Walther LGV. Von der Leiche zum Untoten.

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 4.707 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (5. Juni 2018 um 22:17) ist von Nichtsnutz.

  • Hallo,

    schon geraume Zeit hätte ich gerne ein Walther Mod. 55 in der Sammlung gehabt.

    Wäre mein erstes Walther überhaupt ich war schon gespannt auf den Vergleich
    mit den zahlreichen Fabrikaten, die mir schon durch die Hände gegangen sind.

    Bevorzugt natürlich das Modell mit Laufverriegelung, sprich LGV und wenn das
    dann auch noch an einem Troler Schaft hängen würde... perfekt.

    Nun begab es sich, dass mir recht günstig ein solches Exemplar angeboten wurde.
    Es sei überholungsbedürftig. Macht mir ja nix.

    Was dann kam, war doch recht traurig und im Zuge der -ich nenne es mal so-
    Instandsetzung schwand meine Begeisterung für dieses Modell und es taten sich
    auch einige Rätsel auf, die mir unerklärlich sind.

    Ausgangszustand war eine richtige Leiche.
    Das gesamte Gewehr war extrem schmutzig. Das System stark rostnarbig, wobei
    die restliche Brünierung so schlecht gar nicht war. Der Schaft war fast frei von
    Lack, dafür dreckig wie tzau. Und jemand hatte anscheinend versucht den Lack zu
    entfernen und dabei Werkzeug verwendet, dass für Holzarbeiten so geeignet ist
    wie ein Vorschlaghammer zur Möbelpflege.
    Dabei machte der geneigte Pfuscher auch vor der zahlreich vorhandenen Schaft-
    Verschneidung keinen Halt.

    Mein erster Plan war, mir Werkzeug zu besorgen und die Verschneidung nach
    zu arbeiten und dann die Schadstellen auszuschleifen und den Schaft zu lackieren.

    Aber der Schaft hat überdies diverse 'weiche Stellen', wo die Oberfläche sich korkartig
    anfühlt und sich mit dem Daumennagel abkratzen lässt. Gerade an der rechten Seite
    der Verschneidung am Handgriff ist die größte Stelle und dort ist auch ein Stück
    des Holzes schwammartig weich. Man kann dort einen kleinen Schraubendreher
    reinstecken, wie in Styropor.

    So beschloß ich, von der richtigen Restaurierung abzusehen und vor allem den
    Schaft nicht zu lackieren, da man danach jeder der hunderte Schadstellen erkennen
    würde.

    Plan B: Reinigen, Scharten ausschleifen, die weiche Stelle ausfräsen und mit
    Knochenleim auffüllen. Den Schaft dann lediglich oelen und mit Antikwachs
    behandeln.
    (das dieses Finish so was von gründlich daneben gehen sollte, hätte ich mir nicht
    träumen lassen. Hab's schon divers oft gemacht und es wurde immer gut. Aber davon
    später mehr)

    System reinigen, Roststellen mit Stahlwolle und Ballistol abreiben und durch Auftrag
    von Gunex vor weiterem Rost schützen und technisch aufarbeiten.

    Dann ging es frisch ans Werk.

    Hier einige Vorher-Bilder:


    Selbst der Diopter befand sich im Zustand der Auflösung. Starke Korrosion.


    Und sogar...


    ...die Kolbenfeder war verrostet. :whistling:


    Beim Zerlegen fiel erfreulich auf, dass sich alles öffnen und lösen ließ.
    Bedenken hatte ich, den schweren Laufmantel runter zu bekommen, aber der
    liess sich leicht abziehen. Der Lauf darunter war sogar einigermaßen OK.

    Aufgebaut ist das Walter recht einfach, fast schon bissle primitiv. Doof, die
    Lösung den Spannhebel ungeführt zu lassen.
    Technisch also keine Probleme. Alles zerlegt und ausgebaut, gereinigt und
    für tauglich befunden. Alle Bauteile ordentlich geschmiert und danach das
    Ganze wieder zusammengebaut.
    Die Abzugseinheit sitzt etwas wackelig im System, zusammengebaut geht
    das aber ganz gut. Die Abzugssicherung ist etwas fummelig. Es ist eine
    falsche (einteilige) Feder verbaut, aber sie ist gerade und kräftig genug.
    So kam auch diese wieder an ihren Platz.

    'Zeitwertgerecht' lautete die Parole.

