Pistole 8mm: Umarex Napoleon

  • Testbericht Umarex Napoleon

    „Das ist mal wieder ein Testbericht den niemand braucht“, wird sich jetzt so mancher denken, und: „die Napoleon wird seit einer Ewigkeit nicht mehr hergestellt, und jeder weiß das sie nicht taugt“!
    Aber vielleicht sollte man sich nicht immer nur die „Highlights“ ansehen, außerdem gibt es ja möglicherweise auch an der Napoleon noch ein paar unentdeckte Stärken!

    Die Umarex „Napoleon“ wurde grob geschätzt seit Anfang der 80er Jahre in Deutschland verkauft. Sie wurde in Italien von der Firma „Bruni“ hergestellt und in Deutschland von Umarex vertrieben. Sie basiert ebenso wie die „ME General“ auf dem alten Bruni „Modell BF15“, das es noch heute in leicht veränderter Form in vielen europäischen Ländern zu kaufen gibt, in der Produktion aber mittlerweile von dem moderneren und technisch aufwändigerem „Modell 96“ abgelöst wurde.

    Die „Napoleon“ war einmal ein richtiger „Verkaufsschlager“ was wohl vor allem an ihrer Größe, dem enormen Gewicht und dem günstigen Preis lag, die etwas „geschönten“ Abbildungen in diversen Kaufhaus- Katalogen, die die simple Technik und die Verarbeitungsmerkmale recht gut verschleierten, mögen das Ihre zum Verkaufserfolg beigetragen haben.

    Das äußere Erscheinungsbild der „Napoleon“ orientiert sich am sattsam bekannten 1911er Colt, ohne sich dabei in den Details um besondere Genauigkeit zu bemühen, Größe und Gewicht der Waffe stimmen ebenfalls so „in etwa“. Die Umarex Modelle wurden meines Wissens nach nur in brünierter Oberfläche und mit Holzgriffschalen auf den Markt gebracht, von Bruni gab es aber auch verchromte „BF 15“- Modelle.

    Technische Daten:

    In den 80er Jahren musste man für eine „Napoleon“ je nach Anbieter zwischen 120 und 140 DM anlegen, 1987 lag der offizielle Verkaufspreis von Umarex noch bei 139 DM. Anfang der 90er Jahre wurde die Napoleon schließlich durch die wachsende Qualität der Konkurrenzprodukte, bzw. durch das steigende Qualitätsbewusstsein der Kunden langsam vom Markt verdrängt, schon 1990 senkte Umarex den Verkaufspreis auf 109 DM. Die letzten deutschen Modelle wurden schließlich von einigen Händlern für unter 90 DM verschleudert. Im Vergleich dazu sind die zur Zeit angebotenen Auslaufmodelle der „BF 15“ in England mit 70 bis 80 Pfund gradezu unverschämt teuer!

    Durch ihre weite Verbreitung ist die „Napoleon“ auf dem Gebrauchtmarkt recht häufig vertreten, trotzdem ist es meist nicht einfach ein wirklich gut erhaltenes Modell zu bekommen, allerdings ist mittelmäßige Ware schon erstaunlich günstig zu haben. Natürlich gibt es auch einige „schwarze Schafe“ die ihre „Napoleonen“ als vermeintlich rare Sammlerstücke für 50, oder 70 Euro anbieten, also Vorsicht -die Napoleon ist nicht selten, und selbst in Fabrikneuem Zustand kaum 70 Euro wert!

    Zur Zeit besitze ich zwei Exemplare der Napoleon, eine gut erhaltene im Orginalzustand aus dem Jahr 1992 und eine aus dem Baujahr 1991, die ich letztes Jahr in stark gebrauchtem Zustand für 16 Euro ergattern konnte und die ich technisch sowie optisch aufgearbeitet habe.

    Vergleich: „Umarex Napoleon“ – „Umarex Colt Government“

    Die Technik:
    Die Technik der „Napoleon“ gestaltet sich denkbar simpel, es gibt einen SA- Abzug mit außen liegendem Hahn und und einen Schlittenfanghebel auf der linken Waffenseite, der den Schlitten nur dann hinten hält, wenn man ihn von Hand einrastet.

