Bügelspanner Luftgewehre Zerlegung und Überholung

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 14.764 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (3. April 2018 um 23:08) ist von verodog.

  • Hallo,

    beim Gartenflintenschießen in Dossenheim ist mir zum ersten Mal so ein Bügelspanner über den
    Weg gelaufen.
    Sieht schon gewöhnungsbedürftig aus, der Prügel. Irgendwie antik, mit seiner flachen Schaftform,
    den Schnörkeln am Spannbügel und dem Achteck-Lauf.
    So richtig gefallen hat mir das Teil nicht und als sich ein Kollege damit noch böse die Pfoten klemmte,
    war diese Antiquität für mich durch.

    Bis, ja bis mich der liebe Mike im folgenden Jahr mit einem schießen lies, bei die Indianers.

    Das Teil machte richtig Spass.

    So begab es sich, dass ich mir so einen Eisenhaufen zulegte. Mike hatte ihn von einem Bekannten
    in zerlegtem Zustand bekommen und unter Zuhilfenahme zweier lieber Kollegen zusammengebaut.

    Er tat so weit. Der Spannbügel blieb jedoch im geschlossenen Zustand nicht am Platz und klappte
    nach unten. Der Abzug war Marke Eigenbau und der Schaft mit mehreren Schichten Farbe fett
    zugekleistert. Diese Lackschichten waren schadhaft und unansehnlich.

    Das verlangte nach Aufarbeitung.

    Daher sah ich mich im Internet nach Zerlegeanleitungen, Explosionszeichnungen und Teileleiferanten
    um und fand... nichts.
    Selbst in dem recht bekannten CO2air.de-Forum (kann ich nur empfehlen) war nicht all zu viel über
    Bügelspanner herauszufinden. Also startete ich in eben diesem Forum ein Thema und bat um Hilfe.

    Nach und nach sammelte ich, was mir Net und User zugetragen haben und mit dem Wissen, wagte
    ich mich schlußendlich an die Zerlegung.

    Viele dieser Bügelspanner basieren auf dem Entwurf, der als 'Original' oder 'Original Will' bekannt
    ist. Die Gewehre aus dem Hause Will, sind entsprechend gestempelt. Viele andere sehen dem zwar
    gleich, wurden aber aus zugekauften Teilen in kleinen Manufakturen oder in Heimarbeit hergestellt.
    Hier und da weichen Teile ab, aber vom Grundkonzept sind die Bügelspanner sehr ähnlich.

    Allen gemeinsam ist, dass die sehr alt sind. Um 1910. Paar Jahre hoch oder runter, spielt keine
    Rolle. Sie sind es wert, erhalten zu werden. Um Interessierten ein wenig zur Seite zu stehen,
    stelle ich nun eine kleien Anleitung hier online. auf dass viele Bügelspanner erhalten werden.

    Der Bügelspanner Typ 'Will'

    Beim Zerlegen ist die korrekte Reihenfolge zu beachten, um möglichst schonend und ohne Teile zu beschädigen
    ans Ziel zu kommen.
    Daher beginnt man am Besten vorne. Beim Lauf und somit beim kurzen 'Vorderschaft'.

    .

    Bei meinem Beispielmodell, erkennt man unten am Schaft eine Mutter, die auf einer nach aussen weisenden
    Schraube sitzt. Ein Stück weiter hinten ist das Fehlen einer Befestigung festzustellen. Hier ist nur ein Loch
    sichtbar. Zwei Schrauben wären hier die richtige Lösung.
    Vorne am Schaft, erkennt man einen Stift. Dieser ist konisch und auf dem Foto blickt man auf die schmale Seite.
    Von dieser Seite aus kann man den Stift mittels eines Durchtreibers rausklopfen.

    Der Stift hält tatsächlich als Einziges den Lauf. Entfernt man die Verriegelung bei ausgetriebenem Stift, hat man
    den Lauf in der Hand.

    Dieser seit ausgebaut so aus:


    Rechts, das Loch wo der Stift durchgesteckt wird, links der Haken, der in die Verriegelung einrastet.


    Hier das Ganze mit dem ausgebauten Stift.


    Hier sieht man den Sitz des Laufes. Im rechten Langloch, sitzt das Teil, welches durch den Stift gehalten wird.
    Links, die Verriegelung.
    Löst man nun die Schraube oben im Holz, kann man den kleinen Verriegelungshebel herausziehen.

    Damit ist der kleine hölzerne Vorderschaft frei und kann abgenommen werden. Dies kommt zum Vorschein:


    Alles sehr sauber gearbeitet, wirkt wesentlich moderner, als es die Holzverkleidung vermuten lässt.

    Jetzt ist das Gewehr vorne komplett abgarniert und recht unempfindlich. Die Laufaufnahme ist fest mit
    dem metallenen Mittelstück verbunden, hier kann nichts mehr passieren.

    Jetzt kann man beginnen, den Hinterschaft abzunehmen.

    Der Hinterschaft grenzt direkt an das Mittelstück an und ist oben und unten durch zwei Platten gehalten,
    die am Mittelstück (der eigentlichen Systemhülse) einhaken. Miteinander verschraubt halten die zwei
    Platten den Schaft an sich und gegen die Systemhülse.
    Die untere Platte nimmt auch die Abzugsmechanik auf.


    Hier die obere Platte und...


    ...hier die Untere. Deutlich erkennt man den Abzug und wo die Platten gegen die Systemhülse eingehakt sind.

    Nun müssen die beiden hinteren Schrauben entfernt werden. Diese halten alleinig den Hinterschaft am Platz.
    Sind dies Schrauben raus, nimmt man noch die vordere Schraube der unteren 'Abzugsplatte' raus und dann
    die Platte samt Abzugseinheit ab.

