem Dorn verhindert dies
    zuverlässig. Nachdem die Kartusche im Rohr ist wird sie mittels der Rändelschraube gegen den Ventildorn
    gepreßt und angestochen. Diese Rändelschraube war bei den ersten Modellen noch schmal und sehr fein
    gerändelt, so daß sie etwas schlecht zu greifen war. Die letzten Modelle haben hier nun eine breite, grob
    geriffelte Grifffläche.

    Als Geschosse dienen Diabolos im Kaliber 4,5mm. Diese werden etwas sehr fummelig in einem
    12-schüssigen Trommelmagazin untergebracht, welches sich wiederum im großen Dummy-Magazin
    befindet. Geladen werden kann das große Magazin fast wie ein echtes von unten in den Schaft- wie
    gesagt, das Gewehr ist eindeutig auf Fun ausgelegt. Den Lauf kann man am hinteren Ende an zwei
    Laschen entriegeln und etwa einen Zentimeter nach vorne schieben. Diabolos, die eventuell nur mit der
    vorderen Hälfte im Lauf und mit dem Hinterteil noch in der Trommel stecken und so die die Herausnahme
    des Magazins verhindern würden, können damit ganz aus der Trommel gezogen werden. Passieren kann
    dies aber nur bei vollständigem Leerschießen der CO2-Kapsel, wenn kaum noch Kraft auf das Geschoß
    wirkt. Außerdem können so im Lauf steckende Diabolos ohne Beschädigung des Systems nach hinten
    herausgedrückt werden.

    Nachdem Geschosse und Treibladung in der Waffe sind kann man jetzt endlich loslegen. Endlich deshalb,
    weil die Zeit doch nicht gerade kurz ist die man benötigt, die Kartusche zu laden und danach 12 Diabolos
    in die Trommel zu popeln. Für einen Anfänger eine störende Sache, daher meine anfänglichen Vorbehalte.
    Aber dafür geht’s jetzt so richtig los. Der Abzug ist eventuell noch durch eine Schiebesicherung blockiert;
    Diese sperrt einzig und alleine den Abzugsweg, die restliche Mechanik bleibt davon gänzlich unberührt.
    Hat man entsichert, kann man die 12 Schuß des Magazins so schnell aus dem Lauf jagen, wie man den
    Finger krumm machen kann. Das Gewehr ist ein Halbautomat, das heißt ein Nachladen nach den
    einzelnen Schüssen ist nicht notwendig.


    4. Das Handling:

    Im Anschlag ist das Gewehr sehr führig. Weder Kopf- noch Hecklastig liegt es überraschend gut in der
    Hand, auch wenn es doch nur ein rechtes Fliegengewicht ist. Der Abzug hingegen ist äußerst
    gewöhnungsbedürftig. Er dreht sich nicht um eine Achse wie die meißten anderen Abzüge, sondern er
    wird auf einer Schiene geradlinig nach hinten verschoben. Das ist zunächst noch irritierend, stört aber an
    sich nicht besonders. Störender ist da schon der - na, nennen wir ihn mal Druckpunkt. Da alles aus Plastik
    ist darf man hier nicht einen knackig klaren Punkt erwarten, der, sobald er leicht überschritten wurde, den
    Schuß freigibt. Es ist vielmehr ein durchaus sehr harter Widerstand, nach dessen Überwindung man
    subjektiv noch den einen oder anderen Millimeter zur Auslösung braucht. Aber rufen wir uns ins
    Gedächtnis: Das Gewehr ist fürs Fun-Schießen, nicht fürs Match.

    Der Schuß selbst geht wie von einem CO2-Gewehr nicht anders zu erwarten ruhig und ohne Rucken der
    Waffe raus. Wie auch sonst, schließlich bewegt sich keine federbelastete Masse in einem Zylinder,
    sondern nur ein kleiner Hahn, der auf das Ventil schlägt und es dadurch öffnet. Das Gewehr bleibt ruhig im
    Ziel, bereit zum nächsten Schuß. Die idealen Voraussetzungen für schnelle Schußfolgen.

    Das Zielen erfolgt über eine sehr puritanische und Crosman-typische Kimme-und-Korn Visierung. Hierbei
    hat sich über die Jahre hinweg allerdings etwas getan. Während mein erstes Modell noch ein einfaches,
    massives Kunststoffkorn hatte tragen die letzten Modelle jetzt ein sogenanntes Leuchtkorn. Das ist nichts
    Anderes als ein dünner Plexiglas-Rundstab, der in Schußrichtung liegend in einer Halterung eingebracht
    ist. Man blickt somit auf die Schnittfläche des Stabes, und wie das bei Glas und auch bei Plexiglas nun mal
    so ist, tritt hier das Licht aus, welches über die Länge des Plexiglasstabes hinweg eingestrahlt wurde. Die
    Schnittkante „leuchtet“. Zumindest ein wenig. Dazu muß der Schütze aber zwingend im Licht stehen, was
    man ja eigentlich gerne vermeidet. Trotzdem ein sehr witziges Gimmick, und hätte man bei der
    Gelegenheit auch gleich das Korn überarbeitet wäre es sicherlich toll geworden. Das ist nämlich noch
    immer das einfach Blechding, das nur über das Lösen von zwei großen Schrauben verschoben werden
    kann. Über die grobe Rasterung des Schiebers, der die Höhe einstellt, wollen wir mal besser schweigen.
    Das Einfachste vom Einfachen und sicherlich nichts für genaues Schießen. Dafür hat das 1077 aber eine
    11mm Prismenschiene, auf die ein ZF oder RedDot geschraubt werden kann. Aber bitte mit Vorsicht, denn
    wie der ganze Systemkasten ist auch die Schiene nur aus Plastik.