    Es gibt keine Entspannvorrichtung, keine Sicherung, ja nicht einmal eine Sicherungsraste a´la 45er Colt. Der Sicherungshebel und Magazinhalteknopf auf der linken Waffenseite sind unbewegliche Attrappen ohne Funktion.
    Das Magazin wird von einer ziemlich massiv ausgeführten Halterung an der Unterseite des Griffstücks gehalten, die sich zur Entriegelung nach hinten wegziehen lässt. Das Magazin an sich ist das „Highlight“ der Waffe, es besteht ganz aus Stahl, ist punktgeschweißt und unglaublich massiv ausgeführt – es wiegt leer 120g ( zum Vergleich das 9mm Magazin einer „Umarex – Colt Government“ wiegt nur ca. 50g)!

    Der Schlitten der „Napoleon“ ist mit zwei 2mm durchmessenden Spannhülsen mit dem Gleitstück verbunden. Zum Zerlegen der Waffe müssen diese Spannhülsen aus dem Schlitten herausgetrieben werden, dies lässt sich am einfachsten mit einem im Durchmesser etwas kleineren Durchschlag (ca. 1,8mm Durchmesser) bewerkstelligen. Hierbei ist zum Einen darauf zu achten, das die Waffe gut fixiert wird, z.B. in einem Schraubstock mit Kunststoff- Schutzbacken, da die Spannhülsen, zumindest bei Waffen, die noch nicht allzu häufig zerlegt wurden, doch recht stramm sitzen, und ein Abrutschen des Durchschlags zwangsläufig böse Kratzer hinterlässt! Zum Anderen sollte man dafür Sorge tragen, das das Gleitstück, das nach dem Austreiben der Spannhülsen, durch die Spannung der Schließfeder aus dem Schlitten gedrückt wird, nicht auf den Boden fällt und verloren geht. - am Besten lässt man den Durchschlag, nachdem man die Zweite Spannhülse ausgetrieben hat im Schlitten stecken, hält das Gleitstück mit einer Hand fest, und zieht erst dann den Duchschlag heraus. Ist das Gleitstück entfernt, lässt sich der Schlitten einfach nach hinten vom Griffstück abziehen.

    Das gesamte Abzugssystem befindet sich in einer Art Systemkasten, der von hinten in das Griffstück eingelassen, und mit zwei Stiften befestigt ist. Die Stifte sind zum festeren Sitz im Griffstück „gerändelt“, also nicht dazu gedacht wieder ausgebaut zu werden, trotzdem kommt der Besitzer einer „Napoleon“, der diese Waffe auch häufiger benutzt, nicht darum herum diesen Systemkasten von Zeit zu Zeit einmal zu öffnen, denn das Abzugssystem ist der größte Schwachpunkt der Waffe! Ist der Systemkasten geöffnet sieht man im oberen Bereich den Hahn und darunter zwei federbelastete Klinken. Wird der Hahn gespannt, so rastet er an der oberen Klinke ein, wird der Abzug gedrückt schiebt sich eine U- förmige Gabel rechts und links am Magazin vorbei und dreht die untere Klinke um ihre Achse vor die obere, bis diese den Hahn freigibt. Leider bestehen die beiden Klinken aus einem sehr weichen Zink- Druckguss und nutzen sich recht schnell ab. Ist dies geschehen kann es passieren das der Hahn sich von selbst aus der gespannten Stellung löst und ungewollt eine Patrone zündet, im Endstadium rastet der Hahn beim Spannen erst gar nicht mehr ein. Beseitigen kann man das Problem auch ohne Ersatzteile, indem man die durch die Benutzung abgerundeten Rastkanten der Klinken mit einer kleinen Feile wieder scharfkantig feilt. Dies ist natürlich nicht beliebig oft möglich, irgendwann hat man soviel Material abgetragen, das die Rasten überhaupt nicht mehr greifen!

    Der Zweite Schwachpunkt ist der Hahn selber, er ist ebenfalls aus einem sehr weichen Gußmaterial, nach einiger Benutzung „gräbt“ sich der Schlagbolzen in den Hahn hinein. Der kann in diesem Fall nicht mehr genug Schlagkraft auf den Schlagbolzen übertragen, und es kommt dadurch häufig vor, das die Patrone nicht gezündet wird. Kurzfristige Abhilfe schafft hier das Glattfeilen der Schlagfläche des Hahns.

