Übersicht: ERMA Schreckschusswaffen

  • Übersicht der von Erma gefertigten Schreckschuß-Waffen (SSW’s)

    ERMA steht für Erfurter Maschinenfabrik. Die Firma bestand von 1922 bis am 23.September 1997 leider das Konkursverfahren eingeleitet werden musste. Unterlagen über Erma, wie z.B. eine Firmenchronik, eine vollständige Produktübersicht oder Fotos und Zeichnungen über die produzierten Waffen sind fast nicht aufzutreiben bzw. wurden nach Firmenende gänzlich und gründlich vernichtet. Die Konkursmasse wurde zum Großteil von der durch Steyr-Mannlicher neu gegründeten ERMA Suhl GmbH übernommen, die bis etwa 2002 auch noch ERMA-Waffen auslieferten. Da ERMA’s Maschinenpark allerdings direkt nach Osteuropa verkauft wurde, handelt es sich bei den Suhler Auslieferungen ausschließlich um Waffen, die aus dem reichhaltigen Ersatzteillager von ERMA montiert wurden.

    Gebaut wurden in der Zeit seit dem zweiten Weltkrieg Lang- und Kurzwaffen. Bei den Kurzwaffen wurden Revolver bis zum Kaliber .357Magnum gefertigt. ERMA hat in Serie nie Pistolen mit verriegeltem Verschluß gebaut und nur mit einem Höchstkaliber von 9 mm kurz. Neben den Waffen war ein weiterer Schwerpunkt die Gleitlager-Herstellung. Aber auch Wildrettungsgeräte, Blinker, Optiken und diverse andere Sachen wurden gefertigt. Soviel allgemein zu ERMA. Zusätzliche Informationen findet Ihr auch hier im Forum von Germi zu ERMA und dessen Geschichte.

    Nun zum für dieses Forum interessanten Teil, den „freien Waffen“ der Firma ERMA. 1974 begann ERMA damit, neben den „scharfen“ Waffen parallel sehr hochwertige Schreckschuß-Waffen herzustellen. Diese weisen zu ihren „scharfen“ Schwestermodellen viele Gleichteile (z.B. Abzugsmechanik, Griffschalen, Magazinhalter, Schlagbolzen, usw, aber natürlich keine schußwaffenrelevante Teile wie Lauf und Patronenlager) auf, was mit ein Grund für die enorme Solidität, Langlebigkeit und Genauigkeit der SSW-Modelle ist.

    Da es mir hier um die hergestellten Schreckschußwaffen geht, gehe ich nicht weiter auf die seinerzeit auch frei verkäuflichen 4mm-Waffen (z.B. ERP74 oder E61), als auch nicht auf die Notsignalgeräte (z.B. das SG74) oder das einzige jemals von ERMA produzierte Luftgewehr (das ELG10 im UHR-Stil) ein.

    Die SSW-Modelle kann man in verschiedene Gruppen einteilen. Wenn man von den später noch erwähnten Lizenzbauten absieht, sind alle Modelle nach einem einfachen Muster bezeichnet:
    EGP = Erma GasPistole
    EGR = Erma GasRevolver
    EGG = Erma GasGewehr
    KGP = KnieGelenkPistole
    Dahinter sind dann noch 1-3 Zahlen/Ziffern für die komplette Modellbezeichnung (z.B. EGP75). Dabei steht die erste der Ziffern für die Baureihe, wie man weiter unten sehen und lesen kann. Alle Revolver wurden ausschließlich im SSW-Kaliber 9x17mm Rand gefertigt. Bei den Pistolen gab es ausschließlich 8mmK, .315K, 9mmPA und .35K und die Gewehre wurden in 8mmK und .22lg gefertigt. Somit gab es beispielsweise nie eine ERMA-SSW im Kaliber 6mm oder .45K, sowie keine Kurzwaffe im Kaliber .22lg.

    Der Großteil der SSW’s wurde brüniert mit Kunststoff-Griffschalen ausgeliefert. Diese waren Anfangs (bis ca. 1980) braun und später schwarz. Es gab aber auch verschiedene Holz-Griffschalen, sehr seltene Perlitt-Griffschalen (Perlmutt-Ersatz) und wenige verchromte, vernickelte oder gar aufwendig gravierte Waffen (tief gestochene Arabeskengravuren in Altsilber).

    Die Pistolen kann man darüber hinaus noch nach Modellreihen unterteilen:

    EGP315 = Kal.315K Version der EGP65-Modellreihe die Waffe hat eine Magazin-Kapazität von 5 Patronen. Diese Waffe wurde fast baugleich auch als IWC Lady gefertigt. Sie unterscheidet sich trotz der äußerlichen Ähnlichkeit zur EGP65 deutlich von ihr. Die Waffe hat einen SAO-Abzug.