    Man sieht dann dieses:

    Spätestens hier erkennt man die Handarbeit, vor allem am hölzernen Schaft.

    Abnehmen kann man den schaft aber noch nicht. Dazu muss erst der Spannmechanismus gelöst werden.

    Dieser ist hier mit der Kolbenstange verbunden, im Hinterschaft mit einem Bolzen verbunden, der auch als
    Drehlager für den Spannbügel dient.

  • Dieser Bolzen ist bei meinem Gewehr nicht mehr original befestigt, tut aber klaglos
    seinen Dienst. Daher sehe ich keine Veranlassung, dieses zu ändern. Ist halt eine der
    Modifikationen, die sich im Laufe der Jahrzehnte zwangsläufig ergeben haben, um das
    Gewehr am Leben zu halten.

    Hier die linke Seite des Hinterschaftes:


    und hier, die Rechte:


    Deutlich zu erkennen, die schlechte Qualität der Lackierungen.

    Ist der Bolzen draussen, ist der Hinterschaft frei und kann abgenommen werden.
    Zum Vorschein kommt die Spannstange mit dem Drehlager und dem Spannbügel:



    Jetzt kann die obere Schraube der oberen Halteplatte entfernt werden. Ist diese raus, wird die
    Systemhülse und die Feder- / Spannmechanik nur noch durch den eingehakten oberen Deckel
    gegen den Federdruck zusammengehalten.
    Jetzt beherzt das ganze Paket zusammendrücken und den oberen Deckel abnehmen. Ein Spanner
    ist hier sehr wertvoll.

    Ist das Federpaket entspannt, kann man das Federpaket aus der Systemhülse herausziehen.


    Jetzt liegen die Innereein vor einem.


    Überraschend hier, die Form der Feder. Es ist ein Paket aus zwei Evolutfedern verbaut.


    Hier ein Foto des Zerlegten Systems:


    Einige Detailbilder:



    Untere Platte mit Abzugseinheit. Abzug ist nicht original.


    Vorderschaft


    Hinterschaft.

  • Nun folgt einfache Restaurierungsarbeit.
    Ich habe mit dem Holzanteil begonnen. (Mag ich am liebsten).


    Hinterschaft entlacken (Schweinearbeit), schleifen, Bruchkanten richten und angleichen.
    Das Ganze habe ich mit seidenmattem Lack von Edding gespritzt. Damit habe ich die
    besten Erfahrungen gemacht. Desgleichen, mit dem Vorderschaft.


    Hier der rohe Hinterschaft. Man erkennt eine Schadstelle, oben am Schaftrücken. Hier hat man bei
    dem Sägen der Öffnung für die Spannmechanik etwas zu tief gesägt und einen Schlitz in den Schaft
    fabriziert.
    Kann man machen nix. Ist original so.



    Und hier:


    der fertige Vorderschaft und der




    fertige Hinterschaft.


    So, das Holz ist nun fertig, weiter geht es mit dem Innenleben.
    Zum Beispiel mit der Dichtung, bzw. den Dichtungen:


    Tatsächlich, liegen vier Lederdichtungen übereinander.
    Fettes Paket.
    Die Dichtungen habe ich getrennt, gereinigt und in Motorenoel eingelegt um sie geschmeidig
    zu machen.

    Hier ein Blick auf das Federpaket, mit den Dichtungen...



    ...und hier die ganze Einheit in zerlegtem Zustand.
    .

  • Beim Zerlegen des Federpaketes, musste ich leider feststellen, dass die vordere Evolutfeder
    an drei Stellen gebrochen war,
    Ersatz ist für Geld und gute Worte nicht zu beschaffen.
    Zum Glück hat mir ein lieber Forenkollege mit einer gebrauchten, aber unbeschädigten
    Feder helfen können.
    Hier zeigt sich die Krux bei der Restaurierung eines so alten Geräts: Ersatzteilmangel.

    Eine Schweizer Firma war übrigens die einzige, die bereit war so eine Feder nachzufertigen,
    rief aber 4-500 Fränkli dafür auf und hat fairerweise von sich aus empfohlen, eine Gebraucht-
    Lösung anzustreben.

    Aus diesem Grund, wird auch die gebrochene Spannhebelverriegelung erst einmal hartgelötet
    und der Eigenbau-Abzug weiterverwendet.

    Die übel zugereichtet untere Halteplatte wurde hergerichtet:


    ...dann wurde komplettiert:



  • Ein wunderschönes, altes Stück ist da entstanden und es funktioniert tadellos.

    Das Kaliber ist übrigens 6,35mm, richtig fette Klopper, hier im Vergleich mit
    4,5 und 5,5mm:



    Ich hoffe, ich habe mit diesem kleinen Bericht, einigen zum Thema Bügelspanner etwas helfen
    können. Vielleicht habet ich auch ein wenig dazu anregen können, sich mit einem so alten
    Schätzchen anzufreunden.

    Beim Zusammenbau, geht man einfach in direkt umgekehrter Reihenfolge vor. Enden sollte man
    mit dem Einbau des Laufes. Alles andere ist selbsterklärend.
    Mit diesen Evolutfedern, sollte man sich beim Zusammenbau der Systemhülse auf etwas Widerstand
    gefasst machen. Da ist schon Dampf dahinter. Etwas kräftigere Oberarme und das eine oder andere
    Kilo Übergewicht sind dabei recht hilfreich und im klaren Vorteil sind Personen mit drei Armen.
    Ansonsten, alles easy.

    Ich hänge noch etwas Infomaterial an und wünsche Euch viel Spass mit Eurem Oldtimer.




    liebe Grüsse ... Patrick

    .