    Ein weiterer Schwachpunkt ist die Schlagfeder des Hahns, bei ihr handelt es sich nicht um eine durch das Griffstück gehende Schraubenfeder, wie z.B. bei einer Walther PPK, sondern um eine quer auf der Hahnachse sitzende Feder etwa wie bei einer Wäscheklammer! Dieses System wird auch bei dem „Umarex Colt 1911“, sowie bei der „Reck Miami“, oder der „Walther P88“ angewandt, nur scheint die Feder der „Napoleon“ nicht grade von bester Qualität zu sein, sie erlahmt relativ schnell! Ist dies geschehen zeigen sich wiederum Zündschwierigkeiten, eine Reparatur ist hier allerdings nur durch Austausch der Feder möglich.

    Die Verarbeitung

    Die „Napoleon“ ist im Wahrsten Sinne des Wortes eine ganzmetall- Waffe, abgesehen von den Holzgriffschalen findet man ausschließlich Zink- Druckguß, das Magazin, die Verbindungselemente und Federn sind aus Stahl, Kunststoff ist nirgendwo zu finden. Die Oberflächen der „Napoleon“ wurden größtenteils im Gußzustand belassen, nur die Grate hat man gründlich abgeschliffen, die Schleifspuren sind am Griffstück noch gut zu sehen, Gratreste, oder Teilungsspuren lassen sich eigentlich nur noch hinter der Kimme, im Mündungsbereich und am Hahn feststellen.
    Die Gesamte Oberfläche ist übersät mit Poren und Fließfiguren, die glänzend schwarze, recht haltbare Brünierung überdeckt die Meisten Fehler gnädig, entfernt man die Brünierung jedoch, so wie ich es bei meiner zweiten „Napoleon“ tat, erblickt man eine Mondlandschaft in Miniaturausführung! Diese Oberflächenfehler gehen zum Großen Teil so tief in das Material, daß es fast unmöglich ist sie weg zu Polieren. So hab ich mich bei diesem Projekt auch entschieden auf eine Politur der gesamten Waffe zu verzichten, und hab nur den Schlitten bearbeitet, aber selbst dort war der Erfolg nicht grade umwerfend!
    Das Gleitstück an der Vorderseite der Waffe besteht ebenfalls aus Druckguß und ist etwas matter brüniert, als der Rest der „Napoleon“. Außerdem ist es recht scharfkantig und ziemlich schlecht an den Schlitten und das Griffstück angepasst.

    Der Schlitten hat bei meiner 92er „Napoleon“ relativ viel Spiel und klappert vernehmlich, wenn man die Waffe schüttelt, der Schlitten der 91er ist jedoch sehr eng eingepasst, -soviel also zum Thema „Serienstreuung“.
    Die Holzgriffschalen sind von recht einfacher Machart, dafür aber sehr gut an das Griffstück angepasst.

    Die schlimmste Freveltat lässt sich jedoch am Systemkasten der Abzugsmechanik feststellen :johnwoo: ! Irgendwann ist wohl aufgefallen, das der Systemkasten etwas zu viel Spiel im Griffstück hat. Statt nun die gesamte Oberfläche in der Formkontur etwas tiefer zu Fräsen, was der korrekte Weg gewesen wäre und mit einer CNC- Fräse auch keine große Sache ist, hat man in der Formwerkstatt einfach einen 6mm -Fräser genommen und ist ein paar mal kreuz und quer durch die Kastenoberfläche gefahren.

    Am fertigen Gußteil zeigen sich die Fräserspuren als Erhebung, die das Spiel im Griffstück zwar ausgleichen, aber nach furchtbarem Pfusch aussehen! Hier hat man, nur um drei bis vier Stunden Arbeit zu sparen, den optischen Gesamteindruck der Waffe um mindestens eine volle Note verschlechtert!
    Alles in Allem ist die Verarbeitungsqualität der „Napoleon“ nicht grade toll, aber im Segment der „Billigwaffen“ und in ihrer Größenklasse gehört sie noch eindeutig zu den besseren. Zum Vergleich: 1991 kostete eine „Napoleon“ 109 DM, eine „Reck Government“ mit Holzgriffschalen, im cal. 8mm K kostete satte 269 DM !