    EGP4x = verkleinerter sehr freier Nachbau des Colt Combat Commander. Anfangs im Kaliber 8mmK (Modell EGP45 mit PTB297 bzw. PTB398), dann im Kaliber 9mmPA (EGP490 mit PTB647 und EGP459 mit PTB655) und im Kaliber .315K (EGP415 mit PTB648, wurde nicht vertrieben). Die Magazinkapazität beträgt bei den 8mmK und .315K Modellen 8 und bei den 9mmPA-Modellen 6 bzw. 7 Patronen. Von der PTB398-Version wurden auch Modelle unter anderen Handelsnamen gefertigt. Diese sind IWC Officer, Torro 45 und Crosman PK. Ferner gab es noch ein paar Prototypen, die auf der EGP45 basierten und einen Ausschuß nach oben haben (EGP45GB und EGP45P).

    EGP5x = Walther TPH Nachbauten. Anfangs im Kaliber 8mmK (PTB208 und PTB399), später auch im Kaliber .315K (Modell EGP515 mit PTB649), wobei die EGP515 nicht vermarktet wurde. Die Waffen haben eine Magazin-Kapazität von 5 Patronen. Das PTB399-Modell wurde auch mit der Bezeichnung Crosman PX gefertigt.

    EGP65 = Eigenständiges Design ohne starke Ähnlichkeiten mit bekannten Waffen. Es gab zwei Versionen im Kaliber 8mmK (PTB146 und PTB400). Die Waffen haben, wie auch das optisch ähnliche Kal.315K-Schwestermodell (EGP315) eine Magazinkapazität von 5 Patronen. Die Waffe hat einen SAO-Abzug.

    EGP7x = Walther PPK Nachbauten. Das ist die ERMA-SSW Baureihe mit den meisten Varianten, womit auch die ERMA SSW-Fertigung 1974 anfing. Als erstes kam das Modell EGP75 im Kaliber 8mmK (PTB69), die ihrerseits bereits auf der damals frei käuflichen ERP74 im Kaliber 4mmM20 basierte. Die Waffe wurde mehrfach überarbeitet (PTB69/2, PTB69/3) und schließlich mit einem Spannabzug versehen (EGP75S, PTB69/3 + PTB69/4). Während der Fertigung und Auslieferung des Modells mit der PTB69/2 gab es eine erste Serie mit flascher Stempelung, wodurch im Handel immer wieder EGP75-Modelle mit der PTB96/2 auftauchen. 1985 schließlich wurde eine wiederum überarbeitete Version (EGP75S mit PTB401) gefertigt, die auch unter anderen Handelsnamen vertrieben wurde (Torro 75 bzw. Crosman CX). Später gab es dann noch eine Version im Kaliber 9mmPA (EGP790 mit PTB645) und im Kaliber .315K (EGP715 mit PTB646, wurde nicht vermarktet). Wie auch bei der EGP45 gab es bei der EGP75S zwei Prototypen-Serien mit einen Ausschuß nach oben (EGP75GB und EGP75P). Die 9mmPA-Version hat ein Magazin für 5, alle anderen Modelle für 7 Patronen.

    EGP8x = verkleinerter freier Nachbau der Walther P38. Diese Waffe wurde nur in den Kalibern 8mmK (EGP88 mit PTB476) und .35K (EGP88 bzw. EGP881 mit PTB477) gefertigt. Die .35K-Variante nur in den Jahren 1989 bis 1991, während die 8mmK-Variante von 1988 bis 1994 gebaut wurde. Die Magazine sind für 7 Patronen ausgelegt. Die .35K-Variante war anfangs mit EGP88 beschriftet. Später wurde dies in EGP881 geändert, um Verwechselungen zu vermeiden.

    KGP690 = verkleinerter freier Nachbau der Pistole 08. Der Kniegelenkverschluß, welcher ERMA typisch aus Stahl gefertigt ist, ist im Gegensatz zum Vorbild ein unverriegelter Masseverschluß. Die Waffe gab es nur im Kaliber 8mmK in zwei Versionen (PTB209 und PTB402). Das Fassungsvermögen der Magazine liegt bei 6 Patronen.