    Der Diopterhalter wurde geschliffen und lackiert, Der Diopter gangbar gemacht.

    Schaft war schlimmer. Schleifen bis zum Abwinken. Mitten in der Schaftbacke
    befand sich ein tiefes Loch. Bis das wieder alles eben war... uff!
    Den 'Schwamm' habe ich ausgefräst und mit Knochenleim verfüllt.

    Nachdem das Ganze wieder einigermaßen nach Schaft aussah, habe ich
    feingeschliffen und Schaftoel aufgetragen. Scherell's 'premium gold' ein
    heller, weicher, angenehmer Farbton.

    Dann ist's passiert. Warum auch immer. Der Schaft wurde fast schwarz.
    Mit unansehnlichen Flecken und seltsam hellen Abschnitten.Die Hoffnung,
    dass das mit dem Trocknen wieder besser wird, hat sich nicht erfüllt.

    Schlimme Sache.

    Hab's dann recht lustlos zusammengebaut, hatte mich innerlich schon wieder
    von dem Teil getrennt.
    Nach der ersten Schußabgabe, ließ sich der Lauf weder richtig öffnen, noch
    wieder schließen. Hab dann wieder ausgeschäftet und im Forum nachgefragt.
    Die Kollegen hier konnten mir helfen.
    Vielen Dank dafür! :thumbsup:

    Jetzt ist's beinander und alles funktioniert.
    Sieht Schei$e aus, tut aber.

    Nächstes Phänomen: Ich kann den Diopter verstellen, wie ich auch will.
    Hab' alles ausprobiert und hab' auch schon diverse Diopter eingestellt.
    Egal wie, das Teil schießt beständig tief.
    Das Ringkorn, direkt über das Schwarze gehalten ist eine Zwölf.
    Das Ringkorn um das Schwarze -wie es sich gehört- und das Dia schlägt
    direkt unter dem schwarzen Bereich ein.

    Ich mag's nimmer.

    Hier noch Bilder vom (traurigen) Ergebnis:

  • Huhu Patrick,
    schade das das Ergebnis deiner Restauration nicht besser geworden ist. Mir ist Schleierhaft was was da mit dem Schaft schief gelaufen ist. Ich lese deine Restaurationsberichte immer gerne und weiß daher mit wieviel Hingabe du dabei bist. Ich war erstaunt was du aus der alten Burgo noch rauseholt hast, die ja schon in grottigem Zustand war als du sie bekommen hast. Ich bin überzeugt das der du das Beste aus der Walther rausgeholt hast, aber manchmal gibt die Grundsubstanz einfach nicht mehr her. Ich bin sicher das das nächste Bastelobjekt schon wieder in den Startlöchern steht und auf eine Aufarbeitung wartet, wünsch dir dafür mehr Erfolg und viel Spaß dabei

  • Es tut einem in der Seele leid zu sehen, wie manche Schätzchen verkommen gelassen wurden.
    Aber ganz sicher hast du das Beste draus gemacht, Patrick.
    Was das Holz betrifft, wer weiß, womit das alles schon in Berührung gekommen ist. Manchmal bleibt wohl wirklich nur die Tonne.
    Schade um Einsatz, Mühe und Arbeit.

  • Wärste mal beim 303-8 geblieben :D

    Habsch' doch eins. Ein ganz schönes sogar. ;)

    Tja, ich kann mir das auch nur so vorstellen, dass das Schaftoel mit
    etwas reagiert, was da im Holz ist und das auch zu den Strukturveränderungen
    geführt hat, die an einigen Stellen zu erkennen sind.

    Nur an der Schaftbacke, wo das tiefe Loch war und ich viel Material
    abtragen musste, ist der Schaft hell geblieben.

    Ich muss nur schauen, dass ich die Trefferlage mit dem Diopter hinbekomme.
    Dann kann ich es guten Gewissens als optisch 5 aber technisch in Ordnung
    für kleines Geld verkaufen.

    'Unikat. Kenner wissen Bescheid.' :D

    liebe Grüsse ... Patrick

  • Moin Patrick!

    Das ist sehr schade und ärgerlich!

    Meine Vermutung ist, das der Schaft mit Moderfäule befallen ist. Hatte ich bei einem Diana 60 schon mal.

    Das Holz sieht im trockenen Zustand gut aus, aber sobald Feuchtigkeit in größeren Mengen rankommt verfärbt es sich schwarz.

