Langwaffe: Vergleich ERMA EG294, ERMA EGG1, Reck Lever-Action

  • Heute vergleiche ich mal die drei klassischen in Deutschland von der PTB zugelassenen Schreckschuß-Langwaffen und zwar das EG294 und das EGG1 von ERMA und das Lever-Action von Reck (nachfolgend im Text RLA genannt). Neben diesen drei Kanidaten gab es noch zwei weitere SSW-Langwaffen in Deutschland (Reck Wildcat Gepard und ME Marshall 1887), welche aber eher überlange Revolver sind und deshalb bei diesem Test vernachlässigt wurden. Hier die drei Kanidaten des heutigen Vergleichs:

    Wie man sieht, orientieren sich alle drei Kanidaten mehr oder weniger an klassischen Vorbildern. Beim RLA und EG294 stand der Winchester 94 Unterhebel-Repetierer (UHR) und beim EGG1 der US Carabine M1 Pate. Weitere Gemeinsamkeit ist, dass es alle drei Gewehre vom jeweiligen Hersteller auch in einer scharfen Version im Kaliber 4mmR bzw. .22LfB gab. Mit keiner der Waffen ist die Nutzung von pyrotechnischer Munition möglich. Deshalb eignen sie sich nur zum Schreckschuß- und Salutschiessen. Damit enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten und somit schauen wir uns jedes Gewehr einmal genauer an.

    1. Reck Lever-Action

    System: Unterhebel-Repetierer (manuell)
    Kaliber: .22lg
    Kapazität: 18 Schuß (Röhrenmagazin unterm Lauf)
    Länge: 935mm
    Höhe: 120mm
    Breite: 39mm
    Gewicht (ungeladen): 2,75kg
    Ausschuß: vorne durch den Lauf
    Abzug: SAO
    Abzuggewicht: 2000g
    Sicherung: keine
    Zulassung: PTB 256
    Beschuß der Testwaffe: 1990 in Köln

    Das Gewehr wird durch eine Ladeöffnung direkt unten vor dem Vorderschaft geladen. Hierzu muss das eigentliche Röhrenmagazin etwas aus der Waffe gezogen werden, damit die Ladeöffnung freigegeben wird. Hier ein Bild der Öffnung:

    Das Laden geht schnell und unkompliziert trotz der viel zu großen Öffnung, welche ursprünglich für .22LfB gemacht wurde. Nach dem Laden wird das eigentliche Röhrenmagazin einfach wieder in die Waffe gesteckt und arretiert und damit ist der Ladevorgang abgeschlossen und die Waffe ist unterladen. Vor dem Schiessen muß noch durch den Unterhebel eine Platzpatrone in das Kartuschenlager befördert werden. Gleichzeitig wird mit der Repetierbewegung auch der Hahn gespannt und eine eventuell noch vorhandene leere Kartusche aus dem Kartuschenlager herausbefördert. Hier ein Bild des Vorganges:

    Die leeren Kartuschen werden nach oben ausgeworfen. Leider wurde für die RLA eine nicht großartig abgeänderte Patronenführung der .22LfB-Variante verwendet. Diese Führung funktioniert nicht mit den heutigen spitz zugefalteten Platzpatronen und selbst mit den alten rundgefalteten ist die Funktion sehr unzuverlässig. Bei der Testwaffe war der Testbeschuß nur durch manuelles Einführen jeder einzelnen Patrone in das Kartuschenlager möglich! Insgesamt wurden deshalb auch nur ein paar Schuß abgegeben, bevor die Waffe wieder gründlich gereinigt wurde. Hierbei spielte Sie ihre Stärke aus, da der Lauf komplett durchgehend in Kalibergröße ohne Sperre ist und damit ein Durchwischen mit dem normalen Luftgewehr-Reinigungssatz möglich ist. Warum das damals von der PTB so zugelassen wurde, kann ich nicht nachvollziehen; zumal .22LfB Patronen ins Magazin passen und die Mechanik für diese Patronen ausgelegt ist! Definitiv sind Sollbruchstellen eingebaut und Idioten, die hier auf falsche Gedanken kommen, werden bei dem Versuch mit Sicherheit dafür mit gesundheitlichen Einschränkungen zahlen.......
    Beim RLA ist alles aus Metall und die Schäfte aus Echtholz. Kunststoff scheint nirgens verbaut zu sein. Allerdings sind viele Teile aus Spritzguß und weder die Spaltmaße, noch der Repetiervorgang kann überzeugen.

    Positiv:
    - Ausschuß vorne durch den Lauf
    - Leichter zu reinigen, als die anderen Modelle
    - Solide, schwere Waffe aus Metall und Holz
    Negativ:
    - Lademechanik funktioniert nicht mit der heutigen Munition und ist sehr anfällig
    - Oberflächenfinish und Spaltmaße schlecht
    - Konstruktion „verführt“ Bastler

    2. ERMA EG294

    System: Unterhebel-Repetierer (manuell)
    Kaliber: .22lg
    Kapazität: 25 Schuß (Röhrenmagazin unterm Lauf)
    Länge: 930mm
    Höhe: 130mm
    Breite: 36mm
    Gewicht (ungeladen): 2,4kg
    Ausschuß: oben
    Abzug: SAO
    Abzuggewicht: 1400g
    Sicherung: keine
    Zulassung: PTB 230
    Beschuß der Testwaffe: 1980 in München

    Beim EG294 funktioniert der Ladevorgang wie bereits beim RLA beschrieben. Allerdings werden die leeren Hülsen zur rechten Seite ausgeworfen, da das EG294 oben am Systemkasten eine 11mm-Prismenschiene hat. Diese macht zwar nicht wirklich Sinn bei einer Schreckschußwaffe, ist aber deshalb integriert, da das EG294 viele Gleichteile mit seinen scharfen Schwestermodellen hat.