    Überhaupt ist das System nicht dazu geeignet, in seinem Inneren Reparaturen durchzuführen oder es
    einfach nur mal aufzuschrauben um zu sehen, wie das Ganze denn nun eigentlich funktioniert. Es gibt
    mindestens ein federbelastetes Blech, welches irgendwie in den Weg des Hahnes greift, das mit größter
    Wahrscheinlichkeit nicht den Weg zurück ins Gehäuse finden wird. Falls man es doch geschafft hat, hat
    man danach mindestens ein Dutzend graue Haare mehr und absolut keine Lust mehr aufs
    Auseinanderschrauben derartiger Sachen. Ohne das Teil funktioniert es aber ebenso.
    (Eigene Erfahrung...)


    5. Leistung und Trefferbild:

    Das Trommelmagazin kann mit einer Vielzahl von Diabolosorten gefüttert werden, so diese eine Länge
    von 7,1 mm nicht überschreiten. Probleme gibt es allerdings, wenn die Diabolos im Durchmesser etwas
    untermaßig sind und das Trommelmagazin schon länger in Gebrauch war. Dann können sich die zu locker
    sitzenden Diabolos beim Schuß aus der Trommel „herausschütteln“, mit dem Ergebnis, daß die Trommel
    blockiert. Das tut zum Einen der Mechanik garnicht gut, außerdem gibt es einen Leerschuß. Besonders im
    Gedächtnis geblieben sind mir hierbei die GAMO-Match bzw. die PERFECTA-Diabolos. Diese
    grottenschlecht verarbeiteten Geschosse waren ein Garant für ständige Ladehemmungen. Wieder einmal
    muß ich an dieser Stelle einen Stab brechen für die Diabolos der Frankonia Hausmarke (Original von
    H&N). Mit diesen günstig angebotenen, sehr sauber verarbeiteten Geschossen funktioniert die Mechanik
    der Waffe problemlos.

    Die ersten Magazine, die mit dieser Waffe abgeschossen wurden, zeigten danach einen deutlichen Ölfilm,
    der wohl von der Grundkonservierung der Waffe herrührt. Auch war noch eine Wartungskapsel in der
    Waffe, mit der offensichtlich die Testschüsse im Werk abgegeben werden. Auch waren die ersten Serien
    in Sachen Kraft durchweg noch sehr niedrig angesiedelt. Mehr als einen Maximalwert von 5,5 Joule habe
    ich aber auch in den späteren Serien nicht zustande gebracht.

    Hier habe ich die Trefferbilder der jeweils ersten drei Schuß eines jeden angefangenen Magazins
    gesammelt; die Schüsse wurden langsam und mit ausreichenden Pausen abgegeben, um eine mögliche
    Vereisung in der Kartusche zu verhindern. Man kann deutlich das Absacken erkennen; jedes neue
    Magazin hat einen tieferen Trefferpunkt:

    Als Weiteres eine sehr schnelle Schußfolge aller maximal möglichen 12 Schuß am Stück, abgegeben aus
    dem zweiten Magazin einer neuen Serie. Man sieht sehr deutlich die stark fallende Trefferlage:


    6. Zusammenfassung und Nachruf:

    Das Crosman 1077, egal ob in Kunststoff oder in Holz, ist (bzw. war) ein Luftgewehr, das schlichtweg
    Spaß gemacht hat beim Schießen. Seine halbautomatische Funktion machte es zu einem Fun-Gewehr
    und idealen Einsteigergewehr, das Appetit auf mehr weckte. Das Äußere war alles Andere als ein
    langweiliges Allerweltsprodukt wie die Knicker, die es sonst so gab, und der niedrige Einstiegspreis
    ermutigte sicherlich viele zum Kauf. Ob nun Action-Schießen auf Fallziele (Entenkasten) oder einfach nur
    auf Coladosen, das konnte man mit diesem Gewehr problemlos machen. Daß es noch immer einen
    Käuferkreis gibt, der sich kurz vor Schluß eines dieser Gewehre sichern will, belegen die aktuellen
    Auktionen auf egun, bei denen für gebrauchte Crosman 1077er sogar schon Beträge deutlich über dem
    ehemaligen Ladenpreis geboten werden. Leider ist es zum Scheibenschießen aufgrund der wandernden
    Trefferlage weniger gut geeignet.

    Die neue Zeit bringt einen neuen Geschmack, die Waffen wirken immer martialischer, hin zum gerade so
    modernen Sniper- und Sturmgewehr-look, und so war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis dieses
    eher traditionell in seiner Form anmutende Gewehr vom Markt verschwinden mußte. Die Zielgruppe der
    jungen Freizeitschützen orientiert sich heute nun einmal an anderen Idealen, und so geht
    unverdientermaßen ein gutes Gewehr vom Platz. Seine Nachfolger übertreffen es zwar durch die großen
    80 Gramm CO2-Kartuschen in Ausdauer ebenso wie in der Magazinkapazität, aber dafür auch ganz
    beträchtlich im Preis, der für die Neuen oft mehr als doppelt so hoch angesetzt wurde als der des 1077,
    was einem Einsteiger und seiner Geldbörse sichtlich viel abverlangt.
    Schade eigentlich!


    Gruß
    Heiko

    :vierk:


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