    Geco P217. Diese Waffe ist der zweiten Generation der Glock 17 nachempfunden und war die letzte von ERMA gefertigte SSW, welche für die Dynamit Nobel AG gefertigt wurde und nicht unter dem Handelsnamen ERMA vertrieben wurde. Die Waffe hat die Zulassung PTB672 und wurde ausschließlich im Kaliber 9mmPA gebaut. Während der Lauf und Schlitten aus Metall bestehen, ist das Griffstück aus Kunststoff gefertigt. Das Magazin hat die enorme Kapazität von 17 Patronen. Es gab eine erste Version, welche noch Probleme bereitete und deshalb nach kurzer Zeit bereits überarbeitet wurde. Diese überarbeitete Version erkennt man an einem "G" auf der linken Seite des Abzugbügels. Die Waffen wurden von 1995 bis 1996 hergestellt und es gab neben der brünierten Variante auch eine mit vernickelten Schlitten.

    Darüber hinaus gibt es noch zwei Revolver-Baureihen:

    EGR6x = Nachbau der S&W Modellreihe 36. Diese kleinen 5-schüssigen Revolver gab es in normaler Ausführung (EGR66, PTB162) und als Komplett-Stahlvariante (EGR66x mit PTB162/2). Die Version aus kompletten Stahl ist die einzige in Deutschland jemals zugelassene SSW in Ganzstahl, wenn man von den wenigen Umbauten aus „scharfen“ Waffen einmal absieht. Dieses Modell gab es ausschließlich mit einem kurzen 2“-Lauf. Das Modell ist so exakt nach dem Smith & Wesson Vorbild gefertigt, dass z.B. Griffe aus dem Zubehörhandel für die S&W-Modelle passen (J-Frame Round Butt). Neben den direkt von ERMA vertriebenen EGR66 gab es auch baugleiche, bei ERMA gefertigte Verionen, die unter den Namen IWC (bzw. IWG) Chief vertrieben wurden. Da dieses Modell baugleich fast ist, hat es auch die gleiche Zulassung (PTB162). Der Großteil dieser IWC-Modelle war verchromt, während es den EGR66 nicht ab Werk in diesem finish gab.

    EGR77 = Nachbau der S&W Modell 19. Diesen 6-schüssigen Revolver wurde während seiner Bauzeit einmal überarbeitet. Die frühen Modelle tragen die Zulassungsnummer PTB233, die späten PTB601. Beide Modelle gab es darüber hinaus entweder mit 2,5“-Lauf oder in einer größeren 4“-Lauf Variante. Auch hier ist das Modell so exakt nach dem Smith & Wesson Vorbild gefertigt, dass z.B. Griffe aus dem Zubehörhandel für die S&W-Modelle passen (K-Frame Round Butt).

    Abschließend gab es noch zwei SSW-Gewehre von ERMA. Wie alle anderen ERMA-Waffen, gab es auch von diesen Modellen sowohl „scharfe“ Schwestermodelle von ERMA, als auch Vorbildwaffen.

    EG294 = Vorbild sind das Unterhebelspanner-Modell 94 von Winchester. Das Modell wurde im Kaliber .22lg hergestellt und hat einen Ausschuß nach oben und nicht durch den Lauf nach vorne. Die "Lauföffnung" sitzt dabei direkt vor dem Vorderschafthaltering

    EGG1 = kleiner freier Nachbau des Carabine M1. Dies ist der einzige in Deutschland jemals als SSW-Gewehr zugelassene Selbstlader und eines der ganz wenigen zugelassenen Gewehre, die einen Ausschuß nach vorne durch die Mündung haben. Es gab kleine 3-schüssige und größere 7-schüssige Magazine. Leider gab es ab Werk nie die ganz großen Magazine, wie beim „scharfen“ Schwestermodell in .22lfB, wo es noch längere 15-schüssige Magazine gab.

    Wie bereits erwähnt, hatten all diese SSW-Modelle auch „scharfe Schwestermodelle, was heutzutage die Ersatzteilsuche etwas vereinfacht, da Anbauteile und viele andere Dinge von den „scharfen“ Schwestermodellen gleich sind. Es lohnt sich also durchaus, wenn einem z.B. ein Schlagbolzen, eine Feder oder die Kimme seiner SSW fehlt, die Modellbezeichnung des „scharfen“ Schwestermodells herauszubekommen und dort nach Teilenummern und Ersatzteilen zu fahnden.

    Diese kleine Übersicht habe ich nach besten Wissen geschrieben. Wenn Ihr zusätzliche oder andere Informationen habt, dann meldet Euch per PN bei mir. Um mein (und damit auch Euer) Erma-Wissen über deren SSW-Produktion zu vertiefen, möchte ich auch nochmals auf die Seriennummer-Erfassung (Erfassung ERMA Bauzahlen & SN-Bereiche) hinweisen. Wer mir die benötigten Daten seiner ERMA’s noch nicht gesandt hatte, bitte endlich überwinden und senden.