    Wenn Du Glück hast, ist das nur in der Oberfläche.

    Bei meinem Diana 60 Schaft war das schon bis zum Kern durch!

  • Ich finde es sieht geil aus. Für gestocktes Holz geben manche viel Geld aus. Bei nem Luftgewehr habe ich das noch nie gesehen. Es ist wahrscheinlich nur einfach nicht das was du erwartet hast.
    Hat was gruseliges an sich von daher würde "The Canterville Ghost" besser passen als Untoter.
    Das mit dem Tiefschuss wirst du garantiert noch regeln. Das Ding fordert dich halt technisch und emotional.

    Ich genieße deine Beiträge immer sehr.
    Lieben Gruß
    Jason

    Edit.: Bezüglich der tiefen Trefferlage: Das Korn sieht so aus, als wenn es tief genug wäre, könnte es vielleicht sein, dass der Diopter leicht verbogen ist (vielleicht ist es mal auf den Diopter gefallen)? Ansonsten bleiben ja noch die üblichen Verdächtigen wie zu wenig Leistung, oder eine zu dicke Laufdichtung. Mir würde noch einfallen, dass beim Verstellbereich des Diopters etwas nicht stimmt. Vielleicht kannst du ihn gar nicht so weit verstellen wie das normal mal möglich war (Schmutz, Rost, versautes Gewinde etc.).

    Einmal editiert, zuletzt von Jason (4. Juni 2018 um 09:55)

  • Da hatte ich mit meinem 55er Tiroler etwas mehr Glück.


    Wenn das Holz soweit geschädigt ist, (Moderfäule passt zum Schadensbild), dann gibt es eigentlich nur zwei Lösungen:
    1. sich am Heizwert erfreuen
    2. Stabilisierung mit Kunstharz in der Vakuumkammer

    Für letzteres muss man nur erstmal jemanden finden, der sowas macht, ich kenne keinen!


    Stefan

  • Mir würde noch einfallen, dass beim Verstellbereich des Diopters etwas nicht stimmt. Vielleicht kannst du ihn gar nicht so weit verstellen wie das normal mal möglich war (Schmutz, Rost, versautes Gewinde etc.).

    Gute Idee!
    Wird der Walther Diopter im inneren nicht mit einer Feder beim verstellen hoch gedrückt?
    Wenn da was hakt oder die Feder schlapp ist........

  • Danke für die Tips. :thumbsup:

    Wenn ich mir die Bilder so ansehe, zum Thema Fäule, dann
    wäre bei der 'weichen Stelle' Weißfäule sehr zutreffend.

    Dieses fasrige Schadensbild trifft genau zu.

    Na gut, ist halt so. Ich kann's nimmer ändern.

    Der Schaft scheint stabil und alle Funktionen sind gegeben.

    Der Verstellbereich des Diopters ist gut und funktioniert von
    Endstellung zu Endstellung. Die seitliche- und Höhenverstellung
    ist gangbar. Hatte alles auseinander und geschmiert.

    Leistung scheint gut, muss ich noch chronen.
    Die Laufdichtung gehört noch erneuert.

    Eine Verformung des Diopters kann ich nicht ausschließen.
    zumal die Diopter-Schiene am System nicht gerade in
    bestem Zustand ist. Da kann auch mal Gewalt im Spiel
    gewesen sein. Der Diopter läuft auch nicht schön in seiner
    Führung.

    Werde mich herantasten.

    Lasse mich doch nicht von dem gruselig Buckligen ärgern. ^^

    liebe Grüsse ... Patrick

  • Lieber Patrick.

    Lasse mich doch nicht von dem gruselig Buckligen ärgern.

    Und soll das Basteln nicht gelingen, denk an Götz von Berlichingen.

    Wenn nicht, mach ein Zielfernrohr drauf. Falls Chrony zur Hand, brauche ich die

    • V0
    • Das Diabologewicht
    • Den Abstand zwischen Lauf- und Zielfernrohrmitte.

    Schießt das Ding genau so wie meine 55er, ist in Dossenheim/Lakota Trading Post an High Noon ein neuer in der Stadt! :cowboy::cowboy::cowboy:

    L.G. Udo

    Die friedlichsten Menschen,
    die mir bis jetzt begegneten,
    waren bewaffnet!