    Das Schießen:
    Die „Napoleon“ liegt durch die starken Holzgriffschalen sehr gut in der Hand, meiner Meinung nach sogar erheblich besser als die „Umarex 1911“ mit ihren Standard- Kunststoff Griffschalen.
    Das hohe Gewicht, das praktisch gesehen bei einer SSW eigentlich ehr ein Nachteil ist, vermittelt bei der Napoleon ein sehr angenehmes Gefühl,- kurz gesagt: Man hat richtig was in der Hand!

    Der Abzug ist ehr Durchschnitt, nachdem der Abzugsfinger einen recht kurzen Weg zurückgelegt hat, bleibt er an einem recht deutlich erkennbaren Druckpunkt hängen. Nach der Überwindung von drei bis vier kg Wiederstand (bei der 92er, oder ca. 2kg bei der „abgefeilten“ 91er) löst sich dann der Schuss.
    Die Zuverlässigkeit ist auch bei einer „Napoleon“ mit einwandfreiem Abzugssystem nicht besonders, oft bleibt die Patronenhülse quer im Auswurffenster hängen, manchmal fällt sie auch aus der Auswerferkralle, und bleibt in den Tiefen des geräumigen Schlittens liegen. Möglicherweise trägt die moderne „gedrosselte“ Munition zu dieser Unzuverlässigkeit bei, schließlich ist die „Napoleon“ von der Konstruktion her sehr alt und stammt noch aus der Zeit der „starken“ 8mm Munition. Ich hab auch schon einmal eine „Napoleon“ mit einer eingeschraubten Mündungsblende gesehen, diese reduzierte die Mündungsbohrung auf einen Durchmesser von ca. 4mm, allerdings war diese Waffe drei, oder vier Jahre älter als meine.

    Schaut man bei eingerastetem Schlitten in das Auswurffenster, so sucht man vergeblich nach einem Ausstoßer. Wird die abgefeuerte Patrone aus dem Patronenlager getrieben, so rutscht sie über die nachrückende, oberste Patrone im Magazin, und wird nur durch die Spannung der Magazinfeder ausgeworfen. Das ist natürlich eine recht unsichere Sache, und erklärt auch die Eine, oder Andere Ladehemmung. Ein angenietetes Ausstoßerblech, wie es z.B. bei der „Umarex 1911er“ eingebaut ist, könnte die Zuverlässigkeit der Napoleon vermutlich enorm steigern!
    Was die Lautstärke des Knalls und die Größe des Mündungsfeuers angeht, so darf man bei einer 8mm Waffe dieser Größe natürlich keine Wunder erwarten.

    Fazit:
    Wofür braucht man also eine Waffe wie die „Napoleon“?- Ganz klar zum Sammeln! Wer es sich zur Aufgabe gemacht hat „Government“- Kopien zu sammeln, der kommt an der „Napoleon“ trotz ihrer Macken nicht vorbei, nicht zuletzt deshalb, weil sie meines Wissens nach hierzulande die Erste SSW dieser Gattung war.
    Wer SSW des Umarex- Labels sammelt (die ja allesamt nicht von Umarex hergestellt wurden) sollte auch eine Napoleon haben, schließlich wurde diese ja praktisch Jahrzehnte lang von Umarex vertrieben.
    Für Bastler und „Verschönerer“ ist die „Napoleon“ zwar nicht ganz und gar ungeeignet, doch es gibt Waffen mit deutlich besserer Substanz zum Aufarbeiten.

    Die für die damalige Zeit recht hohe Magazinkapazität von 10 Patronen macht die „Napoleon“ auch für die Sylvesterknallerei noch interressant, vorausgesetzt, man hat ein Modell das einigermaßen zuverlässig funktioniert.
    Auch für die Selbstverteidigung ist die „Napoleon“ nicht uninterressant, allerdings nicht zum Schießen, sondern zum Schlagen, oder Werfen! :wogaga:

    ....einer wartet immer!