    Einer der Nachteile des EG294 ist, dass der Ausschuß nach oben zum Einen unschön aussieht und zum Anderen die Waffe erheblich schwieriger zu reinigen ist. Das ist speziell bei .22lg ein großer Nachteil, da es die Platzpatronen nur mit Schwarzpulverladung gibt. Hier die Ausschußöffnung:

    Wie man sieht, ist die Testwaffe bereits häufig gebraucht worden und deshalb hatte ich keine Hemmungen, sie auch einmal ordentlich ranzunehmen und habe 50 Testschüsse in schneller Folge „durchgejagt“.
    Der Repetiervorgang funktioniert perfekt, egal wie langsam oder schnell man ihn durchführt. Deshalb machte es unheimlich Spaß, die Waffe zu schiessen. Hier ein Bild der geöffneten Mechanik beim Repetiervorgang:

    Wie man sieht, unterscheidet sich das System geringfügig von dem des RLA. Wie bei ERMA üblich, wurde trotz Verwendung von Gleichteilen mit den scharfen Schwestermodellen auf Perfektion Wert gelegt. Deshalb ist auch die Ladeöffnung speziell für die .22lg-Patronen gemacht:

    Auch beim EG294 ist keinerlei Kunststoff verbaut. Alles ist aus hochwertigen Metall und die Schäftung ist aus Echtholz. Die Spaltmasse sind ERMA-typisch perfekt und die Waffe besitzt im Gegensatz zur RLA eine Schaftkappe.

    Positiv:
    - Perfekte Lademechanik
    - Perfektes Oberflächenfinish und Spaltmaße
    - Solide, schwere Waffe aus Metall und Holz
    - Große Magazin-Kapazität
    Negativ:
    - Ausschuß oben und damit schlecht zu reinigen

    3. ERMA EGG1

    System: halbautomatischer Selbstlader mit Masseverschluß
    Kaliber: 8mmK
    Kapazität: 4 Schuß bzw. 8 Schuß (es gibt 3- und 7-Schußmagazine)
    Länge: 897mm
    Höhe: 128mm
    Breite: 62mm (wegen des vorstehenden Spannhebels)
    Gewicht (ungeladen): 2,55kg
    Ausschuß: vorne
    Abzug: DAO
    Abzuggewicht: 1400g
    Sicherung: auf das Schlagstück wirkend
    Zulassung: PTB 529
    Beschuß der Testwaffe: 1990 in München
    (die Daten beziehen sich auf ein EGG1 mit Standard-Schäftung und weichen etwas ab, wenn ein anderer Schaft verbaut ist)

    Das EGG1 ist das einzige Gewehr in diesem Vergleich, dass ein Halbautomat ist und über Wechselmagazine und eine Sicherung verfügt. Allerdings kann die Sicherung nur bei gespannten Schlagstück eingelegt werden und leider nicht bei entspannter Waffe. Dank der fast baugleichen scharfen Schwestermodelle läßt sich die Waffe innerhalb wenige Minuten in andere ERMA-Orginalschäfte umschäften, womit man noch die Optik stark ändern kann (siehe hierzu auch meinen Bericht: ERMA EGG1 Umbauten:(

    Zum Schiessen wird das jeweilige Magazin normal mit Platzpatronen geladen und dann von unten in die Waffe eingeführt. Danach muss der rechtsseitige Spannhebel einmal gezogen werden und schon ist die Waffe schußbereit. Nach dem letzten Schuß bleibt der Verschluß am Magazin hängen, da es leider keinen Verschluß-Fanghebel gibt:

    Damit der Masseverschluß zuverlässig durch den Gasdruck repetiert, wurde der Lauf völlig verbaut, was das Säubern nach Benutzung sehr erschwert. Glücklicherweise funktioniert ein gepflegtes EGG1 aber einwandfrei mit den aktuellen 8mmK-Platzpatronen, die ja im Gegensatz zu früher erheblich weniger Gasdruck aufbauen und auch größere Mengen Munition werden in kurzer Zeit einwandfrei „verdaut“. Auch das EGG1 ist ERMA-typisch perfekt verarbeitet und hat keinerlei Kunsttoffteile verbaut, wenn man mal vom Patronenschieber in den Magazinen absieht, der im Gegensatz zur scharfen .22LfB-Version komischerweise aus Kunststoff gefertigt ist.

    Positiv:
    - Ausschuß vorne
    - Perfektes Oberflächenfinish und Spaltmaße
    - Exakt arbeitener Halbautomat
    - Solide, schwere Waffe aus Metall und Holz
    - Einfache Optikveränderungen durch Umschäftung
    Negativ:
    - Kein Verschlußfanghebel
    - Keine Magazine mit großer Kapazität
    - Schlecht zu reinigen, da Lauf völlig verbaut ist


    Fazit:
    Perfekt ist keiner der Kanidaten. Alle Waffen haben Vor- und Nachteile. Wenn Ihr eine SSW-Langwaffe sucht und Euch keiner der vorgestellten Kanidaten zusagt, solltet Ihr Euch auch mal auf dem Sektor der Salutumbauten von scharfen Waffen umsehen. Preislich bewegen sich alle drei Kanidaten nämlich bereits auf dem Niveau von guten Altumbauten im Salutumfeld.

    Diesen kleinen Test habe ich nach besten Wissen und Gewissen geschrieben. Falls Ihr einen Fehler entdeckt oder weitere Informationen zu einzelnen Punkten habt, dann meldet Euch per PN. Falls Ihr eine der ERMA’s bereits besitzt, dann sendet mir bitte dessen Daten für die ERMA-Datenbank (siehe: Erfassung ERMA Bauzahlen & SN-Bereiche).